Medienprotest in Frankreich Kein Mojito mit Macron

Frankreichs Medien fürchten um ihre Beziehung zum neuen Staatspräsidenten. Denn Macron will Journalisten künftig auf Abstand halten. Mehr Distanz wäre eigentlich wünschenswert – doch es gibt trotzdem Grund zur Sorge.

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Paris Eine Woche nach seinem Amtsantritt hat Emmanuel Macron damit begonnen, zwei große Reformen einzuleiten: die des Arbeitsrechts und diejenige, die eine effektivere, ihre Bürger besser schützende EU sowie eine stärkere Eurozone schaffen soll. Die Arbeitsrechtsreform will der Präsident mit Dekreten durchsetzen, also ohne ausführliche Parlamentsdebatte.

Er hat aber zugesagt, dass er dennoch die Abstimmung mit den Sozialpartnern suche. Die wird er am Dienstag zu ersten Gesprächen empfangen. Jean-Claude Mailly, Vorsitzender der eher konfrontativen Force Ouvrière ist bereit, sich mit Macron auf den Versuch einer Zusammenarbeit einzulassen. „Der Präsident sollte nicht nur einen privilegierten Gesprächspartner haben“, sagte Mailly am Montag – ein Seitenhieb auf die reformerische Gewerkschaft CFDT.

In Sachen EU und Eurozone fährt Macron zweigleisig: Seinen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire lässt er mit Wolfgang Schäuble sprechen, er selber aber spricht mit den Regierungschefs und den europäischen Entscheidern. Erst mit Merkel, vergangene Woche mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und am Sonntag mit dem italienischen Regierungschef Paolo Gentiloni. In der gemeinsamen Erklärung mit Gentiloni hat Macron ein Thema hervorgehoben, dass der Bundesregierung nicht so passt: die Schaffung eines Budgets für die Eurozone. Macron ist davon überzeugt, dass ein europäisches Budget nötig ist, um mehr Investitionen in den wirtschaftlich schwächeren Ländern zu stemmen, die wirtschaftliche Konvergenz zu fördern und letztlich zu verhindern, dass es immer wieder zu Spannungen und Spekulationen an den Finanzmärkten kommt.

Die französischen Medien beschäftigt derzeit allerdings ein ganz anderes Thema: Ihre Beziehung zum neuen Staatspräsidenten. Sie fürchten, dass Macron sich ihnen entzieht und seine Kommunikation hermetisch abschließt.

Als Beweis dienen ihnen drei Episoden aus der vergangenen Woche: Nach der ersten Kabinettssitzung wurde der Hof des Elysée-Palastes gesperrt, in dem die TV-Teams ihre Kamers aufbauen, in der Hoffnung ein paar Brocken von den herausströmenden Ministern aufschnappen zu können. Und zur zweiten Auslandsreise nach Mali lud der Elysée selber nur bestimmte Journalisten ein. Der dritte Fall erregt die französischen Kollegen besonders: Macron hat durchblicken lassen, dass es mit ihm weniger oder keine Gespräche „off the record“ geben werde – ein Format, dass Politiker nutzen, um Informationen zu streuen ohne zitiert werden zu dürfen. Macron versuche, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, kritisierten viele französische Medien daraufhin. Auch von Zensur ist die Rede.

Die Regierung wiederum hat die Kritik zurückgewiesen und eingelenkt. Die TV-Teams dürfen auch weiterhin nach den Kabinettssitzungen auf dem Kies des Elysée-Hofes stehen. Doch das Misstrauen bleibt. Die auf den Präsidenten spezialisierten Journalisten fürchten um ihren privilegierten Zugang. Vermutlich zu Recht, denn schon im Wahlkampf hat Macron sehr offen gesagt: „Ich werde die Journalisten nicht in die Küche lassen, sie sind keine Freunde.“ Er respektiere sie, „doch wenn ich zu viel Nähe ermögliche, werden sie sich selbst Vorwürfe machen, weil sie ein Berufsethos haben, und anschließend werden sie das mir vorwerfen.“


Macron trifft einen empfindlichen Punkt

Macron hat damit einen empfindlichen Punkt getroffen. Die französische Elysée-Presse ist verwöhnt. Nicht nur, dass die Verwaltung des Präsidenten alle Auslandsreisen für sie organisiert wie ein Reisebüro, wenn auch gegen Bezahlung. Wichtiger ist der Zugang zum Präsidenten, den sie erhält. Unter Hollande haben die Präsidenten-Beobachter sich daran gewöhnt, nicht mehr so sehr aus kritischer Distanz über den Staatschef zu berichten. Sie rutschten in die Rolle eines „Gesprächspartners“ des Präsidenten.

Raffiniert packte Hollande sie bei der eigenen Eitelkeit. Nicht wenige politische Journalisten träumen davon, dem Staatschef Ratschläge zu geben. Hollande nutzte das aus, bot Off-Gespräche mit der „presse présidentielle“, die sich eifersüchtig abschirmt. Was heute Macron vorgeworfen wird – er wolle sich die Journalisten selber aussuchen – praktizierte das Korps der Elysée-Journalisten schon lange: die Abschottung gegenüber anderen Kollegen, um den eigenen Sprengel zu schützen.

Hollandes Team bot auch permanente Hintergründe mit seinem Redenschreiber oder Sprecher. Die trichterten den Medienvertretern dann ein, was wichtig sei und wie der Präsident die Welt sehe. Als besonderes Auszeichnung gab es auch mal einen Mojito mit dem Präsidenten, etwa nach einer wichtigen Pressekonferenz. Hollande wolle sich dann von den Journalisten „den Spiegel vorhalten lassen“, hieß es. Mit kritischer Berichterstattung und gesunder Distanz hatte das nicht mehr so sehr viel zu tun, und für die Nutzer der Medien ergaben sich daraus auch nie interessante oder überraschende News.

Verständlich, dass die Betroffenen sauer sind, wenn künftig mehr Abstand herrschen sollte. Aber das muss nicht schlecht sein, selbst wenn es den Eindruck bestätigen sollte, dass Macron ein Kontrollfreak ist, der nichts dem Zufall überlässt. Mehr Distanz wäre sogar wünschenswert. Da liegt nicht die Gefahr. Zu befürchten ist eher, dass der neue Präsident seine eigenen Mittel und Wege finden wird, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen.

Er trinkt keine Mojitos mit Journalisten, sondern versucht, die Wähler direkt zu erreichen. Ein Video, das seine Mitarbeiter über die sozialen Netzwerke senden, erreicht wesentlich mehr Menschen als ein Interview. Und die auch in Deutschland gezeigte Dokumentation – angeblich völlig unzensiert – aus dem Innenleben seiner Wahlkampagne war ein Musterbeispiel für gelungene PR. Macrons Wort „Journalisten sind keine Freunde“ macht die Fronten klar und sollte eigentlich eine Ermunterung sein, die eigene Arbeit noch ernster zu nehmen.

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