Michael Flynn: Die Schlinge zieht sich zu Vom Sicherheitsberater zum Risikofaktor

Die Russland-Affäre bringt das Weiße Haus immer stärker in Bedrängnis. Trumps früherer Sicherheitsberater Michael Flynn bietet den Ermittlern einen Deal an: Aussage gegen Immunität.

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General im Ruhestand Michael Flynn auf dem republikanischen Parteitag in 2016. Der mittlerweile von Trump gefeuerte Sicherheitsberater „hat eine Geschichte zu erzählen, und er würde sie gerne erzählen, sollten es die Umstände zulassen

Könnte er zum Kronzeugen in der Russland-Affäre werden? Michael Flynn, der zurückgetretene Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, hat den Untersuchungsausschüssen in Senat und Abgeordnetenhaus eine umfassende Aussage angeboten – unter der Bedingung, dass ihm Immunität gewährt wird. Das Wall Street Journal berichtet, dass Flynn auch dem FBI eine Kooperationsofferte unterbreitet habe. Das Weiße Haus gerät dadurch noch stärker unter Druck.

„General Flynn hat eine Geschichte zu erzählen, und er würde sie gerne erzählen, sollten es die Umstände zulassen", erklärte Flynns Anwalt Robert Kelner in einem Statement. Zugleich trat Kelner dem Eindruck entgegen, das Angebot könnte ein implizites Schuldeingeständnis seines Mandanten sei. General Flynn sähe sich mit „unbegründeten Anschuldigungen“ und „empörenden Verratsvorwürfen“ konfrontiert.

Interessanterweise hat Flynn selbst allerdings noch vor einem halben Jahr öffentlich eine ganz andere Meinung zum Thema Immunität vertreten. Im September sagte er in einem Interview bei dem TV-Sender NBC, dass man wahrscheinlich eine Straftat begangen habe, wenn man Schutz vor Strafverfolgung ersuche. Damals ging es um die Email-Affäre der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Auch Trump vertrat im Wahlkampf eine klare Meinung: „Wenn man keine Straftat begannen hat, warum braucht man dann Immunität?“, tönte er. Die Demokraten hoffen jetzt, dass Flynn Verwicklungen der Trump-Kampagne in die Cyberangriffe auf die Präsidentschaftswahlen, die Amerikas Geheimdienste nach Russland zurückverfolgt haben wollen, aufdecken kann

Die US-Justiz geht dem Verdacht nach, dass Trump-Vertraute mit russischen Hackern in Kontakt standen und womöglich sogar bei den Versuchen, die Wahlkampagne der Demokratin Hillary Clinton zu sabotieren, behilflich waren. Wie FBI-Direktor James Comey vergangene Woche bestätigte, laufen die Ermittlungen in der Abteilung für Spionageabwehr. Auch die Geheimdienstausschüsse von Senat und Abgeordnetenhaus untersuchen die Vorgänge. Es ist unklar, ob sich die Ermittler auf Flynns Angebot einlassen. Vieles hängt davon ab, welche Informationen er preisgeben kann.

Flynn zählte während des Wahlkampfs zu Trumps frühesten und wichtigsten Unterstützern. Als Nationaler Sicherheitsberater konnte er sich jedoch nur 24 Tage halten. Berichte, dass er Vizepräsident Mike Pence über seine Telefonate mit dem russischen Botschafter in Washington getäuscht hatte, zwangen ihm zum Rücktritt. Neben Flynn stehen Trumps früherer Wahlkampfberater Paul Manafort und die Berater Carter Page und Roger Stone im Fokus der Ermittler. Comey hat nicht ausgeschlossen, dass sich die Ermittlungen auch gegen Trump selbst richten.

Das Weiße Haus versucht seit Wochen, die Affäre herunterzuspielen. Den Verdacht einer Zusammenarbeit mit Moskau weist Trump-Regierung scharf zurück. Am Freitag meldete sich der Präsident selbst zur Wort. Er sprach von „Hexenjagd von historischer Dimension“, Flynn sei daher gut beraten, Immunität zu beantragen. Trump sieht die Aufklärungsbemühungen als Versuch der Demokraten, von ihrer Wahlniederlage abzulenken. Den Medien wirft er vor, mit Falschmeldungen seine Legitimität infrage zustellen.

Die Russland-Affäre hat sich zu einer schweren Belastung für das Weiße Haus entwickelt. Trumps Umfragewerte sind auf einen Tiefstand abgesackt, noch nie hat sich ein Präsident so schnell so unbeliebt gemacht wie er. Man würde daher glauben, dass auch die Regierung ein Interesse daran hätte, den Verdacht so schnell wie möglich auszuräumen. Doch ist davon nichts zu spüren.

Auch darum setzen sich erste Republikaner von der Regierung ab, zumindest im Senat. Bislang hat der Geheimdienstausschuss des Oberhauses 20 Personen gebeten, zur russischen Einflussnahme auf die US-Wahl und zu den mutmaßlichen Trump-Russland-Verbindungen auszusagen. Der republikanische Vorsitzende und sein demokratischer Stellvertreter versichern, Hand in Hand zu arbeiten.

Weniger erfolgreich laufen die Ermittlungen im Abgeordnetenhaus. Die Arbeit des dortigen Geheimdienstausschusses ist zum Stillstand gekommen. Grund dafür sind Alleingänge des Vorsitzenden des Ausschusses, dem Republikaner Devin Nunes. Die Demokraten werfen Nunes vor, die Aufklärung bewusst zu verzögern und sich als Lakai des Weißen Hauses zu betätigen.

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