Manganknollen Rohstoffvorkommen in internationalen Gewässern – Wer um den Tiefseebergbau ringt

Deutschland erforscht den Tiefseebergbau im Pazifik – um Kupfer, Kobalt, Nickel und Mangan zu finden. Umweltschützer bremsen das Vorhaben allerdings.

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Die Knollen enthalten Kupfer, Kobalt, Nickel, Mangan und teilweise weitere Metalle. Quelle: dpa

Der pazifische Inselstaat Nauru hat nur rund 11.000 Einwohner. Aber er könnte ein Beben auslösen, das nicht nur das Meer als größtes Ökosystem der Erde, sondern auch die weltweite Rohstoffversorgung grundlegend verändern würde.

Nauru plant, zusammen mit dem kanadischen Unternehmen The Metals Company (TMC) die weltweit erste Lizenz zum Abbau riesiger metallischer Rohstoffvorkommen am Meeresgrund zu beantragen. Das wäre der Startschuss für den Bergbau in internationalen Gewässern, die mehr als die Hälfte der Erdoberfläche ausmachen.

Weil es um ein potenzielles Milliardengeschäft geht, verschärft sich seit Monaten ein geopolitisches Gezerre, das bis in die Bundesregierung reicht. Umweltbedenken kollidieren mit dem Wunsch nach größerer Unabhängigkeit bei der Versorgung mit Metallen wie Kobalt, Nickel oder Kupfer. Entwicklungsländer hoffen auf eine dringend benötigte Einnahmequelle. Das Ringen um den Tiefseebergbau ist damit ein wahrer Wirtschaftskrimi.

Bisher galt der Tiefseebergbau als Exotenthema. Das zeigt sich schon daran, dass die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), die als UN-Unterorganisation Lizenzen für die Erkundung von potenziell rohstoffreichen Gebieten am Grund internationaler Meere vergibt und in Jamaika ansässig ist, nur rund 40 Mitarbeiter hat.

Dabei untersuchte der deutsche Rohstoffkonzern Preussag schon in den 70er Jahren die Tiefen des Pazifiks, ob es sich lohnen könnte, Metalle aus sogenannten Mangan-Knollen vom Meeresboden zu nutzen. Wegen der sinkenden Rohstoffpreises auf dem Weltmarkt wurden die Überlegungen aber aufgegeben.

Deutschland: 75.000 Quadratkilometer großes Lizenzgebiet im Pazifik

Seit 2006 verfügt Deutschland über ein 75.000 Quadratkilometer großes Lizenzgebiet im Pazifik, in dem sich der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zufolge in mehreren tausend Metern Tiefe große Mengen dieser bis zu Handball-großen Manganknollen befinden.

Sie enthalten Kupfer, Kobalt, Nickel, Mangan und teilweise weitere Metalle. „Das macht sie attraktiv – und das könnte sie wettbewerbsfähig machen, trotz der hohen Energiekosten, um sie aus 4000 oder 5000 Meter Tiefe zu holen“, sagt BGR-Expertin Annemiek Vink.

Im Rennen um Rohstoffe wirkt das in der Öffentlichkeit kaum bekannte, riesige Explorationsgebiet Deutschlands in der sogenannten Clarion-Clipperton Zone (CCZ) auf den ersten Blick wie die Lösung vieler Probleme. Schließlich will man sich von autoritären Staaten wie China bei Rohstoffen unabhängiger machen.

So ist etwa Kobalt heiß begehrt für Hightech-Produkte. Deshalb entwickeln in mehreren Staaten Firmen verschiedene Abbau-Technologien. Das BGR hat bereits hydraulische Kollektoren aus Belgien getestet. Die norwegische Firma Loke entwickelt ein Abbaugerät für zwei britische Lizenzgebiete - und verspricht eine geringe Schädigung des Meeresbodens.

„Wir müssen Alternativen finden, um nicht von China abhängig zu sein“, betonte Hildegard Bentele, CDU-Europa-Abgeordnete und Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für Rohstoffversorgung, vor wenigen Tagen auf einer Tiefseebergbau-Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung.

>> Lesen Sie hier: Der Tiefseebergbau bedroht den Ozean - Ein Kommentar

Doch während die Industrie und die Union drängen, sind die zuständigen grün-geführten Ministerien in der Ampel-Regierung und viele Experten sehr zurückhaltend und warnen vor einem Einstieg in den Abbau etwa der Manganknollen.

