Mittelständler trotzen Trump „Wir machen weiter!“

Besucher auf der Öl-,Gas- und Petrochemie-Ausstellung in Teheran (Iran): Deutsche Mittelständler bleiben trotz Ausstieg der USA aus dem Atom-Deal gelassen. Quelle: dpa

Die Spitze der Wirtschaft reagiert enttäuscht auf Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen. Deutsche Mittelständler im Iran sehen den geplatzten Atomdeal hingegen gelassen. Doch die Lage könnte schnell eskalieren.

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Noch in der Nacht zum Mittwoch forderte der US-Botschafter in Berlin, deutsche Unternehmen sollte ihre Geschäfte im Iran „sofort runterfahren“. Darüber schmunzeln die deutschen Unternehmer auf der Messe für Öl, Gas und Petrochemie in Teheran. Beim Mittelständler Samson ist die Stimmung gut bis trotzig. „Wir machen weiter“, sagt Verkaufsleiter Matthias Rüdiger. Gestern Nacht schaute er mit seinen iranischen Kollegen die Trump-Rede im Fernsehen. Er vergleicht die Stimmung mit einem Champions-League-Spiel, bei dem die gegnerische Mannschaft mit einem Tor in Führung ging. Schade, aber kein Weltuntergang. „So lange die deutsche Regierung uns lässt, bleiben wir hier“.

Der Mittelständler ist seit über 40 Jahren im Iran aktiv, und Rüdiger selbst kennt das Land seit zehn Jahren. Für große Unternehmen mag es jetzt schwieriger werden, doch die Mittelständler bleiben – so lange man sie lässt. Viele von ihnen machten in den vergangenen Jahren gute Geschäfte im Iran – ohne dabei viel Risiko einzugehen.

Denn was Direktinvestitionen betrifft, waren die Deutschen zurückhaltend. Es gibt kaum eine deutsche Produktion im Iran. Das liegt vor allem an den Finanzierungsproblemen. Zwar wurden mit Obamas Atomdeal viele der Sanktionen gegen Teheran wieder aufgehoben. US-amerikanische Anti-Terror-Sanktionen aber blieben weiter in Kraft. Das hatte zur Folge, dass keine deutsche Bank mit US-Geschäft Investitionen im Iran finanzieren wollte. Deutsche Mittelständler mussten sich auf Sparkassen und kleinere Banken verlassen, die aber große Investitionen nicht stemmen konnten. Und so lange kein Automobil-Hersteller oder Großkonzern mit einem Werk vor Ort ist, macht es für kaum einen Mittelständler Sinn, eine Produktion im Land zu eröffnen.

Warum das Iran-Abkommen so wichtig für Deutschland ist

Die überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmen begnügte sich deswegen damit, vor Ort eine kleine Niederlassung in Form eines Vertriebsbüros zu gründen. Auch wenn Teheran sich gerne größere Investitionen gewünscht hätte, waren beide Seiten damit gut bedient. Die Deutschen verkaufen in den Iran hauptsächlich Kapitalgüter, also Waren, die die Produktivität steigern und damit der iranischen Wirtschaft auf die Beine helfen. Das Geschäft lieft gut in den vergangenen beiden Jahren - mit teils zweistelligen Wachstumsraten. Seit dem Ende der Sanktionen wuchs der deutsch-iranische Handel um 42 Prozent, allein im vergangenen Jahr nahmen die deutschen Maschinenexporte um 21 Prozent auf 901 Millionen Euro zu. Diese schlanken Investitionen sind auch in einer derart unsicheren politischen Gemengelage von Vorteil.

Unternehmer brauchen eine europäische Iran-Politik

Anders Frankreich: Mit PSA und Renault haben gleich zwei französische Autobauer größere Produktionen im Land. „Die große Sorge war, dass Macron umkippt“, sagt ein deutscher Unternehmensberater. Eine gemeinsame europäische Linie sei wichtig. Er möchte anonym bleiben, da er auch in Dubai gerade eine Firma gründet. Er glaubt, würde man in Dubai mitbekommen, dass er auch im Iran tätig ist, könne er sein Geschäft dicht machen. Auch das ist Folge der immer stärkeren Blockbildung im Nahen Osten. Auf der einen Seite stehen die erbitterten Iran-Gegner Israel, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Falken in den USA. Dem gegenüber steht eine losere Allianz aus dem Iran mit seinen Stellvertretern im Jemen und der Hisbollah, der Assad-Regierung und Russland. Beide Blöcke liefern sich einen heißen Krieg in Syrien und im Jemen.

