Monsieur Macron Der diskrete Charme der Macht

Mit Emmanuel Macron beginnt in Frankreich eine neue Ära. Der Staatschef dürfte auch das Parlament beherrschen. Das wirtschaftlich schwächelnde Land scheint zurück auf der internationalen Bühne. Macrons Erfolgsrezept.

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Staatspräsident Emmanuel Macron triumphierte mit seiner Partei auch bei der Parlamentswahl in Frankreich. Quelle: Reuters

Paris Der Triumph seines Lagers bei der ersten Runde der Parlamentswahl rückt Emmanuel Macron wieder einmal in den Mittelpunkt. Der jüngste französische Präsident aller Zeiten scheint sämtliche Fäden in der Hand zu halten. Der 39-Jährige gilt zwar als politisch unerfahren, doch als exzellenter Stratege mit einem fein gesponnenen Netzwerk. Auch enge Mitarbeiter sind nicht immer über seine Vorhaben informiert. Ein Blick in die vielschichtige und mitunter geheimnisumwitterte Welt des Ausnahme-Staatschefs.

Profil

Macron ist liberal und europafreundlich. Seine Partei La République en Marche („weder links noch rechts“) ist schwieriger einzuordnen. Sie vereint frühere Sozialisten, Bürgerliche und Politneulinge. Seinen Aufstieg verdankt er einer beispiellosen Krise des klassischen politischen Systems: „Jeder, der mit dem Zeichen der alten Parteien behaftet ist, ist verdammt“, vertraute der Senkrechtstarter laut Enthüllungsblatt „Le Canard Enchaîné“ seinen Beratern an. Vorbilder: Wirklich große Vorgänger wie Charles de Gaulle (1890 bis 1970) oder François Mitterrand (1916 bis 1996).

Eroberung

Macron ist ein zwar früherer Elitehochschüler, aber kein Mann der Samthandschuhe. In seiner Antrittsrede beschwor der Ex-Investmentbanker nichts weniger als den „Geist der Eroberung“. Den Wahlkampf führte er mit einer Partei, die gerade mal ein Jahr alt war und wie ein Start-up-Unternehmen straff geführt wurde. Der Sozialliberale war zwar unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande Minister, hatte aber nie ein Wahlamt inne. An seiner Entschlossenheit und Hartnäckigkeit ließ Macron auch in seinem Privatleben nie einen Zweifel: Er heiratete vor zehn Jahren gegen familiäre Widerstände die deutlich ältere Lehrerin Brigitte Trogneux (64).

Der Arztsohn aus Amiens ist ein Patriot. „Die Welt und Europa brauchen heute mehr denn je Frankreich“, sagte er bei seiner ersten offiziellen Rede im Élyseepalast.“ Seine vordringliche Aufgabe sei es, das Selbstvertrauen seiner Landsleute zu stärken. Das Land ist in der Tat verletzt nach einer beispiellosen islamistischen Terrorwelle mit fast 240 Toten. Dazu kommt eine Wirtschaftskrise mit zehn Prozent Arbeitslosigkeit.

Europa

Ein klare Priorität für Macron. Gegenüber Deutschland hat er Jungstar im Gegensatz zu anderen Toppolitikern keine Ressentiments. Mehrere seiner Minister und Berater sprechen Deutsch. Aber der starke Mann aus Paris hat auch weitreichende Forderungen, will die Eurozone mit einem echten Finanzminister und einem Budget krisenfester machen. Auch beim Europa der Verteidigung ist Macron anspruchsvoll und selbstbewusst. „Keine europäische Armee hat die Fähigkeit, so rasch einzugreifen wie die französische“, lautet sein Credo.

Die Welt

Macron scheut weder vor einem Händedruck-Duell mit seinem US-Kollegen Donald Trump noch vor einer Menschenrechtsdebatte mit Wladimir Putin zurück. Als früherer Topberater von Hollande kennt er das rutschige Gipfelparkett. Frankreich habe, so zitiert ihn der „Canard Enchaîné“, zwischen Washington und Moskau eine wichtige Rolle zu spielen. „Deswegen bin ich nicht in einem Schema des Bruchs mit Putin.“ Man müsse mit dem Kremlchef reden und ihn nicht ausschließen.

Kontrolle

Macron will nicht sein wie sein jovialer Ziehvater Hollande, der für alles stets ein Bonmot bereit hat und Medienvertretern im Hinterzimmer Staatsaffären anvertraute. Macrons Minister wurden freundlich aufgefordert, nach Beratungen der Regierung diskret zu bleiben. Der neue Herr des Élyséepalastes sieht sich auch in der Kommunikation „als Meister der Uhren“. Der nächtliche Auftritt nach seiner Wahl im Innenhof des Pariser Louvre war sorgsam inszeniert. Der Louvre ist ein riesiges Museum - früher lebten dort die Könige.

Geheimnis

Macron vermittelt deutlich, dass auch sein Schweigen etwas bedeutet. „Sie werden sehen, ich habe keine Angst vor dem Geheimnis“, meinte er laut Wochenblatt „Le Journal de Dimanche“. Gleich zu Amtsbeginn macht er den Élyséepalast zur Schaltstelle der - mitunter konkurrierenden - Geheimdienste. Ein Zentrum zur Terrorabwehr wird unter seinen Fittichen aufgebaut. Auch das sei eine Revolution, meinen Beobachter.

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