Umweltschützer, Grüne und Biologen warnen

Das hat vor allem Umweltschutzgründe. „Wir plädieren dafür, den Start für den Abbau in der Tiefsee noch zu verschieben. Wir müssen den Meeresboden schützen und Klarheit über mögliche Konsequenzen für das Klima bekommen“, sagt etwa die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne).

Man stehe mit dem Wunsch, dass die Meeresbodenbehörde vorerst keine Abbaulizenz erteilen sollte, nicht allein. „Frankreich, Costa Rica, Brasilien, Spanien, Finnland, Neuseeland und viele pazifische Inselstaaten gehören zum Beispiel zu der Allianz, die auch eine weitere Pause des Abbaus haben wollen“, sagt sie.

„Entscheidend ist die Frage der Umweltauswirkungen. Es braucht weitere Technologieentwicklungen, auch andere Systeme als nur die hydraulische Knollenaufnahme“, betont BGR-Expertin Vink. Bei ersten Tests der Kollektoren habe sich gezeigt, dass diese die oberen vier bis acht Zentimeter des Meeresbodens mit den Knollen einsaugten.

Die Maschinen wirbeln den Meeresboden erheblich auf, auf dem sich über Jahrmillionen Kleinstpartikel abgelagert haben. Die Folgen davon sind noch unklar. Bisher hat man dies nur auf Strecken von 50 bis 60 Metern ausprobiert. Tests mit verbesserten Kollektoren sollen 2025 stattfinden.

Ein wirklich wirtschaftlicher Abbau der Mangan-Knollen würde nach Einschätzung von Matthias Haeckel vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel aber ganz andere Dimensionen erfordern. „Um den Abbau rentabel zu betreiben, müsste man zwei bis drei Millionen Knollen pro Jahr ernten“, sagt er. Dies hieße, dass von einer einzigen Abbau-Operation 200 bis 300 Quadratkilometer Meeresboden pro Jahr betroffen wären - eine Fläche etwa so groß wie München.

Folgen-Abschätzung schwierig

Wirtschaftsstaatssekretärin Brantner verweist auf mögliche CO2-Senken, also die Gefahr, dass im Meer gebundenes Kohlendioxid durch ein Aufwühlen des Bodens in die Atmosphäre entweichen könnte. Dazu warnen Umweltschutzorganisationen, dass zwar auch der Bergbau an Land in die Natur eingreife, eine Renaturierung dort aber viel einfacher sei.

Der Meeresboden könnte sich erst nach Millionen Jahren wieder stabilisieren, erläutert Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Meeresforschung. Sie plädiert dafür, erst einmal Rohstoff-Ressourcen an Land zu nutzen.

Allerdings ist die Abschätzung der Folgen schwierig. So hat die Universität Pforzheim gerade eine Studie veröffentlicht, die zu einem ganz anderen Ergebnis kommt: „Die gesamten Klimaauswirkungen der Produktion dieser Metalle aus Manganknollen ist im Vergleich zu den derzeitigen Projekten an Land um 27 Prozent geringer“, heißt es dort.

Verglichen wurde etwa der Energieaufwand für den Bergbau an Land und unter See. „Warum macht es Sinn, Regenwälder zu zerstören, um Nickel abzubauen, aber das Metall nicht vom Meeresboden zu gewinnen, wo es am wenigsten Leben gibt?“, fragt auch Gerard Barron, Geschäftsführer der Metallförderfirma TMC.

Druck für einen Abbau von vielen Seiten

Der Inselstaat Nauru hatte erstmals 2021 sein Interesse für einen Rohstoff-Abbau in der Tiefsee bekundet und dafür gesorgt, dass die Meeresbodenbehörde innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk mit genauen Umweltauflagen und Modalitäten für den Tiefseebergbau ausarbeiten sollte.

Aber sieben von Reuters befragte Experten halten es für unmöglich, dass ein Regelwerk von 200 bis 300 Seiten noch rechtzeitig bis zum Ablauf der Frist im Juli vorgelegt werden kann. Deshalb gilt es nun als rechtlich offen, ob die Meeresbodenbehörde auch ohne ein solches Regelwerk Bergbaulizenzen erteilen kann - auf Basis der bisherigen, aber nicht sehr detaillierten Regeln für die Explorationen.

Nauru kündigte an, dann vorerst keine Abbaulizenz beantragen zu wollen. „Unser Interesse ist es, Rechtssicherheit und eine verantwortungsvolle Entwicklung zu haben“, betonte Margo Deiye, Naurus Botschafterin bei der ISA. Theoretisch kann aber jeder Staat als Sponsor für Firmen ab Juli einen Antrag stellen.

