Malta wählt Premier trotz Skandalen vor der Wiederwahl

Amtsinhaber Joseph Muscat von der Labour Party führt die Meinungsumfragen vor der Wahl am Samstag an. Das kleinste Land der EU mit nur 430.000 Einwohnern leidet unter einem Demokratiedefizit.

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Joseph-Muscat Quelle: REUTERS

Die Plakate sind aus dem Dauerstau auf den maltesischen Straßen nicht zu übersehen. „Joseph Muscat hat seine Versprechen gehalten“, heißt es auf der Wahlwerbung der Labour Party.

Die Regierungspartei führt gar nicht aus, dass Malta im vergangenen Jahr mit 5,0 Prozent das höchste Wirtschaftswachstum in der gesamten EU verzeichnete. Die Malteser wissen, dass ihre Wirtschaft boomt.

Die Hochkonjunktur und ein Oppositionsführer, dem es an Charisma fehlt, werden wohl dafür sorgen, dass Premier bei den vorgezogenen Neuwahlen am Samstag im Amt bleibt. Maltesische Medien gaben Muscat jüngst einen Vorsprung zwischen fünf und neun Prozentpunkten vor Simon Busuttil von der Nationalist Party.

Muscats Wiederwahl wäre erstaunlich angesichts der Liste an Skandalen, die der Sozialdemokrat angehäuft hat. Zwei seiner Vertrauten, Büroleiter Keith Schembri und der frühere Energieminister Konrad Mizzi tauchten im vergangenen Jahr in den Panama Papers auf. Die Fälle wurden nie richtig untersucht. Muscats Gattin Michelle steht im Verdacht, in eine Geldwäscheaffäre verwickelt zu sein. Und jüngst kam ans Licht, dass Schembri und Mizzi beim ohnehin dubiosen Verkaufsprogramm von maltesischen Pässen Schmiergelder in Empfang genommen haben sollen.

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Das Wahlsystem fördert Vetternwirtschaft

Obwohl jede Woche neue Details bekannt werden, wird sich Muscat wohl halten können, weil die Malteser von ihren ehemaligen britischen Kolonialherren ein Wahlsystem geerbt haben, in dem sich auf Dauer zwei Parteien die Macht teilen. „Nach westlichen Standards sind wir keine Demokratie“, sagt Arnold Cassola , Spitzenkandidat der Grünen.

Der 63-jährige Literaturprofessor ist bei allen Wahlen seit Parteigründung 1989 angetreten. Weil Parteien in Malta de facto mindestens 16,7 Prozent der Stimmen erringen müssen, um ins Parlament zu kommen, haben neue Kräfte oder Parteien keine Chance das Machtvakuum der beiden großen Kräfte zu durchbrechen. Der Inselstaat mit nur 430.000 Einwohnern ist das einzige Land in Europa, in dem nur zwei Parteien im Parlament vertreten sind.

Dem Wahlsieger winkt nicht nur das Regierungsamt, sondern auch die weitreichende Kontrolle über die Wirtschaft. „Der Wahlsieger bestimmt, wer bei der Bank of Valletta Chairman wird, obwohl der Staatsanteil bei der größten maltesischen Bank nur 30 Prozent beträgt“, sagt Cassola und listet auf, wo der Wahlgewinner noch das Sagen haben wird: Beim Wasserversorger etwa, beim Elektrizitätsanbieter, beim Fernsehaufseher.

"Wie in Nord-Korea"

Parteien jenseits der beiden großen Kräfte können sich im Wahlkampf kaum Gehör verschaffen, weil viele der Medien nicht neutral sind. Eine von der EU finanzierte Studie kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Malta das einzige Land in der EU sei, „in dem politische Parteien in solch großem Umfang Medien besitzen.“ Weniger vornehm formuliert es ein Insider: „Es ist wie in Nord-Korea, die Sender der Parteien verbreiten Propaganda“. 

Verfassungsjurist Ken Mifsud Bonnici veröffentlichte Anfang Mai eine Analyse in der er die Missstände in seinem Heimatland haarklein auflistete. Er beschrieb, wie ausschließlich die Polizei Ermittlungsverfahren einleiten kann, die Polizei aber von der Regierung kontrolliert wird – was Verfahren gegen Politiker unwahrscheinlich macht. Er beschrieb, wie das Verfassungsgericht seit den 80er Jahren keine verfassungswidrigen Gesetze aufgehoben hat. Und er beschrieb, wie der Ministerpräsident Richter ernennt und dieses Privileg jüngst dazu genutzt hat, den Vizechef seiner Partei auf einen Richterposten zu hieven.

„Die Gewaltenteilung versagt, die Demokratie versagt“, lautete Mifsud Bonnicis Schlussfolgerung. In den sozialen Medien bekam Mifsud Bonnici große Zustimmung für seinen Thesen.

Die Wirtschaft hält sich mit dem Demokratiedefizit nicht auf. Kenneth Farrugia, Chairman von Finance Malta, der Lobby der Finanzbranche, schwärmt von der „Stabilität“ des Landes, das erstaunlich gut durch die Finanzkrise gekommen sei. Beim Gespräch im Sitz von Finance Malta, einer ehemaligen Garnisionskapelle, in der auch die Börse residiert, betont Farrugia, dass beide Parteien am Wohl der Finanzbranche interessiert sein: „Wir haben seit langem einen politischen Konsens, dass das Land die Finanzbranche braucht.“

Wer in Malta Geschäfte machen will, erzählt ein Wirtschaftslenker, muss sich für eine der beiden Parteien entscheiden. Das war bisher ehernes Gesetz. Und wird es wohl auch bleiben.

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