Lebensmittel Chinesischer Bioboom ist Chance für deutsche Unternehmen

Der Bioboom erfasst die Chinesen. Sie produzieren für den Export und fragen Öko auch zunehmend selbst nach – Chancen für deutsche Unternehmen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Biofarm in China. Das Beste für das eine eigene Kind Quelle: David Gray, Reuters

Das Körnerbrot duftet in geflochtenen Weidenkörben. In den Naturholz-Regalen warten Biowaschmittel neben Naturseifen, getrockneten Früchten und Cerealien aus ökologischen Anbau auf Käufer. Die Angebote des Tages sind mit Kreide auf grüne Tafeln geschrieben, die Soja-Drinks kann der Kunde aus kleinen Pappbechern probieren. Der Laden steht nicht in Kreuzberg und auch nicht Freiburg, er heißt Lohao City – und befindet sich im Zentrum Pekings.

Auch in China fasst der Bio-Trend Fuß. Überschattet von den täglichen Nachrichten über die katastrophalen Umweltbelastungen im Reich der Mitte hat sich das Land zur ernst zu nehmenden Größe im globalen Bio-Geschäft entwickelt. Nach Schätzung der Weltdachorganisation der Öko-Anbauverbände (IFOAM) wurden in China Ende 2006 auf circa 2,3 Millionen Hektar Fläche ökologische Produkte angebaut, kontrolliert und zertifiziert von nationalen und internationalen Zertifizierungsunternehmen.

Damit hat China nach Australien und Argentinien die weltweit drittgrößte Bio-Anbaufläche: Tendenz steigend. Zum Vergleich: Bio-Pionier Deutschland bewirtschaftet nur 873.000 Hektar.

Motor der ökologischen Landwirtschaft war und ist der Export. Billige chinesische Arbeitskräfte und Rohstoffe versprechen hohe Gewinne. Pionier ist die HuaEn Organic Foods aus Dalian im Nordosten des Landes. Seine Firma sei die erste gewesen, die mit dem ökologischem Anbau begonnen habe, sie exportiere seit 1993 in den Westen, erzählt Vizechef Yuan Honjing. Das Hauptprodukt des staatlichen Unternehmens ist Soja. Circa 12.000 Tonnen pro Jahr gehen in den Export, vornehmlich nach Japan, in die USA und nach Europa. Auch Rapunzel Naturkost, eine führende deutsche Öko-Lebensmittel-Firma, gehört zu seinen Kunden.

Bei Getreide und Hülsenfrüchten, Nüssen und Pilzen, getrockneten Früchten und Tee gehört China zu den größten Bio-Exporteuren der Welt, mit jährlich zunehmenden Umsätzen. Deutlich wurde das auf der jüngsten Biofach, der größten Bio-Messe der Welt, die jeden Februar in Nürnberg stattfindet. Von den knapp 2.600 Ausstellern kamen etwa zwei Drittel aus dem Ausland, 54 Firmen aus der Volksrepublik stellten dabei das größte Kontingent aus Übersee.

China auf dem Weg zum Besseren

Das ist bemerkenswert angesichts der Imageprobleme, mit denen chinesische Produkte zu kämpfen haben. Verseuchtes Kinderspielzeug, Rückstände in Shrimps und anderen Nahrungsmitteln, die hohe Umweltbelastung – da fragen sich Verbraucher und Verarbeiter im Westen, ob man den chinesischen Bio-Produkten überhaupt vertrauen kann.

Es gebe immer wieder Gerüchte, dass konventionell hergestellte Ware umdeklariert würde, bestätigt Udo Censkowsky, Direktor des in München ansässigen Beratungsunternehmens Organic Services. Zudem sei die in China seit 2004 bestehende Öko-Gesetzgebung von staatlicher Seite bisher nicht umgesetzt worden.

