Liu Xiaobo Warum China das Wetter zensieren möchte

Peking versucht im Internet die Spuren zum Tod des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo zu verwischen. Das Vorgehen der chinesischen Zensoren sollte ausländischen Unternehmen zu denken geben.

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Quelle: AP

Es war Donnerstagnachmittag in China, als die Nachricht kam: Liu Xiaobo, der chinesische Friedensnobelpreisträger, ist tot. Der Dissident starb an mehrfachem Organversagen. Der 61-Jährige hatte Leberkrebs im Endstadium.

Die Welle der Trauer, die durch das chinesische Internet schwappte, währte nur kurz. Sie macht aber deutlich, wie leicht es Peking fällt, im chinesischen Internet die Kontrolle über kritische Themen zu gewinnen. Und wie massiv die Eingriffsmöglichkeiten sind, die Peking inzwischen hat.

Auch wenn es in einigen Städten wie in Shanghai zu spontanen Trauerbekundungen auf der Straße kam, die schnell von Sicherheitskräften aufgelöst wurden, zeigte sich die Wut über den verstorbenen Menschenrechtler vor allem in sozialen Netzwerken. Sein Name und andere zentrale Begriffe wurden innerhalb kürzester Zeit zensiert. Darunter seine berühmten Worte: „Ich habe keine Feinde“, die er 2009 während seines Prozesses gesagt hatte. Die drei Schriftzeichen seines Namens Liu Xiaobo ließen sich auf der größten Blog-Plattform Weibo nicht mehr suchen. Auch einen Tag später heißt es weiterhin nur: „Es liegen keine Ergebnisse zu diesem Begriff vor.“

Eine normale Suchanfrage bei der chinesischen Suchmaschine Baidu ergab kurz nach Bekanntwerden seines Todes lediglich einige Artikel über Liu aus 2016 – auf Baidu Baike, dem chinesischen Wikipedia, war zu dem Zeitpunkt bereits sein Todesdatum ergänzt worden. Auch RIP – die englische Abkürzung für Ruhe in Frieden – sowie Kerzen-Emojis waren tabu. Ein Nutzer postete einen Screenshot mit der Nachricht des chinesischen Netzwerks Weibo, dass er für die drei verbotenen Buchstaben RIP sieben Tage suspendiert worden sei.

Der Literaturprofessor, Dichter und Menschenrechtler Liu Xiaobo war 2009 wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte ein Jahr zuvor die „Charta 08“ veröffentlicht, ein Manifest, in dem er sich für einen demokratischen, freien und verfassungsmäßigen Staat eingesetzt hatte. Mehrere hundert Unterstützer hatten seine Forderungen damals unterschrieben. 2010 war er für sein Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Damals bereits inhaftiert, konnte er nicht zur Verleihung der Auszeichnung kommen. Sein Stuhl blieb bei der Preisvergabe leer.

Auch in dem Messenger WeChat, dem chinesischen WhatsApp, griffen Chinas Behörden hart durch. Nachrichten, die Nutzer mit ihren Kontakten auf ihrer Timeline teilten, wurden zensiert. Innerhalb privater Chats konnten Nachrichten zwar verschickt werden, kamen aber nicht beim Gegenüber an. Darunter solche, die den Namen Liu Xiaobo enthielten. Auch Links und Artikel wurden direkt gelöscht, bevor sie den Empfänger erreichten.

Chinas digitale Zensur wurde selten so deutlich wie in den Tagen nach Lius Tod. Normalerweise ist es für Experten und Nutzer schwer zu erkennen, wie viel die Zensoren wirklich aus dem Netz ziehen. Sucht ein Nutzer nach einem Thema, gibt es kaum Möglichkeiten abzuschätzen, ob dies nur nicht relevant, oder bereits zensiert und breitflächig gelöscht wurde.

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