Meinungsbeitrag zur US-Wahl „Biden ist für die Wirtschaft besser als Trump“

Donald Trump oder Joe Biden: Wer ist besser für die Wirtschaft? US-Starökonom Nouriel Roubini hat eine klare Meinung. Quelle: AP

US-Starökonom Nouriel Roubini hält die Wirtschaftskompetenz der US-Republikaner für einen Mythos – und ruft in seinem  Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche zur Wahl von Joe Biden auf.

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Nouriel Roubini ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Stern School of Business der New York University.

Herausforderer Joe Biden hat im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im November in den Meinungsumfragen durchweg einen Vorsprung vor US-Präsident Donald Trump. Doch liegt Trump in der Frage, welcher Kandidat für die US-Wirtschaft besser wäre, weiterhin knapp vorn – trotz seiner miserablen Reaktion auf die COVID-19-Pandemie. Wegen Trump entfallen auf ein Land mit vier Prozent der Weltbevölkerung mehr als 20 Prozent aller COVID-19-Todesfälle – ein beschämendes Ergebnis angesichts von Amerikas hochentwickeltem (wenn auch teurem) Gesundheitssystem.

Die Annahme, dass die Republikaner bessere Wirtschaftsförderer seien als die Demokraten, ist ein alter Mythos, den es auszuräumen gilt. In unserem 1997 erschienen Buch „Political Cycles and the Macroeconomy“ haben der große verstorbene Ökonom Alberto Alesina und ich gezeigt, dass demokratische Regierungen tendenziell mit größerem Wachstum, geringerer Arbeitslosigkeit und stärkeren Aktienmärkten einhergingen als republikanische Präsidenten.

US-Rezessionen fanden fast immer unter republikanischen Regierungen statt. Die Rezessionen von 1970, 1980/82, 1990, 2001, 2008/09 und jetzt 2020 ereigneten sich (mit Ausnahme der w-förmigen Rezession der Jahre 1980/82, die unter Jimmy Carter begann, aber sich unter Ronald Reagan fortsetzte) alle, als ein Republikaner im Weißen Haus saß. Diese Tendenz ist kein Zufall: Eine lockere Regulierungspolitik begünstigt nun mal Finanzkrisen und Rezessionen. Verschlimmert wird die Sache noch dadurch, dass die Republikaner konsequent eine verantwortungslose Haushaltspolitik verfolgen; sie geben genauso viel Geld aus wie die Demokraten, aber weigern sich, die Steuern zu erhöhen, um hierdurch entstehende Defizite auszugleichen.

Nouriel Roubini Quelle: REUTERS

Aufgrund des Missmanagements während der Präsidentschaft von George W. Bush erbten Präsident Barack Obama und Vizepräsident Biden die schlimmste Rezession seit der Großen Depression. Anfang 2009 überstieg die Arbeitslosigkeit in den USA zehn Prozent, die Konjunktur befand sich im freien Fall, das Haushaltsdefizit hatte bereits die 1,2-Billionen-Dollar-Marke überschritten, und der Aktienmarkt war um fast 60 Prozent gefallen. Gegen Ende von Obamas zweiter Amtszeit Anfang 2017 jedoch hatten sich all diese Kennzahlen enorm verbessert.

Tatsächlich waren die Beschäftigungsentwicklung und das BIP-Wachstum – und auch die Entwicklung am Aktienmarkt – unter Obama schon vor der durch COVID-19 ausgelösten Rezession besser als unter Trump. Genau wie Trump Millionen von seinem Vater geerbt hat, nur um diese mit wirtschaftlichen Fehlschlägen zu verschleudern, erbte er von seinem Amtsvorgänger eine starke Wirtschaft, nur um diese innerhalb einer einzigen Amtszeit zu destabilisieren.

