Merkel trifft Putin Schneckentempo statt Formel 1 in Sotschi

Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin sind bei ihrem Treffen in der Ukraine-Frage nicht nennenswert vorangekommen. Das Verhältnis ist angespannt. Die bilateralen Beziehungen haben für beide keine Priorität mehr.

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Moskau Mit durchschnittlich 207 Kilometer pro Stunde sicherte sich der finnische Mercedes-Pilot Valtteri Bottas am Wochenende vor den Augen von Russlands Präsident Wladimir Putin den Sieg beim Formel-1-Rennen in Sotschi. Die Annäherungsbewegungen zwischen der Bundesregierung und dem Kreml verlaufen deutlich langsamer. Ein Sieger in den Verhandlungen der Kanzlerin Angela Merkel mit Putin ist daher auch noch nicht zu erkennen.

Es wurde als große Geste des Entgegenkommens gefeiert, dass Merkel das erste Mal seit zwei Jahren wieder nach Russland kam. Weitere Fortschritte sind, zumindest anhand der Aussagen auf der Pressekonferenz nach dem Gespräch, für das Konfliktfeld Ukraine nicht auszumachen. Das Gesprächsformat Normandie-Vierer (Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine) soll bleiben, auch am Minsker Abkommen wollen beide Seiten trotz der stockenden Umsetzung festhalten. Es seien keine neuen Vereinbarungen, sondern eine konsequente Realisierung des Abkommens nötig, sagte Merkel.

Laut Putins Sprecher Dmitri Peskow waren sich beide trotz unterschiedlicher Meinung über die Ursache des Konflikts einig, dass Minsk-II einen neuen Impuls benötige. Mit neuen Ideen, wie dies geschehen soll; wie das Abkommen implementiert, der Waffenstillstand endlich stabilisiert und der politische Lösungsprozess in Gang gesetzt werden soll, wartete das deutsch-russische Duo in Sotschi aber nicht auf.

Sie hoffe auf ein Ende der Sanktionen gegen Russland, wenn das Minsker Abkommen umgesetzt werde, sagte Merkel. Putin habe Merkel dazu aufgerufen, auf den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko einzuwirken, damit Minsk-II endlich umgesetzt werden könne, konterte der Kreml später. Altbekannte Rhetorik in einem „Meinungsaustausch“, bei dem Argumente bei der Gegenseite zumeist ungehört verhallen.

Die Diskussion unterschied sich damit nicht wesentlich vom Diskurs zwischen Russlands Außenminister Sergej Lawrow und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, als die Italienerin vor zehn Tagen – ebenfalls nach längerer Auszeit – wieder in Moskau auftauchte. Einen Durchbruch hatten Beobachter auch nicht erwartet, neue Ideen aber sicher begrüßt.

Auch das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau bleibt angespannt. In den Gesprächen betonten beide Seiten sowohl die Wichtigkeit einer Kooperation – speziell im wirtschaftlichen Bereich – als auch die Probleme, die es derzeit gebe. Sie habe keine Angst vor einer russischen Einmischung in den deutschen Wahlkampf, Desinformationskampagnen wie im Fall der Russlanddeutschen „Lisa“ werde sie aber entschieden entgegentreten, sagte Merkel. Immerhin entstand in Sotschi zumindest der Eindruck, dass Bundesregierung und Kreml hier ernsthaft an einer Verbesserung des Verhältnisses interessiert sind.

Priorität haben die bilateralen Beziehungen aber im Gegensatz zu früheren Jahren für beide Seiten nicht. Für Merkel war der Kurztermin in Sotschi nur das Ende einer Auslandstournee, die sie zuvor in die Golfregion geführt hatte. Für Putin steht Russlands Platz in der globalen Hackordnung an vorderster Stelle. Dazu empfängt er am Mittwoch bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der im Syrien-Konflikt, in den sich Moskau verbissen hat, eine für Russland ambivalente Rolle spielt. Einerseits bezeichnen sich Ankara und Moskau als Partner und leiten (zusammen mit dem Iran) die Astana-Friedensverhandlungen zwischen syrischer Regierung und Teilen der Rebellengruppierungen, andererseits gehen die Interessen in der Region auseinander.

Ebenso will Putin das Verhältnis zu den USA klären. Die von Moskau gehegte Hoffnung auf einen Neustart der Beziehungen unter Donald Trump hat sich bislang nicht erfüllt. Bis heute schwirren Gerüchte in Washington über die russische Einflussnahme im amerikanischen Wahlkampf herum und belasten das Verhältnis.

Trump, der im Wahlkampf noch mit russlandfreundlichen Tönen aufgetreten war, machte in einigen Punkten eine scharfe Kehrtwende, speziell in Bezug auf Syrien, wo er sich zunächst nicht einmischen wollte, dann aber nach Vorwürfen eines Giftgasangriffs in Idlib durch Truppen von Staatschef Baschar al-Assad einen Militärflughafen bombardieren ließ und damit auch die Beziehungen zu Russland auf eine harte Belastungsprobe stellte.

Der Moskau-Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson im April war von scharfen Vorwürfen und der ultimativen Forderung, Staatschef Assad fallen zu lassen, geprägt. Lawrow und Tillerson wollen sich in der nächsten Woche bei der Sitzung des Arktischen Rats erneut treffen.

Zuvor aber telefonierte Putin selbst am Abend mit Trump. Auch bei diesem Gespräch ging es um den Bürgerkrieg in Syrien und die russische Unterstützung für Assad. Meldungen über ein angeblich geplantes persönliches Treffen der beiden Staatschefs Ende Mai wies der Kreml allerdings als haltlos zurück. Auch die US-Regierung und der Kreml sind von einer Annäherung noch weit entfernt.

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