Libyen-Konferenz Italien bringt libysche Rivalen zusammen

Aus UN-Sicht gilt die Konferenz als „Meilenstein“: Italien brachte den ostlibyschen Machthaber mit Libyens Regierungschef zusammen. Doch es reiste auch jemand erbost ab.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Giuseppe Conte, Ministerpräsident von Italien, empfängt den General Chalifa Haftar aus Libyen auf der Libyen-Konferenz. Die internationale Gemeinschaft sucht in Italien nach Lösungen für das Chaos im nordafrikanischen Libyen. Quelle: dpa

Palermo Italien hat die wichtigsten Rivalen in Libyen am Rande einer Konferenz zur Lage in dem Bürgerkriegsland zusammengebracht. Italiens Regierungschef und Gastgeber Giuseppe Conte äußerte am Dienstag die Hoffnung auf Wahlen in Libyen im Frühjahr 2019.

Der Libyen-Beauftragte der Vereinten Nationen, Ghassan Salamé, nannte die Konferenz einen „Meilenstein“ und „Erfolg“. Er fügte aber warnend hinzu: „Entweder, der politische Prozess schreitet voran, oder es könnten jederzeit neue Auseinandersetzungen geben.“

Italien hatte die Initiative zu der Libyenkonferenz ergriffen, da es sich besonders von dem Konflikt in dem kriegszerrissenen Land Nordafrikas betroffen sieht. Über Libyen kamen in der Vergangenheit zahlreiche Migranten illegal nach Europa.

Die ehemalige italienische Kolonie kommt seit dem mit westlicher Hilfe erreichten Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi 2011 nicht zur Ruhe. Mehrere Regierungen und zahlreiche Milizen konkurrieren um die Macht und zahlreiche Staaten greifen von außen in den Machtkampf ein.

Von der Stabilisierung Libyens erhoffe man sich eine bessere Kontrolle der Migration sowie eine effizientere Bekämpfung des Terrorismus und des Menschenhandels, sagte Conte. Lösungen könnten dem Land aber nicht „von außen auferzwungen werden“.

Der wichtigste Gegenspieler der international anerkannten Regierung von Fajis al-Sarradsch, der in Ostlibyen herrschende General Chalifa Haftar, nutzte die Konferenz in Palermo zu einer Machtdemonstration. Er kam erst im letzten Augenblick am Montagabend nach Palermo, ließ sich zu Beginn der Konferenz mit Conte ablichten, blieb dann aber dem Abendessen fern und nahm am Dienstag nur an Gesprächen am Rande teil. Dort traf er sich allerdings mit Al-Sarradsch, dem er vor den Kameras die Hand schüttelte.

Nach den Vorstellungen des UN-Gesandten Salamé soll in den ersten Wochen des Jahres 2019 eine nationale Versammlung in Libyen zusammentreten und den Weg zu Wahlen bereiten. Nach der Konferenz sei er nun „beruhigter“, da ihm die internationale Gemeinschaft Unterstützung seiner Pläne signalisiert habe, sagte er. Die libyschen Delegationen hätten ihm außerdem zugesagt, bei der nationalen Versammlung dabei zu sein.

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew warnte davor, „künstliche Stichtage“ für Wahlen festzulegen. Wahlen sollten von der Sicherheitslage im Land anhängig gemacht werden, „damit die Wähler nicht um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie zu den Wahllokalen gehen“. Medwedew räumte ein, dass die Abstimmung der internationalen Libyen-Partner schwierig sei: „Ein Konsens zu finden, ist äußerst problematisch.“

Wie tief die Gräben zwischen den 30 Teilnehmerländern teils sind, machte ein Eklat zum Ende der Konferenz deutlich. Die Türkei verließ die Konferenz frühzeitig aus Protest, weil sie sich von Gesprächen Haftars mit Al-Sarradsch und Vertretern einiger Teilnehmerstaaten wie Ägypten und Russland ausgeschlossen fühlte.

Mit der Konferenz wollte die Regierung in Rom nach Einschätzung von Experten Führungsstärke beweisen und ein Gegengewicht zum Einfluss Frankreichs in der ehemaligen italienischen Kolonie schaffen. In der Libyen-Frage gibt es immer wieder Reibereien zwischen den beiden EU-Ländern: Rom macht vor allem das Frankreich des früheren konservativen Staatschefs Nicolas Sarkozy für den Nato-Militäreinsatz von 2011 verantwortlich, der zum Sturz Gaddafis geführt hatte.

Außerdem soll Rom Paris verdächtigen, sich einen größeren Anteil an den Energievorkommen des ölreichen Landes sichern zu wollen, wo der italienische Energiegigant ENI eine traditionell sehr starke Stellung hat, wie etwa die Tageszeitung „Le Monde“ analysierte. Erst im März hatte der französische Ölkonzern Total eine Minderheitsbeteiligung von gut 16 Prozent beim Waha-Ölfeld in Libyen übernommen.

Nach den islamistischen Terrorattacken in Paris vom November 2015 habe Frankreich in Libyen Partner vor allem unter dem Anti-Terror-Aspekt gesucht und sich dabei General Haftar angenähert, mit dem westliche Regierungen sonst nicht gesprochen hätten, so „Le Monde“. Rom arbeitet dagegen eng mit dem Chef der Einheitsregierung zusammen, etwa im Kampf gegen Schleuser.

Angesprochen auf die Konkurrenz zwischen Italien und Frankreich um Einfluss in dem ölreichen Land sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, in Palermo: „Deutschland hat diese Art der Rivalität nie erfahren. Ich hoffe, dass jeder versteht, dass ein einzelnes Land nicht in der Lage ist, diesen Konflikt zu lösen.“ Deutschland fordere eine „gemeinsame europäische Anstrengung“, um Libyen zu stabilisieren, sagte Annen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%