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Merkel in Russland Löschers große Russlandshow

Viele deutsche Konzerne machen derzeit einen großen Bogen um Russland . Nur Siemens nicht. Beim deutsch-russischen Gipfel in Jekaterinburg haben die Münchner wieder Milliardendeals abgeschlossen – auch ohne politische Hilfe der Kanzlerin.

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Der Vorstandsvorsitzende der Quelle: dpa

Kanzlerin Angela Merkel hat mal wieder ein Erfolgserlebnis: Beim deutsch-russischen Gipfel im Uralstädtchen Jekaterinburg schlossen deutsche Unternehmen Milliardenverträge ab. Das wurde freilich feierlich inszeniert – im Beisein einer über 300-köpfigen deutschen Delegation, darunter das halbe Kabinett, die CEOs großer Konzerne und Dutzende Journalisten.

Die Geschäfte in Russland laufen wieder. Das ist die Botschaft von Jekaterinburg, die hängenbleibt. Und so entledigt sich Kanzler Angela Merkel fürs Erste auch des Vorwurfs, sie vernachlässige Russland: Hinter vorgehaltener Hand hatten Vorstände deutscher Konzerne und Mittelständler in den vergangenen Monaten immer wieder moniert, dass ein bisschen mehr politische Unterstützung bei konkreten Investitionen in Russland nützlich sein kann. So wie es Merkels Vorgänger Gerhard Schröder tat, der von seinen zahlreichen Russlandreisen fast immer einen Milliardenauftrag mitbrachte.

Inszenierte Vertragsunterzeichnungen

Am Ural haben Konzerne ihre Auftragsbücher ordentlich gefüllt: Signiert wurde die Lieferung von Regionalzügen und Heizungssystemen, die Modernisierung von Rangierbahnhöfen, eines Chemiewerks und des Mobilfunknetzes, der Bau eines Industriekraftwerk, dazu ein paar kleinere Verträge. Insgesamt dürfte sich das Volumen der Aufträge auf mindestens vier Milliarden Euro belaufen. Ist das nicht ein großer wirtschaftspolitischer Erfolg für Merkel?

Die Sache hat zwei Haken. Erstens stehen die unterschriebenen Deals zum Teil schon seit Monaten fest, es fehlte nur die letzte Unterschrift – und der passende Moment hierfür. Das Schauspiel gleicht insofern einer Inszenierung. Deren Drehbuch hat nicht einmal die Politik geschrieben, sondern die Wirtschaft, die ihre Investitionen auf eigene Faust und ohne Hilfe von oben durchboxte.

Zweitens ist das Russlandgeschäft der deutschen Wirtschaft momentan eine große Peter Löscher-Show. Der Siemens-Chef ist der einzige, der in Russland im großen Stil investiert. Allein der Auftrag für den Bau von 240 Regionalzügen wird auf 2,2 Milliarden Euro geschätzt. Auch bei anderen Projekten wie dem Bau eines KWK-Kraftwerks, den die Deutsche Energie-Agentur (Dena) eingetütet hat, dürfte Siemens zum Zuge kommen.

Russland bei Siemens Chefsache

Löscher forciert, was die Kanzlerin nicht kann oder will: eine aktive Russlandpolitik. Binnen eines Monats ist Löscher allein viermal in Russland gewesen. Es ging um die Pflege der Kontakte zum mächtigen Premierminister Wladimir Putin oder einflussreichen Wirtschaftslenkern wie Bahnchef Wladimir Jakunin. Letzterer setzte die Bestellung von deutschen Eisenbahnen durch, obwohl es manch ein führender Politiker vorgezogen hätte die Bestellung an einheimische Wettbewerber zu vergeben.

„Die Politik kann ein wichtiger Katalysator für uns sein“, sagte Peter Löscher am Rande des Gipfels zu wiwo.de, „aber vor allen Dingen muss der Chef selbst vor Ort sein und Geschäfte anbahnen.“ Für den Österreicher an der Siemens-Spitze ist Russland Chefsache.

Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel ist man sich da nicht so sicher: Offizielle Russlandbesuche sind unter ihrer Kanzlerschaft so dünn gesät wie nie zuvor. Immerhin könnte der Gipfel in Jekaterinburg einen Neustart markieren: Mit konkreten Abschlüssen und durchaus deutlichen Bekenntnissen zur Modernisierungspartnerschaft mit Russland demonstrierte sie endlich wieder Vertrauen in den Wachstumsmarkt. Darauf lässt sich ausbauen.

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