Martin Richenhagen zur US-Wahl "Amerika würde Donald Trump überleben"

Martin Richenhagen ist einer der deutschen Top-Manager in den USA. Der Chef des Landwirtschaftskonzerns AGCO hält sowohl Trump als auch Clinton für vollkommen ungeeignet. Bange ist ihm trotzdem nicht.

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Der CEO von AGCO: Martin Richenhagen Quelle: PR

WirtschaftsWoche Online: Herr Richenhagen, Sie leben seit zwölf Jahren in den USA und sind neben Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld der einzige deutsche Vorstandschef eines Fortune-500-Unternehmens. Was unterscheidet den aktuellen Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump von früheren Wahlkämpfen? 
Herr Martin Richenhagen: Der derzeitige Wahlkampf findet auf unterstem rhetorischem Niveau statt. Mit Inhalten hat das nichts zu tun. Viele Wähler sind tief enttäuscht und sehr unzufrieden mit dem politischen Establishment und deshalb offen für einfache Botschaften.  

Viele Deutsche wundern sich, wie Donald Trump so weit kommen konnte. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Die Mehrzahl der Deutschen versteht Amerika nicht wirklich. Im Vergleich zu Deutschland kann sich in den USA jeder geborene Amerikaner zur Wahl stellen, die Finanzierung des Wahlkampfes muss er aber ohne jede staatliche Unterstützung selbst bewerkstelligen. Eine vorgelagerte langjährige Parteikarriere wie in Deutschland ist hier nicht unbedingt nötig. Dieses System fördert Leute wie Trump.

Zur Person

Wer wäre denn die bessere Alternative: Clinton oder Trump?
Ich halte beide Kandidaten für vollkommen ungeeignet. Schon allein das Alter spricht gegen sie. Clinton wäre 69, Trump sogar 70 Jahre alt, wenn sie das Präsidentenamt übernehmen würden. Für einen Top-Job in der Wirtschaft würde man keinen 70-Jährigen mehr rekrutieren. Außerdem wollen beide Kandidaten die nationale Wirtschaft gegenüber Billigimporten abschotten. Beide sind gegen Freihandel. Das ist eine Katastrophe.

Trump polarisiert. Selbst Republikaner wenden sich von dem konservativen Präsidentschaftskandidaten ab. Inwieweit würde Trump Amerika verändern?
In der Geschichte hat es immer wieder schwache Präsidenten gegeben. Amerika würde auch Donald Trump überleben und verkraften. Ein US-Präsident ist nicht allmächtig. Er kann seine Wahlversprechen nur dann umsetzen, wenn er die Mehrheiten im Kongress und im Senat hinter sich hat. Das ist nicht absehbar. Eine solche politische Patt-Situation würde den Unternehmen sogar nutzen. Der Wirtschaft geht es am besten, wenn die Politik lieber nichts statt das Falsche macht.

Welche Wahlversprechen der beiden Kandidaten sind Ihnen denn nicht geheuer?
Beide Kandidaten machen Milliardenversprechungen, die nicht finanziert werden können. Trump will die Steuern senken, Clinton die Reichen höher besteuern. In beiden Fällen würden die Einnahmen nicht ausreichen, um die angekündigten Staatsausgaben zu finanzieren. Das ist sehr populistisch.

Das heißt, Sie halten auch nichts von Hillary Clinton?
Frau Clinton ist eine erfahrene Politikerin. Es ist an der Zeit, dass Amerika eine Frau in das Spitzenamt wählt. Frau Clinton ist aber besonders bei Frauen nicht sehr beliebt. Sie hat das Problem, einem ‚Clan‘ anzugehören und gilt bei vielen Bürgern als unglaubwürdige Politikerin, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Das Programm halte ich inhaltlich für wenig präzise, kaum nachhaltig und Steuererhöhungen bei den bereits extrem hohen Belastungen hier in den USA für völlig unangebracht.

Trump will die Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent senken. Wäre das in Ihrem Sinne?
In den Achtzigerjahren waren die USA mal Niedrigsteuerparadies. Inzwischen sind die Unternehmenssteuern mit über 50 Prozent höher als in Deutschland. Die USA haben eine sehr altmodische Steuerpolitik. Gewinne im Ausland müssen hier zusätzlich versteuert werden. Das trifft uns als Landwirtschaftskonzern, der 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland macht, besonders. Wir müssen Steuern zahlen statt zu investieren oder Dividenden zu zahlen. Steuererleichterungen sind also dringend erforderlich.  Bevor ein Präsident aber darüber nachdenken kann, muss er die strukturellen Probleme des Landes lösen. Die Administration ist völlig aufgebläht. Unter Obama sind Tausende Jobs im Öffentlichen Dienst entstanden. Der Wasserkopf verschlingt zu viel Geld.

