Luftfahrtmesse Farnborough Camerons letzter Höhenflug

Einen seiner letzten Amtstage nutzt David Cameron auf der Flug-Show in Farnborough, um das Post-Brexit-Britannien als Investoren-Paradies zu preisen. Dabei hilft ihm ein Deal mit Boeing. Doch der ist teuer erkauft.

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David Cameron wollte mit seinem letzten Auftritt vor der Rücktrittsankündigung noch schnell ein paar Investoren anlocken. Quelle: AFP

London Wie verhindert man, dass man auf einer Party zum Thema der Lästermäuler wird? Richtig, man geht hin und dominiert einfach selbst das Gespräch. Diese Taktik wählte am Montag auch der britische Noch-Premier David Cameron auf der Luftfahrtmesse am Londoner Flughafen Farnborough. Unangekündigt – aus Sicherheitsgründen – tauchte er am Morgen der Eröffnung auf, nur wenige Stunden vor seiner Ankündigung, bereits am Mittwoch abzutreten. Dabei verbreitete er vollmundig positive Nachrichten. Eigentlich stehen Cameron und die britische Politik in heftiger Kritik der globalen Wirtschaft, die den Brexit fürchtet. Doch in Farnborough schienen die Sorgen zumindest offiziell weit weg.

So wichtig schien am Montagmorgen die Botschaft des Politikers, dass sie mit Lautsprechern bis zu den langen Warteschlangen vor dem Messegelände übertragen wurde. Das Vereinigte Königreich, so warb Cameron, werde auch nach dem Brexit-Votum ein großartiger Ort für Investitionen sein. Der Beleg: eine Partnerschaft mit Boeing. Cameron versprach, die Vereinbarung schaffe „tausende Jobs“, sichere Investitionen in Forschung und Entwicklung und helfe auch noch dabei, die Sicherheitsverpflichtungen des Landes zu erfüllen. In seinen letzten Amtstagen will er die Wogen des Brexit-Chaos wenigstens ein bisschen glätten, bevor seine Nachfolgerin Theresa May übernimmt.

Die Punkte der Vereinbarung selbst lesen sich allerdings deutlich zurückhaltender – und sie sind mit Rüstungsbestellungen erkauft. Boeing verpflichtet sich, den Zugang für britische Zulieferer bei der Entwicklung neuer Modelle zu verbessern. Zudem soll Großbritannien Basis für Militärexporte nach Europa und Nahost sowie für militärische Wartung werden.

Gewissermaßen im Gegenzug beschafft Cameron den Seeaufklärer P8 und baut dafür zusammen mit Boeing einen Wartungsstandort in Schottland mit 100 Jobs auf. Das Flugzeug auf Basis des Mittelstrecken-Jets 737-800 wurde für die US-Armee entwickelt und sucht Kunden. Bislang ist das Flugzeug, das auch U-Boote jagen kann, nach Indien verkauft worden. Die Grundlagen für den Deal seien bereits im vergangenen November im Rahmen eines Fünfjahresplans für das britische Militär beschlossen worden, sagte ein Boeing-Sprecher. Die Pläne seien durch das Brexit-Votum nicht beeinflusst worden.

Großbritanniens Armee arbeitet seit 75 Jahren eng mit Boeing zusammen und nutzt mehr als 140 verschiedene Boeing-Produkte. In den vergangenen fünf Jahren habe Boeing seine Mitarbeiterzahl auf 2.000 in Großbritannien verdoppelt, teilte der Konzern mit. 2.000 weitere Jobs könnten nun entstehen. Dazu habe Boeing allein 2015 für 1,8 Milliarden Pfund bei britischen Zulieferern bestellt. Schon jetzt sind die britischen Zulieferer für Boeing die Nummer drei hinter den USA und Japan.


Warum Cameron den Deal dringend braucht

Der Deal ist für Cameron ein dringend benötigtes Zeichen, dass Großbritannien auch in der Post-Referendums-Phase Investitionen anziehen kann. Auf der Messe machte er sich sogar ein Argument der Brexit-Befürworter zu eigen, das er im Wahlkampf noch zurückgewiesen hatte. Nur eine Minderheit der britischen Firmen exportiere überhaupt – diese Firmen sind vom Brexit kaum betroffen. Von diesen Exporten gingen nicht einmal fünf Prozent in Wachstumsmärkte wie Indien und China – weniger als etwa nach Belgien. Künftig wolle sein Land jedoch gerade die Exporte in wachsende Weltregionen stärken, sagte Cameron.

Ganz ohne Europa geht es dennoch nicht: Cameron lobte, dass Virgin Atlantic mehrere Airbus A350-1000 bestellt. Die britische Fluggesellschaft macht den Flieger zu ihrem neuen Flaggschiff. Das „fantastische“ Flugzeug werde mit Rolls-Royce-Triebwerken in Großbritannien gebaut: „Das ist ein Investment in das Vereinigte Königreich und unsere Weltklasse-Flugzeug-Industrie“, sagte Cameron – als sei auch Airbus kein paneuropäisches Projekt mehr.

Kritik am Brexit musste sich Cameron nicht anhören – die Chefs von Airbus und Boeing wollten die Feierlaune in Anwesenheit des angezählten Politikers offenbar nicht trüben. Zumal Cameron schöne Worte für die Branche bereithielt: „Ich will, dass das Vereinigte Königreich an der Spitze der globalen Luftfahrtindustrie bleibt – militärisch und zivil.“

Die neuen Rivalen allerdings schlafen nicht: Der russische Anbieter Sukoi präsentierte auf dem Rollfeld wieder seinen Superjet 100, der in neuen Märkten gegen die kleineren Airbus-Modelle punktet.

Die Hightech-Messe präsentierte sich zum Eröffnungstag indes teils chaotisch: Am Morgen bildeten sich lange Warteschlangen an der Sicherheitskontrolle. Doch aus das Wetter bereitete Probleme: Nicht nur, dass wegen des Regens bei wenigen Metern Sicht die Flaggschiffe der internationalen Crème de la Crème der Branche am Boden bleiben mussten – in die Messehallen drang Regenwasser ein. Ganze Gänge zwischen den Ständen standen zentimeterhoch unter Wasser. Offenbar hielten die weißen zeltartigen Messebauten auf dem Flugfeld dem britischen Wetter nicht Stand. Zugleich fiel in mehreren Hallen der Strom aus. Messebesucher leuchteten mit ihren Handylampen, um halbwegs trockenen Fußes ins Freie zu gelangen. Hunderte Hightech-Aussteller wie die Europäische Raumfahrtagentur ESA, hilflos im Dunkeln und ohne Wifi. Schließlich tauchte eine einsame Security-Frau in gelber Warnweste auf, lief durch die Halle und rief: „Diese Halle wird evakuierte und ist für den Rest des Tages geschlossen. Fragen Sie mich nicht, warum!“ Da war David Cameron allerdings längst wieder abgereist.

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