Lohnt ein Auslandssemester auf Kuba? Studieren im Sozialismus

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Nicht frei von Ideologie

Die beiden Universitäten arbeiten derzeit an einem gemeinsamen neuen Studiengang im Bereich der Übersetzung. Spezialisiert in den Themenfeldern Handel, Tourismus und internationales Recht sollen die Studenten aus Kuba und Deutschland am Ende mit einem Abschluss von beiden Universitäten belohnt werden. Im Herbst 2019 soll das Programm starten.

Sinner lobt die kubanischen Kollegen, die den Deutschen bei der Ausgestaltung des Studiengangs „weit entgegenkommen“. Eine Forderung der Leipziger ist etwa, dass sich alle Interessierten auf das Studium bewerben können und die Studienplatzvergabe streng nach  Leistung erfolgt – und nicht etwa nach der Nähe zur kommunistischen Partei Kubas. Ein Gremium aus beiden Universitäten soll die Auswahl treffen. Ein Meilenstein, auch wenn keiner eine Einmischung der Politik komplett ausschließen kann: Ob wirklich jede Bewerbung auch beim Gremium ankommt, ist dahingestellt.

Zwar öffnet sich Kuba langsam, vor fünf Jahren wurden zarte Versuche unternommen, die Wirtschaft zu reformieren und auch privates Unternehmertun zu fördern. Doch politisch bleibt das Land ein Sonderfall. Oppositionelle werden als Dissidenten eingesperrt, ein Blockwart prüft die Gesinnung der Bürger in der Nachbarschaft, Dissidenten schmorren im Knast. Die politische Sondersituation in dem Land ist auch für deutsche Studenten allgegenwärtig.

Was Kuba deutschen Unternehmen bieten kann

Im Eingangsbereich der soziologischen Fakultät hängt ein Poster von Ex-Staatschef Fidel Castro, auch in den Seminarräumen ist der „Befreier Kubas“ – so die nationale Sichtweise – auch Jahre nach seinem Tod noch allgegenwärtig. Kaum ein Kurs kommt ohne Verweise auf die kubanische Geschichte aus, haben Maja Kliem und Titia Lübke-Detring festgestellt. „In jedem meiner Kurse wurden die Parteiprogramme gelesen; immer wieder mussten wir auch aufstehen und Sätze von Fidel Castro und Che Guevara rezitieren“, berichtet Lübke-Detring. Die Tendenz der Lehre sei darüber hinaus immer die gleiche gewesen: Hier Kuba, das Land der Gleichheit und der Freiheitskämpfer, dort die USA, die schuld am Unglück der Welt seien, die andere Länder ausbeuten, und verantwortlich seien für die Armut und das Elend auf der Welt.

Natürlich sei das kubanische Studium nicht frei von Ideologie, sagt auch Carsten Sinner. Die Studenten würden vorab beraten, wie man sich vor Ort zu verhalten habe. „Natürlich gibt es entsprechende Verhaltensempfehlungen, etwa dass ich im akademischen Kontext nicht explizit über Dissidenten rede.“

Trotz der politischen und kulturellen Unterschiede hat Maja Kliem recht schnell Anschluss zu den kubanischen Kommilitonen gefunden. Beim Spaziergang über den Campus grüßen immer wieder frühere Weggefährten, geben Kubanerinnen und Kubaner der Deutschen einen Begrüßungskuss auf die Wange. „Die Freizeitinteressen sind ähnlich“, berichtet Kliem über ihren Alltag mit den Kommilitonen abseits der Universität. Entweder treffe man sich abends an der Uferpromenade zum Quatschen und Trinken, geht gemeinsam zum Sport oder verabredet sich zum Kino. Dort kostet der Eintritt zwischen ein und zwei US-Dollar.

Ein Schnäppchen ist der Aufenthalt in Kuba dennoch nicht. Die Austauschstudentinnen berichten, dass ihre Ausgaben vergleichbar mit denen in Deutschland waren. Das liegt vor allem an den recht hohen Mieten, die – staatlich gewollt – für Besucher aus dem Ausland sehr hoch sind.

Titia Lübke-Detring etwa wohnte mit zwei weiteren Deutschen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung: ein Einzel- und ein Doppelzimmer, in denen sich die Studentinnen ein Bett teilten. Der Preis für die Miete: knapp 300 US-Dollar. „Trotzdem sollte man nie westlichen Standard erwarten“, sagt Lübke-Detring. Alles sei extrem alt. „Wenn man Glück hat, schläft man auf einer Matratze, die nur 20 Jahre alt ist.“ Auch im Supermarkt warten für deutsche Besucher Enttäuschungen: überall herrscht Mangel. Mal gibt es Nudeln, mal Eier, mal Tomatensoße – alles zusammen aber so gut wie nie. „Man wird zu einer kreativen Köchin“, sagt Maja Kliem.

Wie gut es ihr in Kuba trotz aller Herausforderungen gefallen hat, zeigt alleine die Tatsache, dass sie schon nach einem dreiviertel Jahr nach dem Ende ihres Austauschjahres zurückgekehrt ist. „Um Freunde wiederzusehen, und vor dem kalten Winter zu flüchten.“ Während Konsumartikel auf Kuba rar sind, gibt es Sonne, Strände und Mojitos im Überfluss.

Auch Titia Lübke-Detring hat es nach eigenen Worten nie bereut, sich für Kuba als Studienort auf Zeit entschieden zu haben. „Es war eine mega interessante Zeit und ich habe viel über das Land und seine Geschichte gelernt“, sagt sie. Man müsse akzeptieren, dass das Leben vor Ort komplett anders als in Deutschland ist. Die Folge: „Ich habe mich noch nie so sehr als Europäerin gefühlt wie nach dem Auslandssemester. Und: Ich habe zum ersten Mal gelernt, mich über die Privilegien, die wir Zuhause genießen, zu freuen.“

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