Dennoch sieht Censkowsky China auf dem Weg zum Besseren. So gibt es inzwischen ein professionelles Kontrollsystem. Neben dem staatlichen China Organic Food Certification Center dürfen inzwischen auch internationale Kontrollorganisationen wie die französische Ecocert oder die deutsche BCS Öko-Garantie chinesische Unternehmen kontrollieren.

Der promovierte Agraringenieur Meng Fanqiao von der China Agricultural University arbeitet beispielsweise in einem Joint-Venture mit der Ecocert zusammen und betreut mit 20 Mitarbeitern, die von der europäischen Muttergesellschaft geschult wurden, etwa 300 Kunden in China. Neben dem inländischen Öko-Siegel muss ein chinesisches Unternehmen, das exportieren will, auch ein Export-Zertifikat erhalten.

 „Die Bio-Landwirtschaft in China ist nicht so schlecht wie ihr Ruf“, sagt auch Peter Leedham. Der Mitarbeiter der weltweit aktiven Firma Eurofins kontrolliert Unternehmen in Bezug auf Rückstände in Lebensmitteln und Verarbeitungsprozessen und gibt im ganzen Land Seminare für Arbeiter. Aufgrund der kleinbäuerlich geprägten landwirtschaftlichen Struktur könne man aber nicht jeden Bauern einzeln kontrollieren, konzediert er.

Die Länder mit der größten Bioanbaufläche Weltweit (Zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken) Quelle: IFOAM

Wer ökologisch saubere Ware aus China beziehen wolle, sollte deshalb langfristige Lieferbeziehungen und Partnerschaften aufbauen, sich die Farmen im Land selbst ansehen und auch einen fairen Preis zahlen, rät Censkowsky. Und darauf achten, dass das Zertifizierungsunternehmen von der Europäischen Union anerkannt sei. So wie es Rapunzel Naturkost macht. Die Bio-Firma aus dem Unterallgäu hat langfristig in ihre Partner investiert, betreibt zum Teil sogar eigene Projekte, um die Qualität der Rohstoffe oder Produkte sicherzustellen, sagt Mitarbeiterin Heike Kirsten. „Das ist nicht nur ein chinesisches Problem. Um die Qualität muss man sich selbst kümmern, egal aus welchem Land man Ware bezieht“.

Selbst die chinesische Regierung fördert den Bio-Anbau. So könne eine Farm oder ein Unternehmen die Umstellung auf Bioproduktion oder auch die Kontrollkosten durch den Staat finanzieren lassen, weiß Berater Censkowskys. Von staatlichen Subventionen hat auch HuaEn Organic Foods aus Dalian profitiert. Bisher kassierte die Firma zehn Prozent der Einnahmen in Form von Subventionen, diese seien nun aber komplett gestrichen, und so blickt Manager Yuan mit Sorge in die Zukunft.

Mit der Globalisierung wird auch für die chinesischen Bio-Exporteure der Wettbewerb härter. Die Verbesserung der Qualität hat laut Censkowsky zu höheren Kosten geführt, dazu erhebt die Regierung inzwischen eine Exportsteuer von 25 Prozent auf einige Güter wie zum Beispiel Reis. Der bisherige Preisvorteil schmilzt zusammen. Die Folge: Die Bio-Produzenten konzentrieren sich zunehmend auf den Binnenmarkt.

Und der hat gewaltiges Potenzial, bestätigt Axel Bartkus, Geschäftsführer der Nürnberg Messe China und Veranstalter der Biofach. Er lebt seit 13 Jahren in der Volksrepublik und hat für sein Unternehmen die erste Tochterfirma im Ausland aufgebaut, die Biofach China. Im Mai fand sie zum zweiten Mal statt, 242 Firmen stellten aus, 20 Prozent mehr als im Vorjahr. „Der Biogedanke verbreitet sich in der Bevölkerung“, freut sich Bartkus. „Green Food wird in den Städten ein Begriff.“

