Franzosen können Pathos. Die geballte Macht von 60 Militärflugzeugen, dröhnenden Panzern, marschierenden Soldaten und ganz am Ende, nach der Marschmusik, die so gar nicht martialischen Klänge der provenzalischen Hymne „Nissa la bella“, zur Erinnerung an Nizza, wo ein irrer Terrorist vor einem Jahr 86 Menschen ermordete: Das ließ auch US-Präsident Donald Trump nicht ungerührt. Sichtlich beeindruckt stand er neben Staatspräsident Emmanuel Macron auf der Ehrentribüne am Anfang der Champs Elysées.
Macron hat in zwei Tagen so ungefähr alles aufgefahren, was die Republik an großen Symbolen zu bieten hat, um Trump emotional zu bewegen. Er weiß, dass der für Inszenierungen empfänglicher ist als für Argumente. Napoleons Grab im Invalidendom, der Festsaal des Elysée-Palastes, so golden wie der Trump-Tower, ein Dinner auf dem Eiffelturm und dann Ehrengast bei der Militärparade zum Nationalfeiertag, über der zur Eröffnung erst die „Patrouille de France“ die Trikolore an den strahlend blauen Himmel malte und dann vier französische Rafales, flankiert von zwei amerikanischen F-35 hinwegdonnerten: Das beeindruckt auch protzgewohnte Milliardäre.
Nur mit der Militärkapelle, die ein Medley der französischen Gruppe Daft Punk spielte, konnte Trump überhaupt nichts anfangen, während Macrons ernste Miene sich deutlich aufhellte und er sich sogar leicht im Rhythmus bewegte.
Emmanuel Macron hat sich bemüht, weil er Donald Trump politisch motivieren will: zu einer kooperativeren Außenpolitik und zu einer Öffnung hin zum Klimaschutz. Emotional hat er ihn erreicht, Macron ist ein geborener Charmeur und Verführer. Trump wollte beim Abschied Macrons Hand gar nicht mehr los lassen, zerrte so heftig an ihr, dass Macron einmal ins Stolpern geriet.
Ob das alles aber politisch etwas bewirkt? Auf der gemeinsamen Pressekonferenz am Vorabend ließ Trump noch keinerlei Flexibilität erkennen, brummelte einen seiner typischen amorphen Sätze heraus: „Vielleicht tut sich etwas beim Pariser (Klimaschutz-) Abkommen, das wäre wundervoll, wie werden sehen, vielleicht tut sich auch nichts, das wäre auch ok.“ Kompromissbereitschaft hört sich anders an.
In Frankreich kamen Macrons Bemühungen um Trumps Gunst nicht gut an. Die meisten Franzosen können Trump nicht ausstehen. Sie lehnen die Einladung und den Aufwand für den US-Präsidenten ab. Macron musste sich sogar dafür rechtfertigen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz und in seiner Rede nach der Parade vermied er es, eine enge Beziehung zu Trump erkennen zu lassen, verwies lieber auf die Geschichte: „Wir haben enge Verbündete, Freunde gefunden, dazu gehören die USA“ und „Wir erinnern uns an den 100. Jahrestag des Kriegseintritts der USA an der Seite Frankreichs“ sowie „nichts wird uns jemals trennen“, versicherte Macron am Freitag.
Franzosen können Trump nicht ausstehen
Schon am Tag zuvor hatte er gesagt: „Es geht hier um Dinge, die größer sind als wir, die über uns als Personen hinweggehen“, denn „vor hundert Jahren haben die USA und Frankreich gemeinsam für die Freiheit gekämpft“. Eine Erinnerung daran, dass 1917 die französische Front an der Marne kurz davor stand, von den deutschen Truppen eingedrückt zu werden, dann wäre Paris gefallen. Die Amerikaner führten die Wende herbei. Ob allerdings die französischen Generäle, die ihre Soldaten genauso gnadenlos in den Tod trieben wie die deutschen, Vorkämpfer der Freiheit waren, das darf man getrost bezweifeln.
Der Nationalfeiertag war auch ein Trauertag. Am Nachmittag flog Macron nach Nizza, wo auch einige Alt-Präsidenten zur Trauerfeier erwartet wurden. Mohamed Lahouaiej-Bouhlel hat mit einem Lastwagen auf der Promenade 86 Menschen getötet. Auch nach einem Jahr ist das Grauen noch präsent: Zahleiche Menschen sind immer noch in Rehabilitation, um wieder Laufen zu lernen; Polizisten, Helfer, Sanitäter, Verletzte sind in psychologischer Behandlung; die Verwandten können die Opfer nicht vergessen, weil immer noch nicht geklärt ist, warum der Anschlag nicht verhindert wurde. Unverhältnismäßig viele Muslime wurden Opfer des psychisch gestörten Attentäters, doch fast täglich müssen ihre Angehörigen sich Beschimpfungen als angebliche Terroristen-Freunde anhören.
Auf den Champs-Elysées verteilten Soldaten 3000 weiße Rosen zur Erinnerung an die Opfer von Nizza. Ein sympathischer, aber auch hilfloser Versuch, das Unfassbare irgendwie zu verarbeiten.