"Trump ist kein Mann der Wirtschaft"

Donald Trump präsentiert sich gerne als erfolgreicher Geschäftsmann. Sehen das Ihre Manager-Kollegen auch so?
Trump ist kein Mann der Wirtschaft. Er ist Immobilienmanager, aber er wird nicht als erfolgreicher Manager wahrgenommen. Viele Kollegen hatten gehofft, dass Jeb Bush Kandidat der Republikaner werden würde. Dass Trump gewonnen hat, hat sie überrascht und enttäuscht. Aber nervös ist deshalb keiner.

Hat Trump denn überhaupt Unterstützer in der Wirtschaft?
Nur wenige Manager positionieren sich für Trump. Und wenn, dann klingt ihre Argumentation wenig überzeugend. Sie sagen: ‚Wir müssen doch verhindern, dass die Demokraten nochmal vier Jahre weiter regieren‘. Sie sprechen dann von ABC: ‚Anything but Clinton.‘ Es gibt also eine große Zurückhaltung, sich mit Trump zu identifizieren.

Was haben acht Jahre Obama mit dem Land gemacht?
Die Spaltung der Gesellschaft hat zugenommen. Außerdem haben die Amerikaner im internationalen Vergleich politisch, militärisch und besonders wirtschaftlich an Bedeutung verloren. Aber Amerika ist ehrgeizig und möchte zukünftig wieder an die Spitze. Den Amerikanern ist daher zuzutrauen, dass sie die unter der Oberfläche schwelenden Konflikte wie Rassismus, soziale Spannungen, Waffenbesitz, die Rolle der Polizei und den Verfall der Infrastruktur offen diskutieren und anpacken werden.

US-Präsident Obama hat Sie in den Afrika-Beraterstab berufen. Welchen persönlichen Eindruck haben sie von ihm gewonnen?
Barack Obama ist ein sympathischer Mensch. Aber er hat die wichtigen Wirtschaftsfragen wie die Steuerreform, Deregulierung, Handelsvereinbarungen, Infrastruktur, und digitale Vernetzung nicht angepackt. Außerdem hat er sich kaum für Außenpolitik interessiert - und wenn, dann mehr für Asien als für Europa.

Trump „jämmerlich unvorbereitet“ für Präsidentschaft
„Hillary Clinton will Amerikas Angela Merkel werden, und ihr wisst, was für eine Katastrophe diese massive Einwanderung für Deutschland und die Menschen Deutschlands ist“, sagte Trump Mitte August in einer außenpolitischen Rede in Youngstown (Ohio). „Die Kriminalität ist auf ein Niveau gestiegen, das niemand geglaubt hat, je zu sehen.“ Die USA hätten genug Probleme, ohne sich durch die ungezügelte Aufnahme syrischer Flüchtlinge weitere aufzubürden. Quelle: AP
„Jämmerlich unvorbereitet“, um die USA als Präsident führen zu können, ist Donald Trump nach Aussagen von US-Präsident Barack Obama. Auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus forderte Obama die Republikaner am Dienstag auf, Trump nicht mehr zu unterstützen. Dabei gehe es um mehr als unterschiedliche Ansichten politischer Natur, sagte Obama. Trotz des wachsenden Unmuts gegenüber Trump hat bisher kein Republikaner ihm seine Unterstützung entzogen. Obama sagte, republikanische Politiker hätten wiederholt feststellen müssen, dass Äußerungen Trumps inakzeptabel seien. „Warum unterstützen Sie ihn dann noch?“, fragte Obama. Quelle: dpa
„Belgien ist eine wunderschöne Stadt und ein herrlicher Ort - großartige Gebäude“, sagte Donald Trump in einer Rede und zeigte, wie es um seine geographischen Kenntnissen bestellt ist. „Ich war mal dort, vor vielen, vielen Jahren. Vor ein paar Monaten habe ich dann ein Statement abgegeben, nach dem Motto, Belgien ist ein elendes Loch. Dafür wurde ich dann schwer kritisiert, man hat gesagt, was für eine böse Sache - und dann hatten sie in Belgien dieses massive Problem.“ Quelle: dpa
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat die Washington Post von künftigen Wahlkampfauftritten ausgeschlossen: Auf Facebook bezeichnete er das Blatt als "unehrlich und verlogen". Die Washington Post hatte erst kürzlich kritisch über den Milliardär berichtet. In den Augen von Trump sei die Berichterstattung "unglaublich fehlerhaft", deshalb habe er der Zeitung die Akkreditierung für seine Wahlkampfveranstaltungen entzogen.Der umstrittene republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump ist ein Quereinsteiger und hat noch nie ein politisches Amt bekleidet. Im Wahlkampf macht er immer wieder mit skurrilen Aussprüchen auf sich aufmerksam. Quelle: AP
Donald Trump Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: dpa
Trumps Knaller nach dem Sieg in den Vorwahlen von Nevada: „Wir haben bei den Evangelikalen gewonnen. Wir haben bei den Jungen gewonnen, wir haben bei den Alten gewonnen. Wir haben bei den gut Gebildeten gewonnen, wir haben bei den schlecht Gebildeten gewonnen. Ich liebe die schlecht Gebildeten.“ Quelle: REUTERS

