Lob für Merkel in seinem Buch Hollande schwärmt von der Kanzlerin

In einem Buch des französischen Präsidenten bekommen alle ihr Fett weg – sogar seine eigene Freundin. Damit macht sich Hollande fast unwählbar. Nur für zwei Menschen hegt er Sympathie: Angela Merkel und ihren Mann.

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„Das hat mich berührt“: Hollande über Merkels persönliche Geste nach dem Anschlag vom 13. November in Paris. Quelle: dpa

Eine vertrauensvolle Beziehung oder gar Freundschaft mit Angela Merkel wurde François Hollande nicht in die Wahlurne gelegt. Er gewann die Wahl unter anderem durch das Versprechen, gegen Merkel die EU „neu zu orientieren“ und den von der Kanzlerin geprägten EU-Fiskalvertrag zu revidieren. Wenige Monate nach Amtsantritt ließ Hollande eine Resolution der Sozialisten passieren, die forderte, „die Konfrontation mit Merkel“ zu suchen. Das klang wie der Abgesang auf die deutsch-französische Freundschaft.

Das war voreilig, wie man an der guten Zusammenarbeit der beiden Spitzenpolitiker – vor allem in der Ukraine-Krise, aber auch in Sachen Griechenland – gesehen hat. Umso gespannter war man darauf, was Hollande in dem Gesprächsbuch, geschrieben von zwei Journalisten der Zeitung Le Monde, über Merkel sagen würde. Darin watscht der Präsident alle möglichen Persönlichkeiten, selbst ganze Völker, auf eine Art ab, die dem Titel des Buches alle Ehre macht: „Das sollte ein Präsident nicht sagen…“

Richter sind für ihn Vertreter eines „Systems der Feigheit“, Sarkozy bewundert er sarkastisch „für seine Vulgarität“, über Giscard d’Estaing offenbart er, dass der ihn bat, die Kanzlerin von den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie auszuschließen. Putin schildert er als misstrauisch und hochfahrend, Barack Obama als jemanden, „der lange braucht, um sich zu entscheiden.“ Die Griechen seien „kollektiv dafür verantwortlich“, dass sie „verantwortungslos gehandelt“ hätten. Über den amtierenden Premier Tsipras sagt er gar, der habe aus dem Euro ausscheiden wollen – eine Behauptung, die in Athen zu einer kleinen Krise geführt hat.

Indiskreter hat sich noch kein führender Politiker über seine Kollegen geäußert. Erst recht nicht, wenn er noch im Amt ist. Nicht nur erstaunlich, sondern peinlich ist, wie detailliert er sich über seine Beziehung zu Julie Gayet äußert. „Es gibt keine Fotos von ihr mit mir im Elysée“, sagt er. (Was nicht einmal stimmt, es gab welche.) Er sehe sie oft, aber nicht so oft, wie es beiden lieb wäre. Denn er habe sich dagegen entschieden, ihr eine Rolle als offizielle Lebensgefährtin des Präsidenten zu geben, wie Valérie Trierweiler es war. Dabei wolle Gayet diese Rolle: „Sie brennt darauf, aber das kommt nicht in Frage.“

Sollte er wiedergewählt werden, müsse sie noch mal fünf Jahre im Schatten warten. Denn alles andere würde ihm angekreidet als Versuch, die Öffentlichkeit mit einer privaten Geschichte zu beeinflussen. Umständlich erklärt er den Journalisten, wie er die Beziehung sieht. Auf die Frage, ob es gerechtfertigt sei, Gayet als seine Partnerin anzusehen, antwortet er: „Ja, das ist es. Aber es bleibt (in der Öffentlichkeit) eine vermutete Beziehung, und ich sorge dafür, dass es dabei bleibt.“ Verdrehter geht es kaum.


„Sie ist nicht so, wie es behauptet wird.“

Zum Ende seiner Präsidentschaft hat Hollande sich mit diesem Werk wohl die letzte Chance auf Wiederwahl genommen. Bleibt die Frage, ob er auch Merkel so abfertigt, wie andere Persönlichkeiten? Das ist die große Überraschung: überhaupt nicht. Zur Kanzlerin kommt ihm kein gehässiges Wort über die Lippen. „Sie ist nicht so, wie es behauptet wird.“ entkräftet Hollande landläufige Vorurteile. „Sie ist nicht autoritär, nicht herabsetzend und nicht distanziert.“

Der Umgang mit ihr sei „einfach, weil sie nicht versucht, ihre Absichten zu tarnen.“ Die Kanzlerin sei vielmehr „seriös, intelligent, darauf bedacht, eine Balance zu finden, die aber möglichst nahe an ihrem Standpunkt liegen soll.“ Politisch stehe sie dem Konservativen Sarkozy näher, doch „dessen Härte und Brutalität hat sie stets verletzt.“ Er selber und sie, sagt Hollande, hätten zusammengefunden. Nicht, „weil wir einen Pakt geschlossen hätten“, sondern weil sie im Interesse Europas handelten: „Wir brauchen einander.“

Hollande, der abgebrühte Politiker, wird ausgerechnet bei Merkel, die in Frankreich als „Madame Non“ oder „Mutter der Austerität“ verschrien ist, weich. Hoch rechnet er ihr eine Geste an: Den Moment, in dem sie zwei Tage nach dem Anschlag vom 13. November in Paris ihren Kopf an seine Schulter legt. „Das war eine sehr weibliche, sehr persönliche Geste, das war heikel und hätte leicht missverstanden werden können“, sagt der Präsident. Merkel hätte das nicht machen müssen, stellt er fast gerührt fest. Normal wäre eine Umarmung gewesen, ein Kuss, „aber wie banal ist ein Kuss“, philosophiert der Präsident. Merkels Kopf an seiner Schulter, das sei dagegen ein Ausdruck von Vertrauen gewesen. „Das hat mich berührt“.

Bei so viel Positivem wundert es nicht mehr, dass Hollande auch Merkels Gatten eine angenehme Seite abgewinnt. An Professor Sauer beeindruckt ihn, dass er so gut wie unsichtbar sei. „So muss es sein“, überlegt der Präsident. Gattin oder Gatte eines Spitzenpolitikers sollten in der Öffentlichkeit keine Rolle spielen. Eine Regel, an die er sich selber nicht gehalten hat.

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