Milliardengewinne in der Fracht-Schifffahrt Die EU und das Monopolgebaren der Reeder-Allianzen

Quelle: imago images

Unternehmen wie Hapag Lloyd profitieren bisher von Ausnahmen vom EU-Wettbewerbsrecht. Die USA nehmen die Branche bereits härter heran, um die Inflation zu bekämpfen.

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Von solchen Margen können andere Unternehmen nur träumen. Die Reederei Hapag Lloyd erreichte im ersten Halbjahr 2022 eine Gewinnspanne (EBIT) von 53 Prozent. Damit setzte sie den Trend der Branche fort. In der Container-Schifffahrt wurde im vergangenen Jahr rund um den Globus eine Marge von rund 50 Prozent erwirtschaftet. Der Gewinn lag weltweit bei 186 Milliarden Dollar.

Gleichzeitig klagen die Kunden über schlechten Service und steigende Preise. Die Kosten für den Seetransport seien binnen zwei Jahren um den Faktor sieben in die Höhe geschossen, kritisierten kürzlich zehn Verbände in einem Brief an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Das ist nicht die Richtung, in die sich die Märkte bewegen sollten“, hieß es darin.

Das Problem: Reeder profitieren bei der Frachtschifffahrt bisher von Ausnahmen vom EU-Wettbewerbsrecht. Seit 2009 dürfen sie Absprachen mit Wettbewerbern treffen, normalerweise strikt verboten. Die sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung wurde seit der Finanzkrise regelmäßig verlängert, zuletzt im Jahr 2020. Nutzer sehen in der Regelung eine Einladung zum Kartell. De facto beherrschen drei Reeder-Allianzen 80 Prozent des Weltmarkts – und bauen ihre Marktmacht immer mehr aus. „Es ist offensichtlich, dass die Rekordgewinne, die fließen, genutzt werden, um horizontales und vertikales Wachstum zu generieren“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) Angela Titzrath im WiWo-Podcast Chefgespräch.

Die lukrativen Ausnahmen für Reeder gelten in der EU noch bis 2023. Die EU-Kommission prüft nun, wie sie künftig mit der Branche umgehen soll. Anfang des Monats hat sie eine öffentliche Konsultation eröffnet, in der Betroffene und Bürger ihre Erfahrungen schildern können. Erste Unternehmen haben bereits reagiert und ihren Unmut über hohe Preise und schlechten Service formuliert. Die EU-Kommission wird auch gezielt Reeder, ihre Kunden und Hafenbetreiber auf ihre Erfahrungen in den vergangenen Jahren ansprechen.

Das International Transport Forum der OECD empfiehlt, die Regeln für die Container-Schifffahrt zu ändern. „Die aktuellen kartellrechtlichen Regelungen haben nicht zu niedrigeren Preisen oder mehr Wettbewerb geführt“, schreibt die Organisation in einem Bericht vom Juli, in dem sie die Probleme in der Schiffs-Logistik ausführlich darstellt.

Die Kunden der Reeder befürchten indes, dass die EU-Kommission nicht hart durchgreifen wird. Der Europäische Logistik-Verband Clecat hatte die EU-Wettbewerbshüter im Februar aufgefordert, eine Untersuchung der Reederei-Branche auf Verstöße gegen Wettbewerbsrecht einzuleiten. Doch dazu war die EU-Kommission nicht bereit. „Die EU-Kommission ist bei dem Thema nicht sehr aktiv“, bedauert Clecat-Generaldirektorin Nicolette van der Jagt. Die aktuelle Konsultation hätte schon im ersten Halbjahr 2022 beginnen sollen.

Eine andere Gangart hat die USA eingelegt, wo sich Demokraten und Republikaner im Juni auf den Ocean Shipping Reform Act verständigt haben. Das Gesetz sieht vor, dass die Aufsichtsbehörde Federal Marine Commission (FMC) einschreiten kann, wenn die Preise für Schiffsfracht sprunghaft steigen.

US-Präsident Joe Biden hatte die Debatte um die Container-Schifffahrt persönlich vorangetrieben. „Wachsende Seefrachtkosten tragen entscheidend dazu bei, dass die Kosten für US-Haushalte steigen“, betonte Biden. Das neue Gesetz, so seine Hoffnung, soll die Inflation in Schach halten.

Hören Sie hier den gesamten Podcast mit Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HLLA)

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