Merkel muss Kompromisse finden Der G20-Basar

Jetzt wird es ernst: Der G20-Gipfel beginnt am Vormittag offiziell. Gastgeberin Merkel will ein Scheitern unbedingt verhindern. Jeder Regierungschef soll etwas bekommen, damit alle der Abschlusserklärung zustimmen.

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Im Vorfeld des G20-Gipfels versuchte Bundeskanzlerin Merkel mit diversen Staatschefs, wie hier US-Präsident Donald Trump, Kompromisse auszuhandeln. Quelle: AP

Hamburg Angela Merkel hat noch einmal alles versucht. Den ganzen Donnerstagabend empfing die Bundeskanzlerin im Luxushotel Atlantic einige ihrer G20-Gäste zu Vier-Augen-Gesprächen, vor allem die schwierigen. Erst kam US-Präsident Donald Trump, später auch noch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. So wollte die Kanzlerin die Zeit vor dem Beginn des G20-Gipfels noch nutzen, um einen möglichen Kompromiss auszuloten.

Denn nun tickt die Uhr. Am Freitagmorgen um 10 Uhr begrüßt die Kanzlerin offiziell die Staats- und Regierungschefs aus den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern. Rund 24 Stunden bleiben, um bis zum frühen Samstagnachmittag eine Einigung zu erzielen. Sollte das nicht gelingen, wäre erstmals in der G20-Geschichte ein Gipfel gescheitert. Ein Szenario, das Merkel unbedingt verhindern muss – auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.

Also versucht die Kanzlerin als Gastgeberin, alle am Tisch auf eine gemeinsame Erklärung einzuschwören. Ein schwieriges Unterfangen: Vor allem Trump macht Merkel einen Erfolg schwer. Nachdem er den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erklärt hat, will er in Hamburg nun keiner Erklärung zustimmen, in der man sich allzu sehr dem Klimaschutz verpflichtet. Und auch ein Bekenntnis zum Freihandel fällt ihm schwer.

In Hamburg hat ein großer G20-Basar begonnen. Einzelne Sätze werden immer wieder umformuliert, bis sie möglichst jedem zusagen. Vor allem versuchen Merkel und ihr Sherpa Lars-Hendrik Röller einen Gesamtkompromiss zu erzielen. Wenn Trump etwa beim Kapitel Klima etwas akzeptiert, könnte er dafür einen Wunsch beim Abschnitt zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfüllt bekommen.

Die strittigen Themen einfach ausklammern, kann Merkel nicht. Das würde ihr sofort als Einknicken vor Trump ausgelegt. Eine Steilvorlage für die SPD im Bundestagswahlkampf. Zudem verhindern auch andere Teilnehmer allzu großzügige Zugeständnisse. So will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möglichst ein Festhalten am Pariser Klimaschutzabkommen. Zu weit kann Merkel Trump schon nicht entgegenkommen, um nicht ihren treuen Verbündeten aus Frankreich zu verärgern.

Und auch Chinas Präsident Xi Jinping, mit dem sich Merkel schon am Donnerstag in Berlin zu Vorgesprächen traf, hat Ansprüche.


Terror, Klimaschutz, Freihandel und Weltfinanzordnung

Im vergangenen Jahr hatte China die G20-Präsidentschaft inne und beim Gipfel in Hangzhou eine deutliche Absage an Protektionismus im Kommuniqué verankert. Ein Zurückdrehen der damaligen Vereinbarung – und dann noch auf Wunsch von Trump – will Xi nicht so einfach hinnehmen.

Für Merkel geht es nun also darum, in den verschiedenen Verhandlungsrunden jedem etwas zu bieten. Und auch die Unterhändler der Regierungschefs werden in der Nacht von Freitag auf Samstag noch mal nachverhandeln, während ihre Chefs in der Elbphilharmonie ein Konzert genießen.

Bis jetzt steht nur der Umfang des Dokuments fest. Auf zehn Seiten wollen die mächtigen Staats- und Regierungschef festhalten, wie sie mit den drängenden Problemen Terror, Klimaschutz, Freihandel und Weltfinanzordnung umgehen wollen. Am Samstagmorgen muss die G20-Erklärung dann stehen.

Einige Elemente zeichnen sich nach Merkels Vorarbeit bereits ab. So würde die Bundesregierung beim Freihandel gerne die Aussagen des jüngsten G7-Gipfels in Italien wiederholen. Im Mai hatten die G7-Chefs dort versprochen, „Protektionismus zu bekämpfen“ und sich für ein „regelbasiertes und internationales Handelssystem“ einzusetzen. Zwischenzeitlich war die US-Regierung in anderen Runden aber von diesen Worten wieder abgerückt. Insofern wäre eine Bekräftigung der G7-Passagen schon ein großer Erfolg.

Beim Streit um den Klimaschutz wird es darum gehen, einen gesichtswahrenden Kompromiss zu finden. Einerseits wird deutlich werden, dass die anderen Regierungschefs am Abkommen von Paris festhalten. Eine Erklärung „alle gegen Trump“ soll es aber trotzdem nicht werden. Merkel will den US-Präsidenten nicht isolieren. Zu groß erscheint ihr das Risiko, dass es eine Spaltung der G20 geben könnte. So würde etwa Saudi-Arabien wohl keiner Erklärung gegen Trumps Klimapolitik zustimmen. Also muss in dem Kommuniqué trotz aller Differenzen auch der Wille zur weiteren gemeinsamen Zusammenarbeit aller G20-Staaten bekräftigt werden.

Bis Samstagnachmittag bleibt Merkel nun Zeit, diese Quadratur des Kreises hinzubekommen. Letztlich geht es um einen Deal. Und für einen solchen ist Trump ja durchaus empfänglich. Auf den Pressekonferenzen nach Beschluss der G20-Erklärung kann dann ohnehin jeder seine Interpretation liefern. Die dürfte dann bei Merkel sicherlich anders klingen als bei Trump.

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