Lobbyismus in der Krise Durchhalteparolen fürs Russlandgeschäft

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Dialog mit Russland ist ein dankbares Thema für Lobbyisten

Noch in seiner ersten Amtszeit als Bundesaußenminister gründete Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit den Russen die Partnerschaft zur Modernisierung. Wir liefern Technologien, so das Kalkül, ihr Russen modernisiert euch – und werdet in politisch-gesellschaftlicher Hinsicht automatisch auch ein bisschen europäischer. Und berechenbarer.

Auf diesem Trampelpfad wandelt weiter auch AHK-Präsident Seele, wenn er Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew verspricht, „die deutschen Unternehmen wollen die russische Modernisierung kraftvoll unterstützen“. Das honoriert auch der Minister aus Moskau, wenn er von Deutschlands tollen Technologien schwärmt und sagt: „Ich komme mit einer realen Einladung zum Investieren. Im Moment sind die Bedingungen dafür recht gut.“

Jenseits der Fassade aus Höflichkeiten herrscht indes eine düstere Realität. Russland, das hat sich in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, will die Wirtschaft derzeit nicht modernisieren.

Zumindest nicht nach westlich-marktwirtschaftlicher Vorstellung, wonach gute Ideen über ein positives Investitionsklima mit Rechtssicherheit und guter Wirtschaftspolitik zu Produkten führen, die der Weltmarkt gebrauchen will. So wie Kremlchef Wladimir Putin sein Land modernisieren will, nämlich auf Befehl von oben, kann die Modernisierung nicht (mehr) klappen, weil dafür schlicht die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport fehlen.

Und so schallen an jenem Freitag vor allem Durchhalteparolen durch das Haus der Wirtschaft. Sie sausen bei 300 meist männlichen Geschäftsleuten vom einen ins andere Ohr und treffen auf dem Weg dazwischen vor allem auf Zweckoptimismus. Es wäre wohl vermessen, mehr zu erwarten. Auch wenn sich Linde-Chef Wolfgang Büchele für seinen Start beim Ostausschuss ebenso eine bessere Stimmung gewünscht hätte wie Michael Harms, der nach acht sehr erfolgreichen Jahren als Moskauer AHK-Geschäftsführer nun dieselbe Position beim Ostausschuss übernimmt.

Auch in neuer Funktion kommt auf die Herren allerhand Arbeit zu. Sie müssen ihre Verbände aus der internen Russlandkrise führen. Mitgliedern und Politik gegenüber gilt es, Vertrauen aufzubauen. Das könnten sie leisten als ehrliche Ratgeber, wie mit Russland umzugehen ist. Dabei gehört es zur Königsdisziplin, die Russen über wirtschaftliche Beziehungen vom unberechenbaren Nachbarn zum echten Partner umzuschulen.

Wie das gelingen kann, hat im Langzeitversuch bislang noch niemand nachgewiesen. Die alte Formel vom „Wandel durch Handel“ funktioniert jedenfalls in der Praxis nicht, sonst hätte es die Krim-Annexion nie gegeben – darüber wird auch das weit verbreitete Schönreden der bilateralen Beziehungen nichts hinwegtäuschen.

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