Die Erholung der Aktienkurse im August fiel mit einer Festigung des Vorsprungs Bidens in den Meinungsumfragen zusammen. Dies legt nahe, dass die Märkte keine Angst vor einer Biden-Präsidentschaft oder einem demokratischen Erdrutschsieg bei den Kongresswahlen haben. Das hat einen simplen Grund: Es ist unwahrscheinlich, dass eine Biden-Regierung eine radikale Wirtschaftspolitik verfolgen würde. Biden mag von progressiven Beratern umgeben sein, doch gehören diese sämtlich dem politischen Mainstream an. Zudem gehört seine Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, die US-Senatorin Kamala Harris aus Kalifornien, dem gemäßigten Lager an. Die meisten demokratischen Senatoren, die in den neuen Kongress einziehen könnten, sind eher Zentristen als dem linken Flügel der Partei zuzuordnen.

Zwar könnte eine Biden-Regierung die Grenzsteuersätze für Konzerne und die reichsten ein Prozent der Haushalte erhöhen. Diese hatten Trump und die Republikaner im Kongress gesenkt, um reichen Parteispendern und Konzernen ein 1,5-Billionen-Dollar-Geschenk zu machen. Doch würde ein höherer Steuersatz die Unternehmensgewinne kaum beeinträchtigen.

Während Trump und seine republikanischen Parteigenossen sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, für diese Wahl ein Parteiprogramm aufzustellen, hat Biden eine Reihe fiskalpolitischer Maßnahmen vorgeschlagen, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollen. Falls die Demokraten die Kontrolle über beide Kammern des Kongresses und das Weiße Haus gewinnen, würde eine Biden-Regierung umfassende Steuerimpulse – die auf private Haushalte, Arbeitnehmer und Kleinunternehmen ausgerichtet sind, die ihrer bedürfen – umsetzen sowie Arbeitsplätze schaffende Ausgaben in die Infrastruktur und Investitionen in die grüne Wirtschaft tätigen. Sie würde nicht in Steuersenkungen für Milliardäre investieren, sondern in Bildung, die Fortbildung der Arbeitnehmer sowie in proaktive industrie- und innovationspolitische Maßnahmen, um die Konkurrenzfähigkeit der USA sicherzustellen. Und die Privatwirtschaft würde nicht länger durch Ausraster des Präsidenten auf Twitter terrorisiert.

Die Demokraten haben sich zudem für höhere Mindestlöhne zur Steigerung der Erwerbseinkommen und des Konsums und für vernünftige Regulierungsmaßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen ausgesprochen. Sie würden würden handels-, einwanderungs- und außenpolitisch einen vernünftigeren Ansatz verfolgen, die Bündnisse und Partnerschaften der USA reparieren und gegenüber China statt des Containments, bei dem beide Seiten nur verlieren können, eine Politik der „Koopetition“ verfolgen. Alle diese Maßnahmen wären gut für die Beschäftigungsentwicklung, das Wachstum und die Märkte.


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Obwohl Trump im Wahlkampf als Populist auftrat, ist er ein Möchtegern-Plutokrat – ein „Plutopopulist“ – und genauso hat er regiert. Seine Wirtschaftspolitik war eine Katastrophe für die Arbeitnehmer und die langfristige wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit meines Landes. Seine Handels- und Einwanderungspolitik, die als Maßnahme zur Wiederherstellung von Arbeitsplätzen in den USA verkauft wurde, hatte den gegenteiligen Effekt. Wenn die USA künftig Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung besetzen wollen, müssen sie ihre Erwerbsbevölkerung fortbilden und dürfen nicht in selbstzerstörerischen Protektionismus und in Fremdenfeindlichkeit verfallen.

Die Wahl, vor der über die wirtschaftlichen Aussichten Amerikas besorgte US-Wähler stehen, könnte nicht klarer sein. Biden, der sich seit langem für die Sorgen der Arbeiter einsetzt, ist der einzige Präsidentschaftskandidat der jüngsten Geschichte, der nicht an einer US-Eliteuniversität studiert hat. Er hat eine bessere Chance als irgendwer sonst, die demokratische Koalition wiederaufzubauen und die Unterstützung unzufriedener Wähler aus der Arbeiterschaft zurückzugewinnen.

Für alle Amerikaner, denen ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder wichtig ist, könnte die richtige Entscheidung in diesem November nicht eindeutiger sein.

Mehr zum Thema: Jetzt wettet sogar die Wall Street gegen Trump

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