Moldawien Die Apfelrepublik kämpft um Investoren

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Wohlstandsniveau europäischer Länder Quelle: Vereinte Nationen

Fast jede moldauische Familie stockt daher ihr spärliches Einkommen mithilfe von Angehörigen auf, die etwa auf den Baustellen und in der Gastronomie Westeuropas schuften. „Das hiesige Wirtschaftssystem basiert auf Auswanderung“, sagt ein deutscher Regierungsvertreter, der nicht genannt werden möchte. Das Problem: Überweisungen der Fremdarbeiter kurbeln kaum die Binnenproduktion an, denn die Verbraucher stecken einen großen Teil ihres Budgets in Importe. Vor allem langlebige Konsumgüter wie Laptops, Mobiltelefone oder Autos müssen aus anderen Ländern eingeführt werden. Im Inland fehlen entsprechende Industrien.

Die Stadt der Kinder

Der anhaltende Braindrain lässt diejenigen zurück, die zu alt zum Reisen sind – oder zu klein. Davon zeugt die „Stadt der Kinder“, eigentlich ein Nest von nur 3000 Einwohnern an der Grenze zu Transnistrien. Die moldauische Hauptstadt ist mit 30 Kilometern nicht weit entfernt, doch die Straßen dorthin sind eng und holprig. Hier leben 300 Waisen, betreut von der internationalen Hilfsorganisation Concordia. Der österreichische Baukonzern Strabag hat zu diesem Zweck unentgeltlich eine moderne Anlage mit Wohn- und Gemeinschaftsgebäuden hochgezogen. Auch zahlreiche weitere Concordia-Projekte in Moldawien unterstützt Strabag auf diese Weise. So hilft die Organisation in abgelegenen Dörfern den von ihren Angehörigen zurückgelassenen Alten. Die haben keine Kraft mehr, über im Winter vereiste und im Herbst und Frühjahr schlammige Pfade an den Dorfbrunnen zu stapfen, um Wasser zu zapfen. Auch Brennholz sammeln oder gar Holz hacken kommt für sie nicht mehr infrage. Daher kutschieren Concordia-Leute mit Pferdefuhrwerken den Senioren das Nötigste in ihre Hütten.

Hilfsprojekte wie diese tun not in einem Land, dem viele arbeitsfähige junge Leute den Rücken kehren. Doch die Ursache des Problems lösen sie nicht. Pemier Filat verspricht deshalb umfangreiche Unterstützung für jeden Unternehmer und potenziellen Arbeitgeber mit Interesse an Moldawien. Er weiß, dass seine Bürger nur im Land bleiben, sofern sie gute Stellen finden.

Doch Vorsicht: Wenn die Regierung in Kischinau ausländischen Investoren grünes Licht gibt, heißt es noch lange nicht, dass in der Provinz alles wie am Schnürchen läuft. Die Hauptstadt ist weit, und lokale Behörden und Politiker wollen ebenfalls von Ansiedlungen profitieren. Baltis Bürgermeister Vasile Panciuc soll bei einem Investitionsprojekt schon mal die provokante Frage gestellt haben: „Was hab ich davon?“ Dabei blieb offen, ob er den Vorteil für seine Stadt meinte – oder für seinen Geldbeutel. Solche Widerstände müssen ausländische Investoren vor Ort häufig überwinden. Für gute Geschäfte reicht es also nicht, mit Pavel Lupacescu von der Handelskammer zu tanzen. Aber es kann ein Anfang sein.

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