
Kann man diesem Mann glauben? Oder besser: Was kann man diesem Mann glauben? Li Keqiang, erst seit zwei Jahren Premierminister, ist ein chinesischer Führer neuen Typs. Er spricht Englisch, parliert mit Merkel schon bei der Begrüßung mit militärischen Ehren beim Gang über den roten Teppich. Er tritt gewandt und gewinnend auf. Und doch sagt er nicht immer wie Wahrheit. Auf die Frage, was er zu den in Deutschland erhobenen Vorwürfen sagt, China betreibe mit Cyber-Attacken Wirtschaftsspionage, antwortet er in der Pressekonferenz anlässlich des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht ausweichend, sondern frech: Seine Regierung „lehnt es entschieden ab, dass man durch Cyberattacken an Unternehmensgeheimnisse gelangt“. Er sehe sein Land genauso als Opfer wie die Deutschen sich als Opfer sehen.
Das zielt auf die USA. Und selbstverständlich sei Peking „gern bereit“, beim Kampf gegen derlei Angriffe mit der Bundesrepublik zusammen zu arbeiten. Das ist offensichtlich gelogen, denn deutsche Firmen und Sicherheitsbehörden können einen Großteil der Rechnerangriffe auf chinesische Server zurückverfolgen.
Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen
China ist der nach Frankreich und den Niederlanden der größte Handelspartner Deutschlands. 2013 wurden Waren im Wert von mehr als 140 Milliarden Euro ausgetauscht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass China in etwa zehn Jahren zum Handelspartner Nummer eins aufsteigen wird.
Die Exporte nach China summierten sich 2013 auf rund 67 Milliarden Euro. Exportschlager sind Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte. Für Unternehmen wie Audi ist China bereits der wichtigste Absatzmarkt.
Die Chinesen schickten 2013 Waren im Wert von gut 73 Milliarden Euro hierher und damit etwa viermal so viel wie 2000. Vor allem Computer, Handys und Elektronik liefert der Exportweltmeister nach Deutschland. Weitere Verkaufsschlager sind Bekleidung und elektrische Ausrüstungen.
Mehr als 26,5 Milliarden Euro haben deutsche Unternehmen bislang in China investiert. Etwa 4000 Firmen sind dort aktiv. Allein 2012 stiegen die deutschen Investitionen in der Volksrepublik um 28,5 Prozent auf 1,45 Milliarden Dollar. Umgekehrt zieht es immer mehr Chinesen nach Deutschland. 98 Unternehmen siedelten sich 2012 hierzulande neu an - China ist damit Auslandsinvestor Nummer drei, nach den USA und der Schweiz. 2000 Unternehmen sind inzwischen hier ansässig.
Aber was ist dann von all den anderen freundlichen Ankündigungen zu halten, die Li Keqiang in den Gesprächen mit der Kanzlerin, mit der deutschen Wirtschaftsdelegation oder vor der Presse abgibt. Er verspricht eine „weitere Liberalisierung des Handels und der Investitionsmöglichkeiten“. Auf Fragen verspricht er auch, dass in die künftigen umfassenden Reformen „auch die Menschenrechte eingeschlossen sind“; bisher sind nur die Dissidenten eingeschlossen. Es habe doch in den vergangenen 30 Jahren der Öffnung schon viele Fortschritte gegeben.
Aber immer noch lebten 200 Millionen Chinesen in Armut, und seit jeher ist materieller Wohlstand den Reformern wichtiger als persönliche Freiheiten. „Es liegt noch ein langer Weg vor uns“, weiß Li. „Wir werden auch daran arbeiten, die Menschenrechtslage in China voranzubringen. Wir werden beharrlich daran festhalten, den Aufbau des Rechtsstaats fortzusetzen.“ Aber das steht im Widerspruch zu dem gerade in den vergangenen Monaten verschärften Umgang mit Regimekritikern. Vergeblich wartet auch der Künstler Ai Weiwei auf die Ausreiseerlaubnis, um die Ausstellung seiner Werke in Berlin zu besuchen, die in wenigen Tagen endet.