Gute Chancen für westliche Bio-Unternehmen

Dabei spielt im Unterschied zu Deutschland die Naturerhaltung und umweltschonende Produktion nur eine untergeordnete Rolle. Den Verbrauchern im Reich der Mitte käme es vor allem auf Gesundheit, Geschmack und Frische an, sagt Bartkus. Die Chinesen hätten kein „Bio-Ethos“, bestätigt Klaus Griesbach, Berater der in Peking ansässigen Bejing Organic Farm Development, einem Unternehmen das zertifizierte Bioprodukte unter einem gemeinsamen Markenlabel vertreibt. Dennoch prophezeit er dem chinesischen Bio-Markt eine große Zukunft. Die Schicht der Wohlhabenden und Reichen in den Städten wachse genauso schnell wie die Angst vor belasteten Nahrungsmitteln. Gerade für das eine eigene Kind wollten Eltern nur das beste. Griecbach hat für den Green-Food-Anbieter Organic Farm einen Direktlieferservice aufgebaut. Allein in Peking gehen jede Woche etwa 400 Gemüsekisten an Kunden, die per Internet bestellen. Die Produkte kommen zum Teil von eigenen Farmen, werden aber auch zugekauft.

Organic Farm ist ein Familienunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Frischprodukte wie Gemüse, Früchte und Eier und nutzt die Infrastruktur des Handels. Verkauft wird Shop in Shop in den großen Supermarktketten wie Carrefour, Metro oder Walmart. „Das Geschäft läuft gut, die Rohstoffe sind der limitierende Faktor“, sagt Frau Chen Conghong, eine dynamische Agraringenieurin.

Lohao City geht einen anderen Weg. Mitbesitzerin Amy Chuang aus Taiwan will eine Ladenkette im Franchise-System aufbauen, die sich in den Wohngegenden der wohlhabenden Chinesen und Ausländer ansiedelt. In den zurzeit sechs Läden ist nur etwa die Hälfte der knapp 5.000 Produkte aus ökologischer Erzeugung. Daneben findet der Kunde hochwertige Importwaren, von Schokolade bis zu einer großen Wein- und Spirituosenpalette. In Broschüren werden neue Produkte vorgestellt, man findet Rezepte, Tipps und erfährt, wie man seine Kinder gesund ernährt. ,„Wir wollen die Kunden von unseren Produkten überzeugen“, sagt Chuang.

Lohao City unterhält zur Werbung sogar eine eigene Farm. Sie liegt in einem schmalen Tal etwa 50 Kilometer außerhalb Pekings in einer landschaftlich schönen Gegend. Besucher können dort Kühe, Schweine und Enten in Freilaufgehegen sehen, Straußen füttern und auf Pferden reiten. Außer Obst wird dort aber nichts angebaut, die Farm ist nur ein Marketing-Instrument und Ausflugsziel für die Städter, die das Landleben nicht kennen.

EIn Absatzmarkt für deutsche Bio-Produkte ist vorhanden

Die Aufbruchstimmung lockt auch westliche Bio-Unternehmer in das Reich der Mitte. Fünf deutsche und österreichische Unternehmen waren in diesem Jahr in Shanghai auf der Messe. Wenn der Trend anhält, sagt Axel Bartkus, wird China für den deutschen Bio-Export interessant.

Frau Chen ist in Deutschland schon auf der Suche nach Lieferanten. Sie besucht regelmäßig die Biofach-Messe in Nürnberg. In diesem Jahr hat sie sich auf Bio-Höfen über Demeter-Landwirtschaft und Kompostmanagement informiert, einen ökologischen Hühnerhof besucht und mit verschiedenen produzierenden Unternehmen verhandelt. Sie möchte deutsche Baby-Nahrung und deutschen Öko-Fruchtsaft importieren. An den Absatzchancen zweifelt sie nicht: „In China gibt es inzwischen genügend Reiche, die sich diese Produkte trotz der hohen Preise leisten können.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%