Midterm-Wahlen in den USA Die republikanische Hochburg Texas wackelt

Anhänger von Beto O´Rourke Quelle: imago images

Vor den Midterms müssen die Republikaner auch in einer ihrer Hochburgen zittern. Die guten Wirtschaftszahlen allein reichen nicht mehr, um die Wähler an die „Grand Old Party“ zu binden.

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Über den Regen sind sie immer noch ein bisschen traurig. „Eigentlich wollten wir draußen ein paar Tische aufstellen, um die Leute in Empfang zu nehmen“, sagt eine Frau mit Clipboard und schwarzem Headset auf dem Kopf. Doch dann zog ein heftiger Schauer über den Parkplatz vor der Berry Arena in Cypress, direkt vor den Toren von Houston hinweg.

Schnell räumte ein Team von Freiwilligen in „Vote for Beto“-T-Shirts alles Equipment in den Vorraum der riesigen Veranstaltungshalle. Statt unter texanischem Himmel sollen die Anhänger nun im Innenraum in Empfang genommen werden.

Drinnen wird es schnell eng. Eine knappe Stunde vor Beginn der Veranstaltung schieben sich bereits hunderte Zuschauer die schmalen Rolltreppen der Arena hinauf. Sie sind gekommen, um einen Politiker sprechen zu hören, der seit Monaten die Wählerinnen und Wähler in Texas begeistert.

Beto O’Rourke ist jung, eloquent, sieht gut aus und hält mitreißende Reden über Zusammenhalt und die Bedeutung texanischer Werte. Manche vergleichen ihn schon mit den Kennedys oder Barack Obama. Sein Problem: Er ist Demokrat.

Texas, das ist das Herzstück der republikanischen Koalition. Zwar holte die Partei zuletzt in anderen US-Bundesstaaten eindrucksvollere Siege, trotzdem nimmt der Lone Star State für die Republikaner eine besondere Bedeutung ein. Mehr noch als die Wahlergebnisse ist die politische Kultur tief rot eingefärbt. Texas steht für ausgeprägte Staatsskepsis, freies Unternehmertum, lockere Waffengesetze und Gottesfurcht.

Der Staat ist damit gut gefahren. Schon bevor der Wirtschaftsaufschwung die gesamten USA ergriff, ging es Texas sehr gut. Die Arbeitslosigkeit ist seit Jahren niedrig, wie Wachstumszahlen hoch. Die Wähler dankten es der „Grand Old Party“. Die Demokraten haben hier seit fast 25 Jahren auf gesamtstaatlicher Ebene keine Wahl mehr gewonnen, dafür entwickelte sich Texas mehr und mehr zum Vorbild für Konservative im ganzen Land. Die letzten beiden republikanischen US-Präsidenten hatten hier ihre Basis.

Angesichts dieser Gemengelage hat O’Rourke in Texas eigentlich nichts verloren. Trotzdem ist es ihm gelungen, der siechenden demokratischen Partei einen enormen Begeisterungsschub zu verpassen. Seit Monaten tourt er durch den Staat, besuchte nicht nur die liberalen Bastionen in Großstädten wie Austin oder El Paso, sondern machte in jedem der 254 Counties stopp, um mit Wählerinnen und Wählern ins Gespräch zu kommen. Gleichzeitig sammelte er eine enorme Summe an Spendengeldern ein. Allein im vergangenen Quartal waren es mehr als 36 Millionen Dollar, teilt seine Wahlkampagne mit – eine astronomisch hohe Zahl für ein Senatsrennen, zumal O’Rourke auf Zuwendungen von Interessengruppen verzichtet.

Beto O´Rourke Quelle: imago images

Favorit ist O’Rourke trotzdem nicht. Sein Gegenkandidat, Senator Ted Cruz, hat viele Vorteile auf seiner Seite – vor allem organisatorisch. Trotzdem wird O’Rourkes Wahlkampf nicht nur in Texas höchst aufmerksam verfolgt.

