Letztes TV-Duell Le Pen wird Opfer ihrer eigenen Pöbeleien

Die Kandidatin der rechtsextremen Partei Front National fällt im letzten TV-Duell vor der Stichwahl um die französische Präsidentschaft aus der Rolle: Sie vergibt die Chance, dem Sozialliberalen Macron gefährlich zu werden.

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Paris Zweieinhalb Stunden Diskussion und eine klare Verliererin: Der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen ist es in der letzten großen TV-Debatte mit dem Favoriten Emmanuel Macron vor dem entscheidenden Wahlgang am Sonntag nicht gelungen, sich als mögliche Präsidentin der Franzosen darzustellen.

Stets übermäßig aggressiv, wie ein Boxer, der aber ständig vorbeischlägt, verbrachte Le Pen am Mittwochabend den größten Teil ihrer Redezeit damit, Macron anzupöbeln. Ihr eigenes Programm kam dabei fast gar nicht zur Sprache, auch wenn sie ausdrücklich danach gefragt wurde. Ein TV-Kommentator fasste den Eindruck kompletter Orientierungslosigkeit, den sie erweckte, so zusammen: „Sie hatte sogar Schwierigkeiten damit, ihre eigenen Sprechzettel abzulesen.“

Die Ausgangslage vor dem Duell war klar: Macron konnte durch die Debatte eher verlieren, denn er liegt in allen Umfragen sehr weit vorne. Le Pen hatte am meisten zu gewinnen. Man erwartete, dass sie versuchen würde, Macron zu erschüttern, vor allem aber unentschiedene Wähler von links und rechts zu gewinnen.

Doch schon mit ihrer ersten Wortmeldung schlug sie wie mit einem Baseballschläger um sich. „Monsieur Macron, Sie sind der Kandidat der wilden Globalisierung, der Uber-isierung, der Plünderung unserer Unternehmen, des Kriegs jeder gegen jeden, der Parallelgesellschaften. Sie sind die Fortsetzung von Hollande und zeigen die Kälte des Investmentbankers, der Sie immer noch sind.“ So grob kann man in einem Meeting vor Sympathisanten austeilen, aber nicht vor einem Millionenpublikum, das auf den würdigen Abschluss eines sehr langen Wahlkampfs wartet.

Macron war alles andere als erschüttert von dieser Attacke, ruhig gab er zurück: „Sie sind jedenfalls nicht die Kandidatin des feinen Tons und der demokratischen Debatte, Sie sind die Erbin einer Partei des Hasses, Sie stehen sogar dazu.“ Er wolle nicht den „Geist der Niederlage, nicht die Grenzen schließen, nicht raus aus Europa, weil die anderen schaffen, was uns nicht gelingt: Ich bin für den Geist der Offensive, wird sind die fünfgrößte Wirtschaftsmacht, aber wir haben viel zu verändern.“

Zweieinhalb Stunden wiederholte sich das Schema: Macron versuchte, zur Sache zu sprechen, ging auf 30 Jahre Massenarbeitslosigkeit ein und auf die Notwendigkeit, den Klein- und Mittelbetrieben zu erlauben, agiler zu sein, sich an Zyklen anzupassen. Doch Le Pen blieb bei ihren wüsten Angriffen, hoffte wohl, Punkte zu machen, wenn sie immer wiederholte: „Sie haben eine katastrophale Politik mit Hollande gemacht, nur für die großen Konzerne, Sie denken nicht an die höheren Interessen der Nation, Sie verkaufen Unternehmen ans Ausland.“


Le Pen ist Macron nicht gewachsen

Rasch begann sie, sich in ihren Vorwürfen zu verheddern, Unternehmen zu verwechseln, die Macron angeblich verkauft hat. Geduldig sagte der ihr: „Frau Le Pen, die einen machen Telefone, die anderen Turbinen, das müssen Sie auseinanderhalten.“ Wütende Reaktion der Ertappten: „Reden Sie nicht wie ein Lehrer mit mir!“

