Midterm-Wahlen in den USA Die republikanische Hochburg Texas wackelt

Seite 2/2

Das Thema Wirtschaft

In der nächsten dreiviertel Stunde spricht O’Rourke über viele Dinge – über Gesundheitspolitik, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, über Einwanderung, die Versorgung von Veteranen, den Klimawandel und Minderheitenrechte. Das Thema Wirtschaft jedoch streift er nur. Seine Zuhörer stört es nicht. „Ich wähle ihn, damit meine Töchter die gleichen Rechte wie Männer haben“, sagt Scott West, ein älterer Herr mit weißen Haaren und blauem Businesshemd. Und die Wirtschaft? Er zuckt mit den Schultern. „Ist mir derzeit nicht so wichtig“, sagt er.

Ray Robertson ist von dieser Entwicklung nicht überrascht. Er sitzt in seinem Büro in der Bush School of Government and Public Service in College Station, einer Universitätsstadt rund zwei Autostunden von Houston entfernt. Auf seinem Monitor hat Robertson eine Grafik aufgerufen – die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den USA.

Für die vergangenen Jahren weist die Kurve scharf nach unten. So weit, dass Amtsinhaber von diesem Trend weniger profitieren, glaubt Robertson. „Die Menschen machen sich keine Sorgen mehr um die Wirtschaft“, sagt er – ein Befund, der sich auch in Umfragen der großen Meinungsforschungsinstitute widerspiegelt. Stattdessen wandere die Aufmerksamkeit der Wählerinnen und Wähler zu anderen Themen. Und diejenigen, die am Aufschwung nicht teilhaben, seien in einer Zwischenwahl sowieso schwer an die Urne zu bekommen.



Einem Herausforderer wie O’Rourke eröffnet diese Gemengelage die Möglichkeit, mit einer progressiven Agenda im strukturell konservativen Süden der USA durchzudringen. Ein Grund dafür ist allerdings auch sein Gegenkandidat Cruz. „Er ist nicht sonderlich beliebt“, erklärt Robertson. Es ist zudem kein Geheimnis, dass er lieber Präsident wäre. Im Vorwahlkampf um die republikanische Nominierung 2016 lieferte er sich einen langen Abnutzungskampf mit Donald Trump, der zeitweise höchst persönlich wurde. Trump nannte Cruz’ Frau hässlich und insinuierte, der Vater des Senators habe etwas mit dem Attentat auf John F. Kennedy in Dallas zu tun gehabt. Cruz wiederum nannte den späteren Präsidenten einen „Feigling“ und „pathologischen Lügner“.

Angesichts der Gefahr durch O’Rourke haben sich die beiden ehemaligen Kontrahenten mittlerweile zusammengerauft. Zu groß sah zeitweise die Gefahr aus, die Republikaner könnten nach Alabama im vergangenen Jahr ausgerechnet in Texas einen weiteren Senatssitz verlieren. Trump reiste deshalb in der vergangenen Woche nach Houston, um für Cruz Wahlkampf zu machen. Das half. In Umfragen liegt der Amtsinhaber derzeit wieder vorne.

Sicher ist seine Wiederwahl trotzdem nicht. „O’Rourke führt bislang einen fehlerfreien Wahlkampf. Das kann den Ausschlag geben“, sagt Robertson. Die Kampagne erinnere ihn an George W. Bush.

Dieser habe 1994, als Texas noch fest in der Hand der Demokraten war, scheinbar aussichtslos gegen die damalige höchst beliebte Gouverneurin Ann Richards kandidiert und für viele Beobachter völlig überraschend gewonnen. Damals begann die fast vollständige Transformation von Texas zur republikanischen Bastion. Ob sie stehen bleibt, wird der kommende Dienstag zeigen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%