Machtwechsel in Simbabwe Der gefährliche Vertraute

37 Jahre nachdem Afrikas letzte Kolonie unabhängig wurde, gibt es einen Machtwechsel in Simbabwe. Mnangagwa folgt auf Mugabe, heute wird er vereidigt. Bisher hat er alles mitgemacht, nun soll er alles anders machen.

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Der Hoffnungsträger Simbabwes feiert seine Heimkehr auf dem Weg zur Vereidigung. Quelle: AP

Johannesburg Als begnadeter Redner wird Emmerson Mnangagwa sicher nicht in die Geschichte eingehen. Selbst das Ablesen vom Blatt fällt dem 75-Jährigen ungewöhnlich schwer. Die erste größere Ansprache des designierten Präsidenten von Simbabwe, der an diesem Freitag vereidigt wird, war jedenfalls kaum mehr als ein Sammelsurium an Gemeinplätzen und Versprechungen: „Das Volk hat gesprochen – und die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes“, erklärte Mnangagwa am Mittwoch vor Tausenden von Anhängern nach seiner Rückkehr aus einem kurzen Exil in Südafrika, wohin er nach seiner Entlassung als Vizepräsident und anschließenden Morddrohungen vor zwei Wochen geflohen war. Simbabwe stehe am Beginn einer „neuen Demokratie“, ließ er weiter wissen. Und schließlich noch, dass „seine Regierung für Frieden, Wachstum und Arbeitsplätze“ sorgen wolle.

In die Geschichte eingehen könnte Mnangagwa nur dann, wenn er es wirklich schafft, Simbabwe im zweiten Anlauf auf den Weg der Demokratie zu führen. Auf den ersten Blick scheint er dafür der völlig falsche Mann zu sein, schon weil er dem Langzeitdiktator Robert Mugabe seit der Unabhängigkeit des Landes vor 37 Jahren als engster Vertrauter zur Seite gestanden und dessen desaströse Politik mit oft roher Gewalt abgestützt hat. Vielen galt er deshalb bis vor kurzem auch als Mugabes Ziehsohn, der ihn dereinst ersetzen würde.

Umso größer war die Verblüffung, als der 93-jährige Ziehvater ausgerechnet seinen treuen Sohn vom Posten des Vizepräsidenten feuerte und wenig spät sogar aus der Partei warf, um stattdessen seine Frau Grace in einer Art Familiendynastie zu installieren. Zur Abwechslung wurde der Jäger diesmal selber zum Gejagten. Wegen seiner Bereitschaft, jederzeit Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele anzuwenden, gilt Mnangagwa seit langem als Mann fürs Grobe. Die Angewohnheit, vor dem Zupacken erst einmal still abzuwarten, hat ihm daheim den wenig schmeichelhaften Beinamen „das Krokodil“ beschert.

Bereits als Teenager schloss er sich dem Widerstand gegen das weiße Minderheitsregime um Ian Smith in der damaligen britischen Kolonie Rhodesien an. Wegen Sabotageakten gegen Rhodesien als Teil der „Crocodile Six“ wurde Mnangagwa zum Tode verurteilt. Ein Gnadenakt der Queen rettete ihm das Leben – und machte ihn zu einem ausgesprochenen Gegner der Todesstrafe. Als Justizminister nutzte er später seinen Ermessensspielraum, in dem er es vermied, einen Henker zu berufen, was wie eine Aussetzung der Todesstrafe wirkte.

Zuvor saß er zehn Jahre im Gefängnis, wo er auch Robert Mugabe kennenlernte, der als Chefideologe des schwarzen Widerstands fungierte. Mitte der 1970er-Jahre wurde Mnangagwa dessen Assistent und Bodyguard und war im unabhängigen Simbabwe nach 1980 in jedem Kabinett vertreten, unter anderem als Minister für Staatssicherheit, Verteidigung und Justiz. Er dürfte wie kein anderer wissen, in welchem Schrank die Skelette lagern – im wörtlichen wie metaphorischen Sinn.


Der ultimative Pragmatiker

Unvergessen ist vor allem die unrühmliche Rolle, die Mnangagwa in den frühen 1980er-Jahren als damaliger Geheimdienstchef im Kampf gegen die schwarze Opposition spielte. Viele machen ihn mitverantwortlich
für die Massaker im Matabeleand, der Hochburg der Volksgruppe der Ndebele. Als es dort kurz nach der Unabhängigkeit zu Unruhen gegen Mugabe kam, schickte dieser seine in Korea ausgebildete fünfte Brigade in den Südwesten des Landes. Mehr als 20.000 Ndebele starben.

Allerdings gilt Mnangagwa bei aller Ruchlosigkeit auch als der ultimative Pragmatiker. Deutlich wird dies auch daran, wie er sich nach dem Abgang Mugabes nun plötzlich als Retter der Nation vor einem Tyrannen stilisiert, dem er bis zuletzt sklavisch diente. Obwohl das nun gepflegte Image des Reformers mit Blick auf seine Vergangenheit wie blanker Hohn wirkt, betrachten ihn weite Teile der Bevölkerung tatsächlich als Hoffnungsträger. Anti-Mugabe-Demonstranten trugen bei ihren jüngsten Protesten jedenfalls sein Konterfei.

Anders als Mugabe sieht sich Mnangagwa nicht als eine Art Messias und hat anders als der Diktator deshalb auch nie seinen Realitätsbezug verloren. Er weiß, dass die Staatskasse geplündert ist und Simbabwe dringend Finanzhilfen von außen braucht, allen voran vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Auch hat er bereits die Fühler zur Opposition ausgestreckt.

Einem kürzlich vorgestellten Plan zufolge will Mnangagwa fortan mit ihren Vertretern in einer Übergangsregierung zusammenarbeiten und bis Mitte nächsten Jahren auch freie Wahlen abhalten, die unter Mugabe zuletzt massiv manipuliert wurden. Die weißen Farmer, die das Mugabe-Regime um die Jahrhundertwende mit verheerenden Folgen von ihrem Land vertrieben hatte, hat er zur Rückkehr nach Simbabwe aufgerufen. Von einstmals 4500 Farmer sind heute weniger als 200 noch auf ihrem Land.

Daher auch sein unternehmerfreundliches Image: Mnangagwa gilt als zugewandt gegenüber lokalen und internationalen Unternehmen, und es heißt, er wolle die lähmenden Sanktionen und abschreckenden Maßnahmen angehen, die zu Simbabwes internationaler Isolation geführt haben. Die Zanu-PF verfolgte eine Investitionspolitik mit Blick nach Osten, über Mnangagwa heißt es hingegen, er wolle jede Form von Investition nach Simbabwe locken.

Der langjährige Simbabwe-Kenner und Buchautor Geoff Hill ist optimistisch. So optimistisch, dass er den neuen Präsidenten bereits in einer Linie mit Südafrikas letztem weißen Präsidenten Frederik Willem de Klerk und dem sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow sieht, die ihrerseits zwei scheinbar unveränderbare Systeme knackten.

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