Minus 32,9 Prozent Verheerender Konjunktureinbruch in den USA

Die Zuspitzung der Corona-Pandemie ab Mitte März stürzte die USA in eine schwere Wirtschaftskrise. Quelle: AP

Die US-Wirtschaft ist infolge der Coronakrise in historischem Ausmaß eingebrochen. Das zweite Quartal war verheerend. Wegen der Pandemie sind Analysten auch für den Rest des Jahres pessimistisch.

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Die Wirtschaftsleistung in den USA ist im zweiten Quartal wegen der Coronavirus-Pandemie trotz gewaltiger Konjunkturpakete dramatisch eingebrochen. Von April bis einschließlich Juni schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent ein, wie die US-Regierung am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das war der tiefste Einbruch in einem Vierteljahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Quartalsvergleich entspräche das umgerechnet etwa einem Minus von fast zehn Prozent.

Im ersten Vierteljahr war die US-Wirtschaft aufs Jahr hochgerechnet bereits um fünf Prozent geschrumpft. Die Zuspitzung der Coronapandemie ab Mitte März stürzte die USA dann aber in eine schwere Wirtschaftskrise. In der zweiten Maihälfte und im Juni gab es bereits Zeichen einer Erholung. Seit Ende Juni hat die Zahl der Neuinfektionen aber wieder dramatisch zugenommen, was zu neuerlichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens geführt hat und das Wachstum erneut ausbremsen dürfte. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 11,1 Prozent. Vor der Pandemie hatte sie noch bei 3,5 Prozent gelegen.

Insbesondere der Konsum, eigentlich eine der tragenden Säulen der Wirtschaft, brach wegen der Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen zur sozialen Distanz im Frühjahr ein. Der private Verbrauch verringerte sich um 34,6 Prozent zum ersten Quartal. Auch die Investitionen und das Außenhandelsgeschäft litten massiv unter den Folgen der Pandemie, die angesichts einer hohen Zahl von Neuinfektionen in den USA noch nicht ausgestanden ist. „Eine so stark konsum- und dienstleistungsorientierte Wirtschaft wie die der USA leidet natürlich besonders unter der Schließung von Geschäften und Restaurants“, sagt Chefökonom Uwe Burkert von der LBBW. Er spricht vom wirtschaftlich „schwersten Rückschlag in der jüngeren US-Geschichte“.

Notenbankchef Jerome Powell hatte am Mittwoch bereits vor einem historischen Einbruch des BIP gewarnt. Er erklärte, die weitere Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Welt sei wegen der Pandemie höchst unsicher. „Der Verlauf der Wirtschaft wird in sehr großem Ausmaß vom Verlauf des Virus abhängen“, sagte Powell. Ohne eine Eindämmung des Virus sei eine vollständige wirtschaftliche Erholung „unwahrscheinlich“, warnte er.

US-Präsident Donald Trumps Regierung hingegen hofft auf eine rasche Erholung der größten Volkswirtschaft der Welt im dritten Quartal. Trump drängt daher trotz Pandemie auf eine rasche Normalisierung des Wirtschaftslebens. Analysten sehen die Hoffnung auf einen schnellen Aufschwung allerdings zumeist skeptischer. Ende der Woche läuft zudem eine in der Coronakrise eigens geschaffene bundesstaatliche Aufstockungshilfe zum Arbeitslosengeld aus - und dies vor dem Hintergrund zuletzt ansteigender Erstanträge auf staatliche Arbeitslosenunterstützung. Insgesamt stellten vorige Woche 1,434 Millionen Bürger einen solchen Erstantrag. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit 1,45 Millionen gerechnet, nachdem es in der vorangegangenen Woche 1,422 Millionen waren. „Es wird lange dauern, bis die US-Wirtschaft aus dem tiefen Tal der Tränen herauskommt“, sagte Ökonom Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe. „Anhaltend hohe Infektionszahlen und Massenarbeitslosigkeit sorgen für erhebliche Verunsicherung.“

Der Rekordeinbruch der US-Wirtschaft und der Anstieg der Arbeitslosenanträge haben bei US-Anlegern die Furcht vor einer schleppenden Erholung geweckt. Auch US-Präsident Donald Trump sorgte am Donnerstag mit einem Tweet, in dem er eine Verschiebung der Präsidentenwahl ins Gespräch brachte, für Verunsicherung. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte gab 2,1 Prozent nach, grenzte jedoch später seine Verluste ein und notierte im Mittagshandel 0,7 Prozent schwächer bei 26.346 Punkten. Der breiter gefasste S&P lag 0,4 Prozent im Minus bei 3246 Zählern. Der Index der Technologiebörse Nasdaq legte dagegen 0,3 Prozent zu auf 10.579 Punkte. In Deutschland war der Dax 3,5 Prozent schwächer bei 12.379,65 Punkten aus dem Handel gegangen.

Auch in Deutschland war das BIP im zweiten Quartal in noch nie da gewesenem Ausmaß eingebrochen. Es schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte. Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970.

In den USA werden derzeit täglich rund 60.000 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Betroffen sind vor allem Bundesstaaten im Süden und Westen des Landes, in denen rund ein Drittel der US-Bevölkerung lebt. Insgesamt gibt es Daten der Universität Johns Hopkins zufolge inzwischen 4,4 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 und rund 150.000 damit verbundene Todesfälle.

Der US-Kongress und die Regierung haben seit Beginn der Krise bereits Konjunkturpakete in Höhe von fast drei Billionen US-Dollar beschlossen. Das entspricht mehr als zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Derzeit gibt es im Kongress Verhandlungen über ein weiteres Paket. Die Vorstellungen von Republikanern und Demokraten dazu gehen aber noch weit auseinander.

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