Mexiko legalisiert Cannabis Mit freiem Marihuana gegen die Mafia

In Mexiko operieren die mächtigsten Drogenkartelle der Welt. Jetzt hat der Oberste Gerichtshof den Privatkonsum von Cannabis erlaubt. Ob das neue Gesetz tatsächlich im Kampf gegen die Mafia hilft?

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In Mexiko ist Cannabis jetzt legal erhältlich. Quelle: dpa

Es ist eine historische Entscheidung: Mexikos Oberster Gerichtshof hat das geltende Cannabis-Verbot grundsätzlich aufgehoben. Mit 4:1 Stimmen urteilte der erste Senat der Corte Suprema, dass Anbau, Ernte und persönlicher Gebrauch von Marihuana grundsätzlich nicht strafbar sind. „Das totale Verbot ist übertrieben und schützt nicht das Recht auf Gesundheit, verletzt aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht“, begründete Richterin Olga Sanchez Cordero die mehrheitliche Auffassung des Gerichts.

Die Kommerzialisierung von Marihuana bleibt nach der Entscheidung allerdings verboten. Die Verfassungsbeschwerde angestrengt hatte die „Mexikanische Gesellschaft für den verantwortungsvollen und toleranten Konsum von Marihuana zum Eigenbedarf“ (Smart), eine Organisation, die 2013 von Anwälten und Unternehmern gegründet wurde. Das Urteil gilt als Präzedenzfall. Die Regierung missbilligte die Entscheidung.

Konsum und Besitz bis zur minimalen Menge von fünf Gramm Marihuana waren bereits seit 2009 nicht mehr strafbewehrt. Aber verboten war bisher gewissermaßen alles, was im Zusammenhang mit dem Konsum steht. Das ist nun aufgehoben.

Damit ist Mexiko in Lateinamerika nach Uruguay das zweite Land, das eine weitgehende Legalisierung von Cannabis verabschiedet hat. Das kleine südamerikanische Land hat vor zwei Jahren als weltweit erster Staat Anbau und Verkauf legalisiert und sogar einen staatlich kontrollierten Handel beschlossen. Cannabis wird dort vom kommenden Jahr an durch Apotheken abgegeben. Auch die US-Bundesstaaten Alaska, Colorado, Oregon und Washington haben Konsum und Anbau von Cannabis in unterschiedlichem Maße freigegeben.

In Mexiko hat die grundsätzliche Legalisierung jedoch eine wesentlich größere Tragweite. Das Land ist nach Angaben der Vereinten Nationen nach Marokko der zweitgrößte Cannabis-Produzent und zweitgrößter Heroinproduzent nach Afghanistan. Zudem ist Mexiko das Land mit den mächtigsten Drogenkartellen und die Heimat von Joaquín „Chapo“ Guzmán, dem meistgesuchten Verbrecher der Welt und Chef des „Sinaloa-Kartells“.

Wie Cannabis konsumiert wird

Daher bedeutet die Entscheidung des Gerichts vor allem auch ein politisches und soziales Signal, dass neue Wege im Kampf gegen den Rauschgifthandel beschritten werden müssen. Repression alleine taugt nicht, um das Problem zu lösen und die Gewalt und die Gewinne zu stoppen, die der Drogenkrieg mit sich bringt. Seit 2006 sind beim Kampf gegen die Mafias in Mexiko mindestens 100.000 Menschen ums Leben gekommen.

Der Mafia das Geld entziehen

Daher war das Hauptanliegen der Beschwerdeführer der Smart vor allem, den Kartellen die Geschäftsgrundlage und ihre Milliardengewinne zu nehmen. „Wir wollen der Drogenmafia mit der Verfassungsbeschwerde das Geld entziehen, ihr wichtigstes Handwerkszeug“, sagte Smart-Rechtsanwalt Francisco Torres Landa. Dieser Argumentation folgten das Oberste Gericht weitgehend: „Der (bisherige) Kampf gegen die Drogen hat versagt“, betonte Richter José Ramón Cossio in seiner Begründung.

Mexiko brauche eine breite soziale Debatte über das Thema, forderte Cossio. Nach Berechnungen des US-Justizministeriums machen die mexikanischen Kartelle mit dem Drogenverkauf jedes Jahr und 39 Milliarden Dollar Gewinn. Rund ein Drittel davon soll aus dem Geschäft mit Marihuana stammen. Andere Quellen gehen von deutlich höheren Gewinnen aus.

Smart-Aktivist Amando Santacruz feierte das Urteil dann auch als einen politischen Durchbruch: „Das ist der erste Schritt zu einer nationalen Drogenpolitik, die nicht kriminalisiert.“ Neben der Entziehung der Gewinne für die Mafia führe das Urteil langfristig auch zu einer Entlastung der Justiz. Laut einer Untersuchung sitzen fast zwei Drittel der wegen Drogendelikten verurteilten Täter wegen Cannabis-Delikten ein.

Die Regierung war über das Urteil sichtlich verärgert. Präsident Enrique Peña Nieto schrieb über den Kurznachrichtendienst Twitter, dass er die Entscheidung respektiere, aber inhaltlich nicht teile. Gesundheitsministerin Mercedes Juan López ging noch einen Schritt weiter. Sie verwies darauf, dass die Entscheidung der Corte Suprema allein für den vorliegenden Fall gelte. „Aus unserer Sicht bedeutet dies definitiv nicht die Legalisierung von Marihuana.“

Cannabis-Gesetze weltweit

Damit sich die Entscheidung in ein alle Gerichte verpflichtendes Präjudiz wandelt, braucht es noch weiterer vier gleichgelagerter Entscheidungen. Dies dürfte nur eine Frage der Zeit sein. „Der erste Nagel in den Sarg der Prohibitionspolitik ist eingeschlagen“, sagte Anwalt Torres Landa.

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