Maduro lässt Frist verstreichen EU-Staaten erkennen Guaidó als Präsidenten an

Venezuelas Staatschef Maduro lässt Frist verstreichen Quelle: REUTERS

Der venezolanische Staatschef Nicolás Maduro hat das Ultimatum mehrerer EU-Staaten verstreichen lassen. Der Forderung nach einer vorgezogenen Präsidentenwahl erteilt er eine klare Absage. Nun reagieren die EU-Länder.

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Im Kampf um die Macht in Venezuela haben mehrere EU-Länder den Parlamentschef Juan Guaidó als legitimen Übergangspräsidenten anerkannt. Zuvor war ein Ultimatum von acht EU-Mitgliedsländern verstrichen: Sie hatten den umstrittenen Staatschef Nicolás Maduro aufgefordert, bis zum Wochenende eine faire und freie Neuwahl des Präsidenten anzusetzen. Maduro wies das Ultimatum als „Frechheit“ zurück. Nur das von der Opposition dominierte Parlament könne neu gewählt werden, meinte er. Der vom Militär protegierte Staatschef wird unter anderem von Russland und China unterstützt.

Deutschland erkennt wie mehrere andere EU-Staaten den Chef des entmachteten venezolanischen Parlaments, Juan Guaidó, als Interimspräsidenten des krisengeschüttelten Landes an. Das sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Montag in Berlin, nachdem eine Frist an den umstrittenen sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro abgelaufen war, ohne dass Maduro einen Termin für freie und faire Präsidentschaftswahlen verkündet hatte.

„Nicolás Maduro ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen“, sagte Fietz. Es ist ein ungewöhnlicher Schritt in der deutschen Außenpolitik, sich so klar für eine Seite zu bekennen. „Wir erkennen Juan Guaido als Interimspräsidenten Venezuelas an“, betonte Fietz. Ein Sprecher von Außenminister Heiko Maas (SPD) betonte, man bedauere, dass Maduro der Aufforderung der EU, freie Wahlen einzuleiten, nicht nachgekommen ist. „Unsere Sorge gilt den Menschen in Venezuela.“

Auch Spanien, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Schweden und Dänemark betrachten Guaidó nun als legitimen Interimspräsidenten. Aus Frankreich hieß es, man wolle nun handeln. „Wir werden jetzt die nötigen Maßnahmen ergreifen (...)“, sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Montag dem Radiosender France Inter. Aus Spanien hieß es, Venezuela brauche nun so rasch wie möglich freie und faire Wahlen, sagte der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez. Weitere europäische Staaten, darunter Deutschland, Österreich und Frankreich, dürften dem Beispiel Spaniens folgen. Großbritannien, Österreich und Schweden folgten kurz darauf. „Das Maduro-Regime hat sich bis jetzt geweigert, freien und fairen Präsidentschaftswahlen zuzustimmen. Daher betrachten wir von nun an Präsident @jguaido als legitimen Übergangspräsidenten in Einklang mit der venezolanischen Verfassung“, twitterte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Guaidó habe die volle Unterstützung Österreichs bei seinen Bemühungen zur Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela, das schon viel zu lange unter sozialistischer Misswirtschaft und einem fehlenden Rechtsstaat leide, erklärte Kurz.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt twitterte, Staatschef Nicolás Maduro habe es versäumt, innerhalb von acht Tagen eine Parlamentswahl auszurufen. Daher erkenne Großbritannien zusammen mit seinen europäischen Verbündeten Guaidó nun solange als verfassungsmäßigen Interimspräsidenten an, bis glaubwürdige Wahlen abgehalten werden könnten. „Ich hoffe, das bringt uns einem Ende der humanitären Krise näher“, schrieb Hunt. Schwedens Außenministerin Margot Wallström sagte dem schwedischen Rundfunksender SR: „In dieser Situation unterstützen wir Guaidó und betrachten ihn als rechtmäßigen Interimspräsidenten.“

Venezuela wird seit langem von einer schweren Wirtschaftskrise geplagt – und ist politisch tief gespalten. Am Samstag untermauerten Maduro und Guaidó mit zwei Großkundgebungen in der Hauptstadt Caracas ihren Machtanspruch. „Wir bleiben auf den Straßen, bis es Freiheit, eine Übergangsregierung und Neuwahlen gibt“, sagte der selbsternannte Interimspräsident Guaidó unter dem Jubel der Menge. Maduro antwortete vor seinen Anhängern, er denke gar nicht ans Aufgeben. „Ich bin der wahre Präsident Venezuelas. Und wir werden weiter regieren“, rief er. Die Militärführung und der Sicherheitsapparat stehen zu ihm – auch wenn ein General am Wochenende überlief.

Obwohl Venezuela über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen inzwischen Lebensmittel und Medikamente. Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Regierungskritiker werden inhaftiert, Korruption ist weit verbreitet, Gewaltkriminalität grassiert. Die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich destabilisieren Staat und Gesellschaft zusätzlich.

US-Präsident Donald Trump bekräftigte erneut, ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela sei nicht auszuschließen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit die USA in Venezuela militärisch aktiv würden, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Senders CBS: „Ich möchte das nicht sagen. Aber es ist sicherlich etwas, das auf dem – es ist eine Option.“ Trump und Mitglieder seiner Regierung hatten zuvor mehrfach erklärt, „alle Optionen“ lägen auf dem Tisch.

Maduro warnte vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. Zuvor hatte er mit Blick auf die USA auch von einem möglichen „Vietnam“-Szenario in Südamerika gesprochen. „Alles hängt vom Grad der Verrücktheit und der Aggressivität des Imperiums des Nordens und von dessen westlichen Verbündeten ab“, sagte er in einem Interview des spanischen Fernsehsenders La Sexta.

Guaidó ist der Präsident des von der Opposition kontrollierten, aber von Maduro entmachteten Parlaments. Er erklärte sich am 23. Januar zum Übergangsstaatschef und argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Mai habe demokratischen Standards nicht genügt. Dieser Meinung sind auch die deutsche und andere Regierungen. An dem europäischen Ultimatum beteiligten sich neben Deutschland auch Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Österreich. Die USA sowie mehrere Länder Lateinamerikas und aus anderen Weltregionen haben Guaidó bereits anerkannt.

Die EU hat bisher keine einheitliche Linie zu Venezuela. Doch wurde die Gründung einer Kontaktgruppe angekündigt. Diese soll helfen, die Krise durch freie Wahlen zu beenden. Kommenden Donnerstag werde die Gruppe erstmals in Uruguay mit lateinamerikanischen Ländern beraten, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag mit.

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