Mariano Rajoy Spaniens Ministerpräsident stürzt über Misstrauensvotum

Die Gürtel-Affäre kostet Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy das Amt. Neuer Ministerpräsident ist der Sozialist Pedro Sánchez.

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Madrid Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist per Misstrauensantrag aus dem Amt gejagt worden. 180 der 350 Abgeordneten stimmten gegen Rajoy, die absolute Mehrheit lag bei 176 Stimmen. Neuer Regierungschef wird schon ab Montag der Sozialist Pedro Sánchez sein.

Für Spanien bedeutet das einen gefährlichen politischen Stillstand. Der Grund: Der erzwungene Sturz von Mariano Rajoy folgt keinem inhaltlichen Kalkül, sondern vor allem dem politischen Ehrgeiz seines Erzrivalen, dem Chef der oppositionellen Sozialisten, Pedro Sánchez.

Der sah die Gelegenheit gekommen, Rajoy endlich vom Thron zu stoßen, nachdem das nationale Gericht ein umfangreiches System von Korruption in der konservativen Regierungspartei festgestellt hatte. Das Urteil war so klar, dass es politische Konsequenzen haben musste.

Gegen den Misstrauensantrag von Sánchez würde auch nichts sprechen, wenn er einen Termin für schnelle Neuwahlen beinhalten würde. Dann  könnten die Spanier an der Urne entscheiden, wer das Land führen soll. Eine solche Wahl würde die Möglichkeit bieten, dass sie eine entscheidungsfähige Koalition hervorbringt, die in der Lage ist, dringend nötige Reformen in Spanien auf den Weg zu bringen. Auch Rajoys Minderheitsregierung war dazu nicht in der Lage.

Doch die Sozialisten liegen in den Umfragen weit zurück, deshalb will Sánchez die Gelegenheit nutzen, als Premier die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und so seine Lage zu verbessern. Im Extremfall kann er bis zur nächsten regulären Parlamentswahl im Sommer 2020 die Geschäfte weiterführen. 

Politischer Stillstand

Entscheidet er sich dafür, bedeutet das für Spanien sehr wahrscheinlich zwei Jahre politischen Stillstands. Rajoy ist es mit 137 Sitzen im Parlament erst in monatelangen Verhandlungen gelungen, auch nur einen Haushalt zu verabschieden. Die Sozialisten haben nur 84 Sitze, das sind 24 Prozent aller Stimmen. Dieselbe Mehrheit, die nun für den Misstrauensantrag gestimmt hat, wird Sánchez bei seinen Gesetzesinitiativen kaum unterstützen: Ihnen ging es nicht um die Inhalte der Sozialisten, sondern darum, Rajoy zu stürzen.

Regierungshelfer Unidos Podemos

Wer sich Sánchez bereits als Partner angeboten hat ist die linkspopulistische Partei Unidos Podemos. Sie ist für Investoren aber ein Schreckgespenst, unter anderem weil sie quasi ein Garant für Forderungen nach höheren Staatsausgaben ist. Hinzu kommt, dass sie im Konflikt mit den katalanischen Separatisten für das Recht auf ein Unabhängigkeitsreferendum eintritt. Das aber ist für die Sozialisten eine rote Linie.

Druck der katalanischen Separatisten

Zumindest war sie das bisher. Sánchez hatte sich trotz aller politischen Unterschiede an Rajoys Seite für die Zwangsverwaltung der Region nach Artikel 155 der spanischen Verfassung eingesetzt nach die Separatisten die unabhängige Republik Katalonien ausgerufen hatten. Allerdings war der Misstrauensantrag nun mit den Stimmen der Separatisten im Madrider Parlament erfolgreich. Ihnen hat Sánchez einen Dialog versprochen ohne genauer zu sagen, worüber dabei reden will. Rajoys Vize Soraya Sáenz Santamaria erklärte bereits, sie fürchte, dass Sánchez mit den Separatisten vorab ausgehandelt habe, dass er die staatliche Kontrolle über die Ausgaben der katalanische Regierung aufhebe.

Wirtschaft

Die Machtübernahme hat viele Unbekannte. Eine gute Nachricht für Spanien ist sie nicht. Aber die Lage ist dennoch nicht mit den Turbulenzen in Italien zu vergleichen. Die spanische Wirtschaft wächst seit Jahren kräftig, die Arbeitslosigkeit sinkt deutlich und die Staatsverschuldung ist deutlich niedriger als in Italien. Sánchez behält zudem den Haushalt bei, den Rajoy – Ironie des Schicksals – just vor einer Woche endlich verabschieden konnte. Die Gefahr von größeren Schäden hält sich deshalb in Grenzen. Allerdings ist auch Stillstand langfristig schädlich.

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