Machtwechsel in Montenegro Das dunkle Erbe des „George Clooney vom Balkan“

Montenegros Langzeit-Premier Milo Djukanovic gibt sein Amt an seinen früheren Geheimdienstchef Dusko Markovic ab. Doch Korruption und Kriminalität kann das Balkanland damit nicht überwinden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Den Posten des montenegrinischen Ministerpräsidenten hat Milo Djukanovic abgegeben – den Vorsitz seiner Partei jedoch nicht. Quelle: AFP

Wien „Montenegro ist der Grundschüler Europas“, charakterisiert der Montenegro-Experte Achim Wiegand das kleine Balkanland an der Adriaküste. Den Spitzennoten für die landschaftliche Schönheit der ehemaligen jugoslawischen Teil-Republik, die erst seit 2006 ein selbstständiger Staat ist, stehen miese Bewertungen für den Stand der Demokratie gegenüber. Laut Transparency International gilt das Balkanland als eines der korruptesten in Europa. Im Korruptionsindex der unabhängigen Organisation nimmt es den Platz 61 ein, hinter Ländern wie Lesotho und Ruanda oder Kuwait.

Der langjährige Ministerpräsident Milo Djukanovic, der von seinen Bewunderern gerne der George Clooney des Balkans genannt wird, lenkt Montenegro seit einem Vierteljahrhundert mit eiserner Hand. Sein autoritärer Stil – verbunden mit einer relativ offenen Vetternwirtschaft, einer byzantinischen Bürokratie und den wenig erfolgreichen Kampf gegen die organisierte Kriminalität – wurde ihm bei den Parlamentswahlen Mitte Oktober zum Verhängnis. Bei der Wahl wurde zwar Djukanovics Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) abermals stärkste Kraft. Doch um regieren zu können, ist sie auf Koalitionspartner angewiesen.

Aus diesem Wahlergebnis zog der hochgewachsene, stets elegant auftretende Premier seine Konsequenzen. In dieser Woche wurde der frühere Geheimdienstchef Dusko Markovic für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert. Im Gegensatz zu Djukanovic ist dessen bisheriger Stellvertreter leutselig und pragmatisch – auch im Umgang mit den Medien. Der politische Wechsel kam nach Meinungen von Insidern vor allem auf Druck der Amerikaner zustande. Denn Montenegro strebt in die Nato. Um im atlantischen Verteidigungsbündnis auf internationaler Ebene vorzeigbar zu sein, ist ein unbelasteter prowestlicher Premier wie Markovic eine ideale Besetzung.

Nach innen gilt der ehemalige Sicherheitschef des Balkan-Landes als ausgesprochen stark. Der Jurist, der auch schon das Amt des Innen- und Justizministers bekleidet hatte, kennt die ambivalenten Geschäfts mancher Clans. Das sichert dem konservativen Politiker enorme Macht und großen Einfluss. In Podgorica erwartet niemand, dass es unter dem neuen Premier in einer möglichen Koalition mit den Sozialdemokraten oder den Parteien von ethnischen Minderheiten zu einem politischen Aufbruch kommen wird.

Kritiker fürchten vielmehr, am Ende werde sich in Montenegro nichts Grundlegendes ändern. Denn Djukanovic tritt zwar als Premier ab, gibt aber nicht den Vorsitz der Dauer-Regierungspartei DPS an Markovic ab. Der Zwei-Meter-Mann kann also weiter im Hintergrund die Fäden ziehen und seine Klientelpolitik betreiben.


Vom Kommunisten zum Nato-Enthusiasten

Der 54-Jährige ist ein geschickter Taktiker. Bereits 2006 und 2010 gab er ebenfalls den Posten des Ministerpräsidenten ab, um nach jeweils zwei Jahren wieder auf den Chefsessel in der Hauptstadt Podgorica zurückzukehren.

Djukanovic gilt als politisches Chamäleon. Er wandelte sich vom überzeugten Kommunisten und Freund Moskaus zum prowestlichen Führer, der sein armes Land in die Nato und später auch in die Europäische Union führen möchte. 1991 wurde er mit nur 29 Jahren der jüngste Ministerpräsident in Europa. Er führte fünfzehn Jahre später sein Land in die Unabhängigkeit von Serbien. Die italienische Staatsanwaltschaft ermittelte im Anti-Mafia-Kampf gegen ihn. Doch das Verfahren im italienischen Bari wurde 2009 eingestellt.

In den vergangenen Jahren hatte Djukanovic als autoritärer Regierungschef politisches Glück. Denn Europa hatte andere Probleme, als sich um den Stand der Demokratie in einem kleinen Land mit nur 640.000 Einwohnern zu kümmern. So konnte der ehemalige Weggefährte des serbischen Machthabers Slobodan Milosevic seine Macht kontinuierlich sichern und ausbauen. Von der Opposition wurde er in den vergangenen Jahren bei Demonstration in der Hauptstadt als „Diktator“ bezeichnet.

In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte er auf die Frage, wo Montenegro im Jahr 2030 stehen werde: „Mein Land wird zu diesem Zeitpunkt sehr viel weniger Arbeitslosigkeit haben und im Gegenzug ein deutlich höheres Bruttosozialprodukt. Vor allem wird sich der Lebensstandard für die Menschen so verbessert haben, dass niemand mehr aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen will. Ich sehe Montenegro dann auch als prestigeträchtiges Tourismusziel wie Monaco oder Saint-Tropez.“ Doch bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg sein für das Balkanland.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%