Also war Obama ein schwacher Präsident?
Er ist vor acht Jahren mit ehrgeizigen Zielen gestartet, aber die meisten Probleme hat er nicht gelöst. Es wollte ihm auch keiner wirklich helfen. Die weißen konservativen Amerikaner hatten kein Interesse, mit ihm zu kooperieren. Normalerweise scharren sich nach der Wahl alle Parteimitglieder hinter den neuen Präsidenten. Obama wirkte hingegen von Anfang an ziemlich isoliert. Man sagt, er sei mehr auf dem Golfplatz als im Weißen Haus. Er ist kein super Netzwerker.

Wird die nächste Wahl im November die Außenpolitik verändern?
Die Amerikaner haben das Interesse verloren, ihre Kinder, viel Geld und Zeit in der Rolle als ‚Weltpolizisten‘ zu verlieren. Die Amerikaner wollen nicht mehr, dass die USA die Kosten der NATO tragen. Der nächste Präsident wird deshalb die Verbündeten zu höheren Leistungen drängen. Das bietet auch die Chance für einen wesentlich breiteren Konsens und einen soliden Ansatz zum Ausbau der NATO.

Sie sind Chef des Landwirtschaftskonzerns AGCO, zu dem auch der deutsche Traktorhersteller Fendt gehört. Sehen Sie negative Folgen für Ihre Industrie, sollte Trump oder Clinton gewinnen?
Unsere Industrie ist ein Jahrzehnt lang von einem Rekordjahr zum anderen gesprungen, erlebt aber derzeit eine Durststrecke. Wegen der niedrigen Getreidepreise halten sich die Farmer bei Investitionen zurück. Amerikanische Landwirte bekommen keine Subventionen wie in Europa. Sie profitieren aber davon, dass bis zu 20 Prozent Bio-Ethanol dem Benzin beigemischt werden kann. Ich gehe davon aus, dass beide Kandidaten daran nichts ändern werden. Beide haben sich für eine unabhängige amerikanische Energiepolitik ausgesprochen.

Die größten Absurditäten im US-Wahlkampf
Hillary Clintons Doppelgängerin Quelle: AP
Von Hirntumor bis Zungenkrebs – Clintons Krankheiten im Überblick Quelle: dpa
Der Knopf in Clintons Ohr Quelle: AP
Hillary Clinton Quelle: AP
Donald Trump – der Antichrist Quelle: dpa
Hillary Rodham Clinton Jimmy Quelle: AP
Die Illuminati und Trump Quelle: REUTERS

Erwarten Sie negative Folgen für deutsche Unternehmen?
Deutsche Unternehmen würden leiden, wenn die Handelsabkommen nicht wie geplant auf den Weg gebracht werden. Auch höhere Importzölle, wie Trump sie angekündigt hat, würden deutsche Unternehmen treffen, die nicht in den USA produzieren. Das gilt vor allem für den Mittelstand, aber auch für große Autokonzerne, die zwar teilweise in den USA produzieren, aber zum Beispiel Stahl importieren.

Sie haben seit 2011 neben dem deutschen auch den amerikanischen Pass. Ist Georgia für Sie zur Heimat geworden?
Georgia ist unsere neue Heimat. Wir fühlen uns bei den sehr freundlichen und positiv gestimmten Südstaatlern in „booming Atlanta“ super wohl. Aber ich bin in Köln geboren und habe den Dom immer fest im Blick.

Wen wählen Sie am 8. November?
Ich wähle in Deutschland eher wertkonservativ. Wen ich am 8. November in den USA wähle, weiß ich noch nicht.

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