Der Applaus will gar nicht mehr enden, als der Kandidat in Cypress die Bühne betritt. „Ihr seht großartig aus“, ruft er in die Menge. „Ihr seht nach Sieg aus.“ Dann beginnt er seine Rede.

Das Thema Wirtschaft

In der nächsten dreiviertel Stunde spricht O’Rourke über viele Dinge – über Gesundheitspolitik, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, über Einwanderung, die Versorgung von Veteranen, den Klimawandel und Minderheitenrechte. Das Thema Wirtschaft jedoch streift er nur. Seine Zuhörer stört es nicht. „Ich wähle ihn, damit meine Töchter die gleichen Rechte wie Männer haben“, sagt Scott West, ein älterer Herr mit weißen Haaren und blauem Businesshemd. Und die Wirtschaft? Er zuckt mit den Schultern. „Ist mir derzeit nicht so wichtig“, sagt er.

Ray Robertson ist von dieser Entwicklung nicht überrascht. Er sitzt in seinem Büro in der Bush School of Government and Public Service in College Station, einer Universitätsstadt rund zwei Autostunden von Houston entfernt. Auf seinem Monitor hat Robertson eine Grafik aufgerufen – die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den USA.

Für die vergangenen Jahren weist die Kurve scharf nach unten. So weit, dass Amtsinhaber von diesem Trend weniger profitieren, glaubt Robertson. „Die Menschen machen sich keine Sorgen mehr um die Wirtschaft“, sagt er – ein Befund, der sich auch in Umfragen der großen Meinungsforschungsinstitute widerspiegelt. Stattdessen wandere die Aufmerksamkeit der Wählerinnen und Wähler zu anderen Themen. Und diejenigen, die am Aufschwung nicht teilhaben, seien in einer Zwischenwahl sowieso schwer an die Urne zu bekommen.



Einem Herausforderer wie O’Rourke eröffnet diese Gemengelage die Möglichkeit, mit einer progressiven Agenda im strukturell konservativen Süden der USA durchzudringen. Ein Grund dafür ist allerdings auch sein Gegenkandidat Cruz. „Er ist nicht sonderlich beliebt“, erklärt Robertson. Es ist zudem kein Geheimnis, dass er lieber Präsident wäre. Im Vorwahlkampf um die republikanische Nominierung 2016 lieferte er sich einen langen Abnutzungskampf mit Donald Trump, der zeitweise höchst persönlich wurde. Trump nannte Cruz’ Frau hässlich und insinuierte, der Vater des Senators habe etwas mit dem Attentat auf John F. Kennedy in Dallas zu tun gehabt. Cruz wiederum nannte den späteren Präsidenten einen „Feigling“ und „pathologischen Lügner“.

Angesichts der Gefahr durch O’Rourke haben sich die beiden ehemaligen Kontrahenten mittlerweile zusammengerauft. Zu groß sah zeitweise die Gefahr aus, die Republikaner könnten nach Alabama im vergangenen Jahr ausgerechnet in Texas einen weiteren Senatssitz verlieren. Trump reiste deshalb in der vergangenen Woche nach Houston, um für Cruz Wahlkampf zu machen. Das half. In Umfragen liegt der Amtsinhaber derzeit wieder vorne.

Sicher ist seine Wiederwahl trotzdem nicht. „O’Rourke führt bislang einen fehlerfreien Wahlkampf. Das kann den Ausschlag geben“, sagt Robertson. Die Kampagne erinnere ihn an George W. Bush.

Dieser habe 1994, als Texas noch fest in der Hand der Demokraten war, scheinbar aussichtslos gegen die damalige höchst beliebte Gouverneurin Ann Richards kandidiert und für viele Beobachter völlig überraschend gewonnen. Damals begann die fast vollständige Transformation von Texas zur republikanischen Bastion. Ob sie stehen bleibt, wird der kommende Dienstag zeigen.

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