Milliardäre in Russland Die ungewöhnliche Spendierlaune der Oligarchen

Spenden statt vererben: Immer mehr russische Oligarchen wollen ihr Vermögen nach dem Tod verschenken. Ihre Kinder gehen folglich leer aus. Die Motive allerdings sind insgesamt zweifelhaft.

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Russische Rubel-Banknoten Quelle: dpa

Der zweitreichste Mann Russlands verschenkt sein Erbe: Oligarch Michail Fridman, laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ mit einem Vermögen von 13,3 Milliarden Dollar in seinem Besitz, spendet einen Großteil seines Geldes nach seinem Tod für wohltätige Zwecke – und hinterlässt es eben nicht seinen Erben. Die vier Kinder des – offiziell unverheirateten – 52-jährigen Bankiers drohen damit leer auszugehen.

„Das Schlimmste, was ich meinen Kindern antun könnte, wäre, ihnen eine große Summe Geld zu hinterlassen“, erklärte Fridman. „Einem Kind oder Jugendlichen solides Kapital zu überlassen, birgt das große Risiko in sich, ihm das Leben zu zerstören.“ Er hoffe, so Friedman, dass seine Kinder selbst Karriere machten – und somit nicht auf das Milliarden-Erbe angewiesen sind.

Das gleiche Schicksal erwartet möglicherweise auch Alexis Kusmitschow, der kürzlich noch mit 8,5 Milliarden Dollar potenzieller Hinterlassenschaft als viertreichster Erbe Russlands galt. Der Siebenjährige ist der einzige Sohn von Milliardär Alexej Kusmitschow, der zusammen mit Fridman und dem vierfachen Vater German Chan (Vermögen: 8,7 Milliarden Dollar) den Industrie- und Finanzkonzern Alfa-Group kontrolliert. Fridman zumindest erklärte, seine Geschäftspartner würden seinem Beispiel folgen wollen – Kusmitschow und Chan hingegen haben sich dazu noch nicht geäußert.

Ähnliche Pläne hat Alexander Mamut: Der Bankier und Besitzer des Medienportals Rambler will seinen Kindern ebenfalls nur einen Bruchteil seines Kapitals hinterlassen – eine Summe von 2,4 Milliarden Euro. „Das Verbraten von Papas Hab und Gut kann wohl kaum ein würdiger Lebensinhalt sein“, sagte Mamut.

Er selbst wolle sein Vermögen an Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen und „Stiftungen, die zum Wohle des Landes arbeiten“, übergeben – genauere Angaben machte er nicht. In jedem Fall erhält die philanthropische Kampagne „Giving Pledge“ weiter Zulauf: Die von Bill Gates und Warren Buffett ins Leben gerufene Initiative soll Wohlhabende davon überzeugen, ihr Vermögen für das Gemeinwohl zu spenden. Bislang hatte in Moskau nur Buntmetall-Oligarch Wladimir Potanin die Initiative unterstützt – er hatte schon vor sechs Jahren versprochen, sein Kapital an einen Trust zu übergeben.


Spenden als Absicherung


Unklar bleibt, ob die Sorge um die charakterliche Entwicklung der Kinder wirklich das einzige Motiv dieser angekündigten Schenkungen ist. Die beschriebenen Fallbeispiele gehören zu den Oligarchen der ersten Stunde, die ihr Vermögen in den wilden 1990er-Jahren – oft auf dubiose Art, etwa durch umstrittene Auktionen – verdient haben. Die oft verhassten Oligarchen holen sich Rückendeckung in der Öffentlichkeit: Bei einer eventuellen Enteignung würde der Kreml nämlich Bedürftige schwächen, die vom Reichtum der Oligarchen profitieren sollten.

Es ist eine allgemeine Tendenz: Denn überhaupt haben öffentlichkeitswirksame und möglichst patriotische Spendenaktionen der Milliardäre deutlich zugenommen. Der Wahlschweizer Viktor Wechselberg etwa kaufte im Jahr 2004 Dutzende Fabergé-Eier – Schmuckgegenstände in der Form eines Ostereis – für über 100 Millionen Dollar aus dem Ausland zurück, um sie in Russland auszustellen. Multi-Milliardär Alischer Usmanow übergab 2007 die ebenfalls just für über 100 Millionen Dollar erstandene Rostropowitsch-Wischnjewskaja-Kunstsammlung an die russische Regierung.

Andere Oligarchen haben sich dem Aufbau des Sports verschrieben: Michail Prochorow finanzierte jahrelang als Chef des Biathlonverbands die medaillenträchtige Wintersportart, Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch den bislang erfolgreichsten Trainer der russischen Fußball-Nationalmannschaft Guus Hiddink. Allerdings: Bei der Auszahlung des deutlich erfolgloseren Fabio Capello musste Usmanow das Portmonee öffnen. Unternehmer Oleg Deripaska und Potanin beteiligten sich den Winterspielen in Sotschi – Putins Prestigeprojekt. Den größten Stein im Brett des Präsidenten haben aber sicher die Brüder Boris und Arkadi Rotenberg sowie Ölhandel-Oligarch Gennadi Timtschenko mit der Judo-Förderung in St. Petersburg.

Timtschenko scheint sogar bereit, sich von seinem gesamten Vermögen zu trennen – möglicherweise noch weit vor seinem Tod: „Ich kann klar und bestimmt sagen: Wenn nötig, übergebe ich morgen alles dem Staat“, erklärte er im Sommer 2014, kurz nachdem der Westen ihn als mutmaßlichen Vertrauten von Wladimir Putin auf die Sanktionsliste gesetzt hatten. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich, solange er weiter nationale Projekte finanziert und mit Putin befreundet ist.

Dass Wohltätigkeit allein keine ausreichende Versicherung gegen den Bankrott ist zeigt das Beispiel Michail Chodorkowski. Der inzwischen mit einem internationalen Haftbefehl gesuchte Unternehmer galt durch den Aufbau eines Lyzeums für Waisenkinder als einer der ersten Oligarchen in Russland, der sich neben dem Geschäft auch wohltätigen Projekten zuwandte. Der Erdölkonzern wurde durch Milliardenforderungen der Steuerbehörde in den Bankrott getrieben.

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