Schlagartig ändern könnte sich die Lage, wenn sich dieser Krieg sich in den Iran verlagert - zum Beispiel im Fall eines Bombenangriffs Israels und der USA auf die iranischen Atomreaktoren. Angesichts Rohanis Antwort, die Urananreicherung wieder aufzunehmen, trägt Teheran momentan genauso zur Eskalierung der Lage bei wie die USA. Rohani ist zudem unter starken Druck im eigenen Land. Die Öffnungspolitik ist bisher nicht in dem Maße wie erhofft bei der iranischen Bevölkerung angekommen. Die Inflation zieht wieder an, die Arbeitslosigkeit ist mit zwölf Prozent zu hoch für ein Land mit einer sehr jungen Bevölkerung. Die Wirtschaft wuchs 2017 nur mit enttäuschenden 3,5 Prozent. In der Folge steigt die Unzufriedenheit. Das kommt den iranischen Ultrakonservativen zu Gute, die während der Sanktionszeit von der Schattenwirtschaft profitierten. Wie fragil die innenpolitische Lage ist, zeigten die Proteste vom Januar dieses Jahres, als wegen einer Brotpreiserhöhung plötzlich Aufstände im ganzen Land ausbrachen.

Kritischer als die Mittelständler auf der Messe in Teheran sehen die Verbände der deutschen Industrie die Lage. „Die Unternehmen treibt die Sorge um, durch ihren Handel mit Iran das US-Geschäft zu verlieren“, teilte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit.

Die Druckmittel des Irans bei einem Ende des Atomabkommens

Denn selbst wenn sich die Europäer auf eine eigenständige Iran-Politik einigen können, wird das durch die US-Sanktionen torpediert. José Campos-Nave ist Geschäftsführender Partner bei der Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner und zuständig für die Niederlassungen im Iran. Er geht davon aus, dass sich die Europäer auf eine eigenständige Politik einigen werden. „Kein europäisches Land hat momentan Interesse an der Wiederaufnahme der Sanktionen.“ Fraglich aber ist, wie effektiv ein separates Abkommen sein kann. „Die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands“, sagte Campos-Nave. „Wenn deutsche Unternehmen in den USA mit Sanktionen gedroht werden, dürften viele lieber auf ihr Iran-Geschäft verzichten.

Deutsche Mittelständler ohne US-Geschäft können also vorerst weitermachen wie bisher. Für alle anderen wird die Lage brenzliger. Der lachende Dritte wird ohnehin China sein. Seit Jahren baut Peking seine Präsenz im Iran aus. Das Handelsvolumen zwischen Iran und Peking liegt mittlerweile bei 18 Milliarden US-Dollar.

„Deutsche Unternehmen noch stärker verunsichert“
BDI-Präsident Dieter Kempf sieht ein grundsätzliches Problem. Quelle: dpa
"Das einseitige Agieren der US-Regierung stellt diese Geschäfte nunmehr unter einen enormen Vorbehalt", warnte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Quelle: dpa
Außenhandelspräsident Holger Bingmann reagierte enttäuscht: Quelle: dpa
Die deutschen Warenexporte in den Iran waren im vergangenen Jahr um 16 Prozent auf knapp drei Milliarden Euro gewachsen. Quelle: dpa
Der VDMA sieht die iranische Führung in Teheran am Zuge. Quelle: VDMA
Die deutsche Automobilindustrie nimmt die EU-Kommission in die Pflicht. Quelle: REUTERS
"Wir nehmen zur Kenntnis, dass eine der wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt eine politische Entscheidung getroffen hat", sagte Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas. Quelle: dpa
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