
Moskau/Kabul Russland hat sich für den vollständigen Abzug internationaler Truppen aus dem kriegszerrissenen Afghanistan ausgesprochen. „Der Konflikt kann nicht auf militärischem Weg gelöst werden“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einem Festakt zum 100-jährigen Bestehen der russisch-afghanischen Beziehungen in Moskau.
Um Frieden zu erreichen, sollten alle politischen Kräfte in dem Land zusammenarbeiten, sagte er. Moskau hat eine besondere Beziehung zu Afghanistan, weil es selbst dort zu Sowjetzeiten rund zehn Jahre Krieg geführt hatte.
Zu dem Festakt waren neben afghanischen Politikern auch ranghohe Mitglieder der radikalislamischen Taliban nach Russland gereist. Erstmals zeigte sich Vize-Talibanchef Mullah Abdul Ghani Baradar öffentlich. Die Taliban wollten Frieden, sagte er in einer kurzen Ansprache. Zuerst müssten aber die Hindernisse für den Frieden beseitigt werden. „Die Besatzung Afghanistans muss aufhören.“
Auch Afghanistans Ex-Präsident Hamid Karsai nahm an der Veranstaltung teil. Vonseiten der afghanischen Regierung war der afghanische Botschafter in Moskau anwesend. Lawrow führte nach Angaben seines Ministeriums am Rande des Treffens ein kurzes Gespräch mit der Taliban-Delegation.
Für Mittwoch sind einer Mitteilung der Taliban zufolge innerafghanische Gespräche über die Zukunft des Landes geplant. Die 14 angereisten Taliban wollten dabei mit mehreren Politikern aus Afghanistan reden. Sie gehören fast ausschließlich der Opposition an.
Kämpfe dauern an
Bisher weigern sich die Islamisten, direkte Gespräche über Frieden mit der Regierung in Kabul aufzunehmen. Nach Angaben des Außenministeriums wird der afghanische Botschafter teilnehmen, sollten die Gespräche am Mittwoch wirklich stattfinden.
In Moskau fanden in den vergangenen Monaten mehrmals Konferenzen zu Afghanistan statt, zuletzt im Februar, allerdings ohne konkrete Ergebnisse. Seit Sommer vergangenen Jahres sprechen die Taliban mit den USA über eine Lösung des mehr als 17 Jahre andauernden Konflikts. Diese sollen zu Direktgesprächen Kabuls mit den Taliban führen.
Das Ziel der Taliban, der größten Aufständischen-Gruppe im Land, ist es, Afghanistan zu beherrschen. Sie waren in dem Land von 1996 bis 2001 an der Macht. Eine von den USA angeführte internationale Militärintervention hatte die Taliban nach den Al-Kaida-Angriffen vom 11. September 2001 zunächst niedergeschlagen.
Die Taliban hatten Al-Kaida-Chef Osama bin Laden beherbergt. Vor allem seit dem Abzug der internationalen Kampftruppen im Jahr 2014 haben die Extremisten wieder rasant an Stärke gewonnen.
Ungeachtet der Bemühungen um eine politische Lösung dauern die Kämpfe an. Bei Gefechten in mehreren Provinzen sind in den vergangenen 48 Stunden nach Behördenangaben vom Dienstag in mehreren Provinzen mehr als 40 Sicherheitskräfte getötet und Dutzende verwundet worden. In Kabul wurden mindestens zehn Menschen verletzt, als ein an einem Bus angebrachter Sprengsatz detonierte. Im Bus befanden sich Ministeriums-Mitarbeiter.
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