Mit dem Vergleich hatte sie gar nicht so unrecht. Über weite Strecken wirkte sie wie eine Schulversagerin, die nur noch versucht, den Lehrer zu provozieren. Ob Rente, Arbeitsmarkt, Außenpolitik oder Terrorbekämpfung: Sie brachte keine eigenen Vorschläge, griff immer nur Macron an, mal als „Ultraliberalen“, dann als „Verbündeten der Sozialisten“, schließlich als „Mann, der sich vor den Deutschen und den Amerikanern auf den Bauch wirft.“

Die Grobheit, zu der Le Pen neigt, nahm zu, je mehr sie merkte, dass Macron nicht aus der Fassung zu bringen war. Die Körpersprache der beiden war bemerkenswert: Macron saß gerade auf seinem Stuhl oder neigte sich nach vorne, sah Le Pen stets direkt in die Augen. Sie dagegen drehte sich auf ihrem Stuhl, schaute zur Seite, lehnte sich zurück, als wolle sie den Argumenten ihres Gegenübers ausweichen.

Ihren politischen Offenbarungseid leistete die FN-Chefin, die derzeit den Parteivorsitz ruhen lässt, als sie ihre Haltung zum Euro erläutern sollte. Sie werde mit der EU verhandeln, um wieder souverän zu werden in der Geldpolitik, kündigte Le Pen an, denn „wir müssen wieder unsere Währung haben.“ Wer, wollte Macron wissen, solle den neuen Franc bekommen? „Alle, wir bezahlen alle in unserer Währung.“ Also gibt es keinen Euro mehr? „Doch, parallel.“ Ja wer bezahle denn dann in Euro? „Niemand, die Zentralbanken, so wie es vorher war, bevor es den Euro gab.“ Wie bitte? „Ja, da gab es auch schon den Euro, oder ECU, die Unternehmen können machen, was sie wollen, sie bezahlen in Franc oder in ECU.“

Macron war sichtlich verwundert über die Verwirrung seiner Gegnerin, die ihm gegenübersaß. „Frau Le Pen, in ECU hat nie jemand bezahlt, das war eine Recheneinheit, und ein Unternehmen kann in Frankreich nicht gleichzeitig in zwei verschiedenen Währungen zahlen.“

An dem Punkt hätte man die Debatte abbrechen können, es war klar, dass Le Pen ihrem Gegner nicht gewachsen war. Die Einsicht kam wohl in ihr selber hoch, denn sie wurde zunehmend aggressiv, während Macron immer ruhiger wurde, wie der künftige Präsident wirkte.

Le Pen versuchte es mit Andeutungen, Macron habe Dreck am Stecken: „Die Franzosen werden sich vielleicht noch wundern, wenn da in den nächsten Tagen was raus kommt über Sie, Monsieur Macron!“ Der antwortete kurz und bündig: „Der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist, dass gegen Sie ein Verfahren läuft, gegen mich nicht, Sie aber nicht einmal zur Vernehmung durch die Richter gehen.“ Es war ein Hinweis auf die mutmaßliche Unterschlagung von EU-Geldern durch Le Pen und das laufende Gerichtsverfahren. Le Pen kicherte: „Ja, Ihre Richter.“

An dem Punkt landete Macron einen vernichtenden Treffer: „Der Respekt unserer Institutionen ist etwas Fundamentales, Sie machen sich lustig über die Richter, Sie bedrohen Beamte, Sie sind nicht würdig, das höchste Staatsamt zu bekleiden und Garant unserer Institutionen zu sein.“

Le Pen krakeelte weiter, wollte Macron auch dann noch weiter beharken, als die Debatte bereits zu Ende war. Die FN-Politikerin war völlig aus der Fassung geraten, Opfer der eigenen Aggressivität. Die Zuschauer reagierten entsprechend: In einer Blitzumfrage äußerten 66 Prozent, Macron habe das bessere Programm. Das ist ein günstigerer Wert für den jungen Politiker als in den bisherigen Umfragen.

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