Leitzinserhöhung in Amerika Die Rückkehr des Zinses (in den USA)

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Fluch für Schuldner, Segen für Sparer

Die EZB wird dem Beispiel der Fed zeitnah nicht folgen. Erst in der vergangenen Woche kündigte sie – wenig überraschend – an, an ihrer expansiven Geldpolitik festzuhalten. Für die hoch verschuldeten Staaten in Südeuropa ist das eine gute Nachricht. Der Zinsdruck auf die Regierungen bleibt gering; höhere Forderungen der Geldgeber könnten sich viele schlicht nicht leisten. Und: Wird der Euro zudem gedrückt, können auch wenig wettbewerbsfähige Exportunternehmen ihre Produkte im Ausland absetzen.

Doch umsonst ist die EZB-Politik der ungezügelten Anleihenaufkäufe nicht. Sie hebelt den Markt aus, ist der Zins doch auch ein Ordnungsinstrument. Die Theorie geht so: Riskante Investitionen werden mit einem Aufschlag versehen, solide Schuldner zahlen einen geringeren Preis. Kaufen die europäischen Notenbanker aber schlich alle Anleihen vom Markt, von wenig verschuldeten Regierungen wie von kriselnden Unternehmen, wird der Kontrollmechanismus außer Kraft gesetzt. Das Risiko für faule Investitionen trägt der Steuerzahler. „Abnormal“, nennt US-Ökonom Barry Eichengreen den Zustand, dass es in weiten Teilen der Welt etwa zwischen soliden Staatspapieren und riskanten Anleihen für Unternehmen kaum noch Zinsunterschiede gibt.

Dass sich die deutsche Regierung mit öffentlicher Kritik zurückhält, liegt weniger daran, dass man um die Unabhängigkeit der Notenbank in Frankfurt besorgt ist. Vielmehr profitiert auch die große Koalition von der Geldschwemme. Sich zu verschulden, ist für die Bundesregierung günstig wie nie. Zum Teil zahlten Anleger in der Vergangenheit sogar dafür, der Bundesrepublik, einem der letzten verbliebenen Top-Schuldner, ihr Geld leihen zu dürfen. Was den Finanzminister freut, lässt den Sparer aufheulen. Selbst bei der derzeit geringen Inflation verliert der solide haushaltende Bundesbürger jeden Monat Geld. Je schneller die Inflation anzieht, desto größer ist der Wohlstandsverlust der Sparer. Ihr Handeln wird bestraft, während das Leben auf Pump belohnt wird. Das ist nicht nur unfair, sondern auch gefährlich.

Geld muss einen Preis haben. Sonst drohen Fehlinvestitionen, Preisblasen und ein immer größeres Wohlstandsgefälle zwischen der Mittel- sowie Unterschicht und den Reichsten der Reichen. Die USA scheinen gewillt, die Wende einzuleiten. Der Zins kehrt zumindest jenseits des Atlantiks zurück. Das ist eine gute Nachricht.

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