Der Druck für einen baldigen Startschuss zum Abbau der Tiefsee-Ressourcen kommt aus vielen Richtungen. Zum einen ist der Rohstoffhunger der Industriestaaten riesig. Japan etwa hat längst begonnen, in seiner eigenen Wirtschaftszone Sulfide in der Tiefsee abzubauen.

Zum anderen vergab die Meeresbodenbehörde bisher Forschungslizenzen mit dem ausdrücklichen Ziel, später Rohstoffe abzubauen. Das Unternehmen TMC steht unter Druck, weil es seine Pläne zum Tiefseebergbau für Konzerne wie Glencore und andere bekannt gemacht und bei Anlegern Erwartungen geweckt hat.

Auch afrikanische Staaten drängen auf einen Start. Sie verfügen zwar über keine Lizenzgebiete wie die Industriestaaten. Aber weil es um Bergbau in internationalen Gewässern geht, muss ein Teil der Einnahmen in einen internationalen Fonds gehen.

Das betont auch Alexander Proelß, Professor für Internationales Seerecht an der Universität Hamburg. Wie hoch die Einnahmen aus der Abbau-Lizenz aber sind und wie sie verteilt werden, sei noch völlig offen.

>> Lesen Sie hier: Japan will Rohstoffe für Akkus und Elektromotoren bezuschussen

Auf jeden Fall lockt hier viele das große Geld. „Afrikanische Länder wollen den Abbau, pochen aber auf höhere Einnahmen“, fasst BGR-Expertin Vink die Interessenslage zusammen. Offen sind laut Proelß auch die Haftungsfragen etwa für Umweltschäden. Hinter vorgehaltener Hand wird befürchtet, dass kleine „Billig-Sponsor-Staaten“ wie Nauru mächtigen Konzernen die Tür zum Abbau öffnen, ohne diese wirklich kontrollieren zu können.

Deutsche Industrie drängt

Die deutsche Industrie drängt ebenfalls. „Der BDI ist grundsätzlich aufgeschlossen für den Tiefseebergbau, die Chancen übersteigen die Risiken“, sagt Matthias Wachter, Rohstoff-Experte des Verbands zu Reuters. „Wir sollten das Thema nicht weiter auf die lange Bank schieben“, sagt er mit Blick auf den Wunsch nach größerer Sicherheit bei der Rohstoffbeschaffung.

„Ab 2026 sollte auch Deutschland die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Förderung in seinem Gebiet im Pazifik beginnen kann.“ Wachter fordert ein klares Signal der Bundesregierung, dass sie den Abbau von Mangan-Knollen fördert und unterstützt.

Auch der Chef der kanadischen Firma TMC drängt: „Es muss akzeptiert werden, dass wir mehr Metalle brauchen“, meint Barron. Allerdings sorgen sich manche Unternehmen auch um ihr angestrebtes grünes Image und wollen keine Tiefseemetalle in ihren Lieferketten haben. Volkswagen hatte dies sogar schon 2021 öffentlich gemacht.

Ein Problem für Deutschland und die Suche nach einer sicheren Metallversorgung ist, dass es hierzulande kein großes Bergbau-Unternehmen mehr gibt, das federführend vorangehen kann. Viele Mittelständler bündeln mittlerweile ihre Interessen.

„Ziel der 2014 gegründeten Deepsea Mining Alliance (DSMA) ist es, auch den Abbau von Rohstoffen am Meeresboden zu fördern“, sagt Geschäftsführer Johannes Post zu Reuters. Die DSMA-Mitglieder besäßen gemeinsam das nötige Knowhow sowohl für den Abbau als auch für das erforderliche Umwelt-Monitoring während des Abbaus.

„Deutschland sollte nicht nur viele Millionen an Steuergeld für die sicher wichtige Umweltforschung ausgeben, sondern auch den Abbau etwa von Manganknollen vorbereiten“, fordert der frühere Preussag-Umweltexperte. „Auf keinen Fall sollte Deutschland die deutsche Lizenz im Pazifik verkaufen oder verschenken.“

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Die Aufgabe, irgendwann einmal Manganknollen aus dem Pazifik für die deutsche Industrie zu nutzen, ist allerdings komplex. Es sei nicht damit getan, die Knollen aus der Tiefsee an die Meeresoberfläche zu bringen, betont BGR-Expertin Vink. „Es muss auch Aufbereitungsanlagen geben.“ Für die Trennung der Metalle gebe es noch gar keine Anlagen an Land.

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