Massendemos Polen demonstrieren erneut gegen Justizreform

Seit acht Tagen protestieren Tausende Polen gegen das Vorhaben der nationalkonservativen Regierungspartei, das sie als Beschneidung der Justiz sehen. Auch Friedensnobelpreisträger Walesa rief zum Widerstand auf.

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Tausende demonstrieren gegen den Beschluss der nationalkonservativen Regierung. Quelle: Reuters

Warschau Auch am achten Tag in Folge haben am Sonntag Tausende Polen gegen die umstrittene Justizreform der nationalkonservativen Regierung demonstriert. Die größte Kundgebung fand vor dem Präsidentenpalast in Warschau statt, da nur noch die Unterschrift von Staatsoberhaupt Andrzej Duda fehlt, damit die als Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz gesehenen Maßnahmen in Kraft treten. Polnische Medien meldeten weitere Demonstrationen in anderen polnischen und europäischen Städten.

Vorangetrieben hat die Reform die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), deren Vorsitzenden Jaroslaw Kazcynski die Demonstranten vorwerfen, sich mit autoritären Mitteln Macht und Einfluss sichern zu wollen. Unterstützt wurden sie in diesem Protest am Samstag von Expräsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der mit der Solidarnosc-Bewegung den Sturz des kommunistischen Systems herbeigeführt hatte.

In einer Rede bei einer Großkundgebung in seiner Heimatstadt Danzig erinnerte der 73-Jährige an den demokratischen Wandel, den er vor mehr als einem Vierteljahrhundert in Polen mit auf den Weg gebracht hatte. Die Gewaltenteilung sei die größte Errungenschaft seiner Solidarnosc-Bewegung gewesen, sagte er. Die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) habe kein Recht, diese Leistung zunichte zu machen. „Ihr müsst alle Mittel nutzen, um das zurückzuerobern, was wir für euch erreicht haben“, sagte er.

Das vom polnischen Senat in der Nacht zum Samstag gebilligte Vorhaben der nationalkonservativen Regierung sieht unter anderem vor, dass die Richter am Obersten Gerichtshof sofort abgesetzt werden. Im Amt bleiben dürfen nur diejenigen, die vom Justizminister ausgewählt und vom Präsidenten genehmigt werden.

Die EU hat scharf auf die in Polen geplante Justizreform reagiert. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte vergangene Woche, Polen stehe dicht davor, deswegen sein Stimmrecht in der Gemeinschaft zu verlieren. Bundesjustizminister Heiko Maas sagte am Sonntag, er sei für Sanktionen gegen Polen, da dort die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr sei. Die EU könne dem nicht tatenlos zusehen, da Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ihr Fundament seien.

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