Milliardäre in Russland Die ungewöhnliche Spendierlaune der Oligarchen

Seite 2/2

Spenden als Absicherung


Unklar bleibt, ob die Sorge um die charakterliche Entwicklung der Kinder wirklich das einzige Motiv dieser angekündigten Schenkungen ist. Die beschriebenen Fallbeispiele gehören zu den Oligarchen der ersten Stunde, die ihr Vermögen in den wilden 1990er-Jahren – oft auf dubiose Art, etwa durch umstrittene Auktionen – verdient haben. Die oft verhassten Oligarchen holen sich Rückendeckung in der Öffentlichkeit: Bei einer eventuellen Enteignung würde der Kreml nämlich Bedürftige schwächen, die vom Reichtum der Oligarchen profitieren sollten.

Es ist eine allgemeine Tendenz: Denn überhaupt haben öffentlichkeitswirksame und möglichst patriotische Spendenaktionen der Milliardäre deutlich zugenommen. Der Wahlschweizer Viktor Wechselberg etwa kaufte im Jahr 2004 Dutzende Fabergé-Eier – Schmuckgegenstände in der Form eines Ostereis – für über 100 Millionen Dollar aus dem Ausland zurück, um sie in Russland auszustellen. Multi-Milliardär Alischer Usmanow übergab 2007 die ebenfalls just für über 100 Millionen Dollar erstandene Rostropowitsch-Wischnjewskaja-Kunstsammlung an die russische Regierung.

Andere Oligarchen haben sich dem Aufbau des Sports verschrieben: Michail Prochorow finanzierte jahrelang als Chef des Biathlonverbands die medaillenträchtige Wintersportart, Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch den bislang erfolgreichsten Trainer der russischen Fußball-Nationalmannschaft Guus Hiddink. Allerdings: Bei der Auszahlung des deutlich erfolgloseren Fabio Capello musste Usmanow das Portmonee öffnen. Unternehmer Oleg Deripaska und Potanin beteiligten sich den Winterspielen in Sotschi – Putins Prestigeprojekt. Den größten Stein im Brett des Präsidenten haben aber sicher die Brüder Boris und Arkadi Rotenberg sowie Ölhandel-Oligarch Gennadi Timtschenko mit der Judo-Förderung in St. Petersburg.

Timtschenko scheint sogar bereit, sich von seinem gesamten Vermögen zu trennen – möglicherweise noch weit vor seinem Tod: „Ich kann klar und bestimmt sagen: Wenn nötig, übergebe ich morgen alles dem Staat“, erklärte er im Sommer 2014, kurz nachdem der Westen ihn als mutmaßlichen Vertrauten von Wladimir Putin auf die Sanktionsliste gesetzt hatten. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich, solange er weiter nationale Projekte finanziert und mit Putin befreundet ist.

Dass Wohltätigkeit allein keine ausreichende Versicherung gegen den Bankrott ist zeigt das Beispiel Michail Chodorkowski. Der inzwischen mit einem internationalen Haftbefehl gesuchte Unternehmer galt durch den Aufbau eines Lyzeums für Waisenkinder als einer der ersten Oligarchen in Russland, der sich neben dem Geschäft auch wohltätigen Projekten zuwandte. Der Erdölkonzern wurde durch Milliardenforderungen der Steuerbehörde in den Bankrott getrieben.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%