Moon Jae-in Südkorea vertraut auf einen linken Saubermacher

Nach dem Korruptionsskandal um Präsidentin Park Geun-hye wählt Südkorea einen Saubermacher. Der ehemalige linke Aktivist Moon Jae-in soll den Klüngel der Korea AG auskehren. Allerdings droht nun Streit mit den USA.

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Der Spitzenkandidat der linksliberalen Demokraten hat nach Hochrechnungen 41 Prozent der Stimmen erhalten. Quelle: AP

Tokio Mitten in der jüngsten Korea-Krise hat sich Südkorea für einen Kurswechsel entschieden: Der Spitzenkandidat der linksliberalen Demokraten Moon Jae-in hat nach Hochrechnungen 41 Prozent der Stimmen erhalten. Der konservative Rivale Hong Jun-pyo von der bisherigen Regierungspartei bekam in dem großen Kandidatenfeld demnach nur auf 23 Prozent.

Damit führt erstmals seit zehn Jahren konservativer Herrschaft wieder ein progressiver Präsident Asiens viertgrößte Volkswirtschaft an. Die Herausforderung ist groß für den 64-jährigen Menschenrechtsanwalt. Denn nach der Amtsenthebung und Verhaftung seiner Vorgängerin Park Geun-hye erwartet seine Basis, dass er mit dem traditionellen Klüngel aus Macht und Familienkonglomeraten aufräumt, der das Land im Griff hat.

So stürzte Park, die Tochter des früheren Diktators Park Chung-hee, nicht nur über den Vorwurf, Staatsgeheimnisse mit ihrer Freundin und Beraterin Choi Soon-sil geteilt zu haben. Sie soll überdies von den Unternehmerdynastien rund 60 Millionen Euro an Spenden an Stiftungen ihrer Freundin und persönlichen Beraterin Choi Soon-sil eingefordert zu haben. Die Patriarchen von Samsung und der Kaufhauskonzern Lotte stehen in diesem Fall ebenfalls wegen Bestechung vor Gericht.

Moons Problem dabei ist, dass er keine absolute Mehrheit der Stimmen und damit kein überragendes Reformmandat hat. Allerdings verfügt er über einen großen Vorteil: Der ehemalige Studentenführer, der unter Parks Vater im Knast saß, kennt sich aus auf den Fluren der Macht.

Von 2003 bis 2008 war Moon zuletzt als Stabschef einer der wichtigsten Macher des damaligen Präsidenten Roh Moo-hyun. Außerdem hat durch eine bittere Niederlage gegen Park 2012 gelernt, dass er rhetorisch über die Mitte hinausreichen muss, um die Angst der Konservativen vor seiner linken Vergangenheit zu überwinden.

So hatte der rechte Hardliner Hong Moon als pro-koreanischen Politiker gebrandmarkt, der einen Kuschelkurs mit Nordkorea und dessen Schutzmacht China suche. Immerhin hatte Moon angekündigt, sich unter nicht näher genannten Umständen mit Nordkoreas Führer Kim Jong-un zu treffen und den gemeinsamen Wirtschaftspark Kaesong wiederzueröffnen.

Doch der amerikanische Korea-Experte Victor Cha, Korea Chair des Centers for Strategic and International Studies, meint, dass Moons Sieg „nicht notwendigerweise eine plötzliche Verschiebung zu einer Politik des Engagements mit Nordkorea bringt“. Zum einen kombiniert Moon seine Version der „Sonnenscheinpolitik“ stärker als sein Mentor Roh mit Abschreckung. Zum anderen würden die Umstände Moon keine radikalen Alleingänge erlauben, meint Cha.


Wo Moon mit Trump übereinstimmt

Tatsächlich muss Moon das Amt sofort antreten und damit ohne die gewöhnliche Übergangsperiode diverse Krisen neben Nordkorea managen. China bestraft Südkorea für die Stationierung der ersten Einheit des amerikanischen Raketenabwehrsystems Thaad mit einem Wirtschaftskrieg. Mit Japan ist ein hässlicher Geschichtsstreit wieder aufgeflammt und Moon kennt US-Präsident Donald Trump noch nicht. Es könnte daher sein, dass Moons „vorsichtige Haltung“ zuerst zu Kontakt mit Trump führt, mutmaßt Cha.

Nicht in allen Punkten muss es zwischen den beiden krachen: Nach jüngsten Medienberichten hat auch Trump Nordkorea via China Sicherheitsgarantien und Gespräche angeboten, wenn Führer Kim sein Atomwaffen- und Raketenprogramm aufgibt. Doch es gibt reichlich Streitpotenzial, denn Moon will eine eigenständigere Politik vertreten, die unter anderem eine neue Balance zwischen dem Alliierten USA und dem Haupthandelspartner China sucht und die Stationierung der Raketenabwehr erneut diskutieren will.

Brisanter noch: Moon befürwortet, dass Südkorea in Krisen das Oberkommando über die alliierten Streitkräfte in Korea übernimmt. Doch Unterordnung verträgt sich wahrscheinlich noch weniger mit Trumps Doktrin „America First“ als Moons Behauptungswille.

Auch wirtschafts- und innenpolitisch hat Moon viel zu tun. Das Wachstum schwächelt für koreanische Verhältnisse bei unter drei Prozent. Gleichzeitig fühlen viele Koreaner, dass sich ihre Gesellschaft immer stärker in Gewinner und Verlierer spaltet.

Besonders pessimistisch ist die Jugend. Denn immer weniger Universitätsabsolventen werden für die langen Jahre extrem entbehrungsreicher Paukhölle mit guten Jobs bei Großkonzernen belohnt. Nach einer internationalen Vergleichsstudie der britischen Varkey-Stiftung unter 20 Nationen blicken nur Japans junge Leute noch negativer in die Zukunft. Die OECD, eine Organisation der reicheren Staaten, fordert von Südkorea daher, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und die zunehmende Spaltung in arm und reich zu bekämpfen.

Dafür muss Moon gelingen, woran bisher alle Vorgänger gescheitert sind: Er muss den Konzernen Macht entreißen, um Südkoreas große Abhängigkeit von den Großkonzernen zu verringern. Bei allem Geschrei um Nordkorea wird dies die wahre Bewährungsprobe für Moon. Denn bisher hat der Klüngel fast alle Präsidentin in den Sumpf gezogen.

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