Mohammed bin Salman in den USA Der Gast aus der Wüste sucht Hilfe im Silicon Valley

Mohamed bin Salman vertieft während seines US-Besuchs Beziehungen zur Polit- und Wirtschaftselite Amerikas – trotz Meinungsverschiedenheiten zwischen Riad und Washington.

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Der saudi-arabische Vize-Kronprinz hat einen erfolgreichen Besuch in den USA hinter sich – besonders wirtschaftlich. Quelle: AFP

Der kometenhafte Aufstieg des 30-jährigen Mohammed bin Salman war bisher auf Saudi Arabien beschränkt. Jetzt sichert der stellvertretende Kronprinz seine steile Karriere in den USA ab. Am Freitag wurde er von US-Präsident Barack Obama im Oval Office des Weißen Hauses empfangen. Die amerikanisch-saudischen Beziehungen würden „auf allen Gebieten stärker und vertieft werden“, sagte nach dem Treffen der saudische Außenminister Adel al-Jubeir, und zwar „unabhängig davon, wer im Weißen Haus ist.“

Das klang schon fast wie eine Beschwörung, denn das einst ungetrübte und enge Verhältnis zwischen Riad und Washington ist seit Monaten spannungsgeladen. So hat Obama den Wert Saudi Arabiens als US-Verbündeten im Mittleren Osten in Frage gestellt, weil das sunnitische Königreich den Religionskonflikt mit den Schiiten in der Region provoziere. Viele Amerikaner sind zudem überzeugt, dass Saudi Arabien bei den Terrorangriffen vom 11. September 2001 beteiligt war, obwohl eine Untersuchungskommission dazu keine Beweise liefern konnte. In Riad wirft man Obama „Verrat“ vor. Der Atom-Deal mit dem Iran und die gesuchte Annäherung Washingtons an Teheran verletzte saudische Interessen in der Golfregion.

Trotz des getrübten bilateralen Klimas kann Salman seinen Amerika-Besuch als Erfolg verbuchen. Er traf sich nicht nur mit Obama, sondern auch mit Spitzenvertretern der Regierung, darunter die Außen-, Verteidigungs- und Finanzminister, zudem mit dem CIA-Direktor und führenden Kongressmitgliedern. Dabei wollte der 30jährige Besucher aus Riad nicht nur um Verständnis für die Positionen seines Staates werben. Ebenso wichtig war es ihm, die Elite Washingtons kennen zu lernen und von ihr als starker Mann Saudi Arabiens anerkannt zu werden, sagt der Golf-Experte Gregory Gause vom Brookings Doha Center.

MBS, wie der stellvertretende Kronprinz mit Kürzel genannt wird, verfolgt in den USA nicht nur politische Ziele. Ihm schwebt vor, im Wüstenreich ein Silicon Valley aufzubauen und eine eigene Rüstungsindustrie zu etablieren. Dazu sucht er die Unterstützung der amerikanischen Wirtschaft, vor allem von High-Tech-Firmen und Waffenschmieden.

Um sein Land in die Zukunft zu führen, will der stellvertretende Kronprinz sein Land von der Ölabhängigkeit befreien. Der Staatshaushalt wird derzeit zu fast 90 Prozent mit Öleinnahmen finanziert. Die Reformpläne sehen unter anderem den Abbau von Subventionen bei Energie und Wohnungen für die Bevölkerung vor, zudem die Einführung einer Mehrwertsteuer. Ganz oben auf der Agenda steht aber der Teilverkauf des Öl-Giganten Aramco über die Börse. Aus dem Ölkonzern soll mittelfristig ein Industriekonglomerat werden.

Der Transformation dienen auch Investitionen im Ausland. So investiert der saudi-arabische Staatsfonds 3,5 Milliarden Dollar in den Mitfahrdienst Uber. Der Fünf-Prozent-Anteil an Uber gilt als erster Erfolg der Strategie, Saudi Arabien umzubauen. MBS hatte sie im April als „Vision 2030“ vorgestellt. Das ehrgeizige Programm will Auslandsinvestitionen mobilisieren. Als ersten Schritt hat Riad – kurz vor der Abreise des Kronprinzen in die USA - ein neues Gesetz verabschiedet, das ausländische Investitionen begünstigen soll. Im Detail- und Großhandel dürfen Ausländer künftig hundert Prozent der Firmen besitzen.


Veränderungen in der Gesellschaft zwingend notwendig

Der Sprung Saudi Arabiens in die Moderne ist allerdings auch mit ausländischen Investitionen nicht gesichert. Das Land werde den ökonomischen Umbau nur schaffen, wenn zuvor Transformationen in der Gesellschaft stattfinden, mahnt Jean-Marc Rickli, Politologe am Department of Defence Studies am King's College London und Dozent am Joaan Bin Jassim Joint Command and Staff College in Katar. Die müssten auch gegen den Widerstand der Hardliner am Hof und in den Moscheen durchgesetzt werden.

Die Umsetzung der Vision setzt einen „neuen Saudi“ voraus, der unternehmerisch denken und handeln kann. Dazu gehört auch die Einführung der Gleichberechtigung der Frauen. Sie müssten, im übertragenden und im wörtlichen Sinn, ans Steuer gelassen werden. Laut Vision 2030 sollen Frauen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das Königshaus will ihren Anteil von heute 20 auf 30 Prozent steigern.

Gewöhnen müssen sich die Bewohner des Königreichs auch an ausländische Manager. Viele Saudis haben gegenüber dem Westen eine ablehnende, ja feindliche Einstellung. Für das Modernisierungsprogramm werden sie jedoch auf westliches Know-How angewiesen sein.

Der junge starke Mann aus Saudi Arabien weiß: Trotz bestehender Meinungsunterschiede und Vorwürfen, im Königreich würden Menschenrechte serienmäßig verletzt und wahabistische Propaganda mit staatlichen Gelder in den Westen exportiert, bleibt Riad für die USA ein wichtiger Partner. Gemeinsam ist den Saudis und den Amerikanern zum Beispiel das Interesse, dass der Iran nicht zur dominierenden Regionalmacht aufsteigt. Beide sehen den Islamischen Staat und Al Kaida als Bedrohung der Stabilität.
Mit Salmans Besuch in den USA sei auch sichergestellt worden, dass die Kooperation der Geheimdienste und der Kampf gegen die Finanzierung des Terrors weiter gehen werde, meint ein Beobachter in Doha. Das sei eine „taugliche und notwendige Grundlage“ für die Umsetzung der Reformen, die der stellvertretende Kronprinz anvisiert.

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