Milliarden für die EU Die Brexit-Rechnung bleibt vage

Die Drohungen aus London blieben leer: Britische Politiker wollten der EU „keinen Penny“ zahlen. Nun muss May auf alle finanziellen Forderungen aus Brüssel eingehen. Doch die EU will noch keine konkrete Summe nennen.

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Die Brexit-Rechnung bleibt vage Quelle: dpa

Brüssel Der Streit ums Geld hat die Brexit-Verhandlungen über viele Monate blockiert. Nach dem Referendum im Juni 2016 wollten die Briten zunächst gar nicht einsehen, dass sie als EU-Mitglied finanzielle Verpflichtungen eingegangen sind. Man schulde der EU „keinen Penny“, hieß es damals aus London. Von dieser britischen Ausgangsposition ist inzwischen nichts mehr übrig geblieben. Premierministerin Theresa May ging voll und ganz auf die finanziellen Forderungen der EU ein.

Im dem am Freitag vorgelegten gemeinsamen Bericht der Brexit-Unterhändler Michel Barnier und David Davis sind die finanziellen Modalitäten der bevorstehenden Scheidung detailliert aufgelistet. Eine Zahl sucht man dort allerdings vergeblich. „Ich habe bisher keine Zahl genannt, und werde auch jetzt nicht damit anfangen“, sagte EU-Chefunterhändler Barnier am Freitag. Immerhin gab er einen Hinweis: In den Medien kursierende Summen könnten durchaus „realistisch“ sein. In der britischen Presse war zuletzt immer wieder von einer britischen Gesamtschuld von 50 Milliarden Pfund die Rede, was rund 55 Milliarden Euro entspricht.

„Praktische Aspekte“, wie die genaue Höhe der Abschlussrechnung und Zahlungstermine würden zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt, heißt es in dem gemeinsamen Bericht von Barnier und Davis. Geschehen muss das spätestens bis Oktober 2018. Spätestens dann muss der fertige Scheidungsvertrag unterschrieben werden, damit er bis noch rechtzeitig vor dem britischen EU-Austritt am 29. März 2019 von den Parlamenten aller beteiligten 28 Staaten ratifiziert werden kann. In dem Vertrag müssen Summen und Zahlungstermine genau geregelt sein.

In dem jetzt vorliegenden 15 Seiten starken Brexit-Bericht von Davis und Barnier hat sich Großbritannien verpflichtet, bis zum Ende der laufenden siebenjährigen Finanzperiode weiter normal in den EU-Haushalt einzuzahlen. Das bedeutet, dass London bis Ende 2020 noch rund 20 Milliarden Euro an den EU-Haushalt abführt. Das Vereinigte Königreich verpflichtet sich in dem Papier außerdem dazu, seinen Anteil an allen aus der laufenden Finanzperiode verbleibenden Restschulden (Fachterminus: Reste à liquider) nach 2020 zu begleichen.

Dabei handelt es sich um bereits zugesagte, aber noch nicht ausgezahlte EU-Finanzierungen für langfristige Projekte, etwa in den Bereichen Forschung oder Infrastruktur. Das britisch-europäische Papier sieht zudem vor, dass Großbritannien seinen Anteil an dem milliardenschweren Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei unabhängig vom Brexit auf jeden Fall bezahlt. Dasselbe gilt für den britischen Anteil am EU-Flüchtlingsfonds für Afrika.

In dem gemeinsamen Papier geregelt ist auch der Ausstieg der Briten aus der Europäischen Investitionsbank und aus dem Stammkapital der Europäischen Zentralbank. Das EZB-Direktorium werde die Modalitäten für die Rückzahlung des britischen Anteils am EZB-Kapital selbst festlegen, heißt es in dem Papier. Die EIB werde den Briten ihr cash eingezahltes Kapital ab 2020 in zwölf Jahresraten zurückzahlen. Zugleich verpflichten sich die Briten dazu, für alle von der EIB vor dem Tag des Brexits vergebenen Kredite anteilmäßig zu haften, bis sie zurückgezahlt sind.

Nach Angaben von EIB-Chef Hoyer bleibt Großbritannien damit bis 2054 bei der EIB in der Haftung. Nach dem EU-Austritt können die Briten kein Anteilseigner der EIB mehr sein, wollen aber trotzdem weiter mit der EU-Hausbank zusammenarbeiten. Das haben sie ausdrücklich erklärt in dem gemeinsamen Bericht von Davis und Barnier.

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