Luxusurlaub und Gehaltsverdopplung Wie der kosovarische Premier die Bürger gegen sich aufbringt

Kosovos neuer Premier Ramush Haradinaj löst mit einem Urlaub in St. Moritz und der Verdoppelung seines Gehalts einen Sturm der Entrüstung aus. Die Bürger reagieren mit einer sarkastischen Krawatten-Spendenaktion.

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Kosovos Premier regiert erst seit September 2017 und hat sich bislang nicht beliebt gemacht. Quelle: Reuters

Wien Für die Stimmung im Land hat der neue kosovarische Premier Ramush Haradinaj offenbar keine Antennen. Seine Ferien im Schweizer Nobelskiort St. Moritz für angeblich mehr als 80.000 Franken haben in dem bitterarmen Balkanland einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken ausgelöst. Der frühere UCK-Kämpfer war zusammen mit seiner Ehefrau, Kindern und Neffen nach Engadin gefahren. Das berichtete das kosovarische Nachrichtenportal Insajderi. Haradinaj betonte, dass er seine Ferien in den Alpen aus der eigenen Tasche gezahlt habe. Sie hätten nur 7000 Euro gekostet.

Der wegen angeblicher Kriegsverbrechen beschuldigte Politiker hatte sich erst wenige Tage vor Weihnachten sein Gehalt als Ministerpräsident des Kosovos auf monatlich 2950 Euro verdoppeln lassen. Haradinaj begründete das im Staatsfernsehen so: „Ich muss eine Krawatte kaufen, ich muss ein Hemd kaufen… Ich muss das Niveau meiner Verantwortung aufrechterhalten.“ Seine Äußerung rief eine ungewöhnliche Reaktion hervor: Nach Weihnachten brachten aufgebrachte Bürger über 200 Krawatten am Zaun des Regierungsgebäudes in der Hauptstadt Pristina an. Das Durchschnittseinkommen der 1,8 Millionen Kosovaren beträgt rund 300 Euro monatlich.

Haradinaj regiert erst seit Anfang September die frühere jugoslawische Teilrepublik. 2012 sprach das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag den ehemaligen Militärführer in allen Anklagepunkten frei. Das löste im Nachbarland Serbien große Empörung aus.

Die Schweiz kennt der heute 49-Jährige sehr gut. Denn dort lebte der heutige Ministerpräsident neun Jahre im politischen Asyl und arbeitete unter anderen als Türsteher und Sicherheitswächter. In die Schlagzeilen geriet der Politiker Anfang des vergangenen Jahres. Denn auf dem Flughafen Basel-Mühlhausen wurde er aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Doch im April 2017 lehnte ein Gericht im französischen Colmar den Auslieferungsantrag der serbischen Justiz ab. Belgrad wirft Haradinaj Kriegsverbrechen während des blutigen Bürgerkrieges vor.

Politisch unangenehm könnte es für Haradinaj noch in diesem Jahr werden. Denn der Internationale Gerichtshof in Den Haag will 60 frühere Kosovo-Kämpfer während des Bürgerkrieges Ende der Neunziger-Jahre anklagen. Darunter befindet sich nach kosovarischen Medienberichten auch der Bruder des Premiers, Daut Haradinaj. 

Kosovo ist seit 2008 ein unabhängiger Staat, doch er wird von einer Reihe von EU-Ländern noch nicht anerkannt. So lehnt Serbien eine Eigenstaatlichkeit weiterhin konsequent ab.

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