Nach Amoklauf in Parkland Trump schlägt Überlebenden aus Florida mehr Waffen in Schulen vor

Nach dem Massaker in Parkland reißen die Proteste nicht ab. Schüler fordern schärfere Waffengesetze. Doch Trump bietet eine ungewöhnliche Lösung an.

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Trump schlägt nach Parkland-Amoklauf bewaffnete Lehrer vor Quelle: AP

Washington Es war ein sichtlich unangenehmer Termin für Donald Trump. Der Präsident saß im Stuhlhalbkreis im State Dining Room des Weißen Hauses. Um ihn herum hatten Überlebende und Angehörige von Opfern von Schulmassakern Platz genommen. Angesetzt war eine „Listening Session“, Trump sollte also zuhören. Und das tat er auch – mit versteinertem Gesicht, die Arme eng vor der Brust verschlungen.

Es waren schmerzhafte Geschichten. Eltern, die ihre Kinder in den Schießereien von Columbine, Newtown und Parkland verloren hatten, ließen ihrem Schmerz teils freien Lauf. „I’m pissed“, schleuderte Andrew Pollack, Vater einer 18-Jährigen, die in der vergangenen Woche erschossen wurde, dem Präsident entgegen. Das Problem hätte nach dem ersten Schulmassaker gelöst werden sollen. Doch das sei nicht passiert. „Lösen Sie das Problem!“, so Pollack.

Auch Sam Zeif, Überlebender des Parkland-Massakers, forderte Trump zum Handeln auf. „Ich verstehe nicht, warum ich immer noch in ein Geschäft gehen und eine Kriegswaffe kaufen kann“, so Zeif unter Tränen. „Lassen wir so etwas bitte, bitte nie wieder passieren.“

Die Lösungen, die Trump anbot, erfüllten die Erwartungen der Überlebenden jedoch kaum. Er wolle prüfen, ob künftig nicht auch Lehrer und Schulmitarbeiter bewaffnet werden könnten, so der Präsident. Doch dass mehr Waffen in Schulen die Lösung des Problems sind, das glauben viele Opferangehörige nicht.

Die Enttäuschung war programmiert. Schließlich liegen die Vorstellungen von Überlebenden und Präsident extrem weit auseinander. Auf der einen Seite die Schüler der Marjory Stoneman Douglas High School und ihre Mitstreiter, die seit der Schießerei in Parkland in eindringlichen Worten schärfere Waffengesetze fordern. Es sei „komplizierter, Wochenendpläne mit Freunden zu koordinieren, als sich eine halbautomatische Waffe zu kaufen“, hatte Emma Gonzalez, die Wortführerin der High-School-Schüler, bereits bei einer Demonstration in Fort Lauderdale in Florida beklagt.

Auf der anderen Seite steht Präsident Trump. Zwar hat er Änderungen im Waffenrecht angekündigt, allerdings nur minimale. Aufsätze, mit denen sich legale semiautomatische Sturmgewehre in verbotene Vollautomatische umbauen lassen, sogenannte „Bump Stocks“, sollen verboten werden. Auch wünscht sich Trump eine bessere Durchleuchtung von Waffenkäufern. Und er schließt nicht aus, dass die Altersgrenze für den Erwerb des AR-15, der Waffe, mit der die meisten Massenschießereien der jüngeren Vergangenheit verübt wurden, von 18 auf 21 Jahre angehoben wird.

Mehrheit für Restriktionen

Diese kleinen Schritte kann Trump weitgehend ohne Risiko einleiten. Denn: Die mächtige Waffenlobby NRA hat grundsätzlich kein Problem mit diesen Maßnahmen. Für das Kalkül des Präsidenten ist das ein wichtiger Faktor. Schließlich zählt die NRA zu seinen wichtigsten Unterstützern. Sie spendete Millionen für seinen Wahlkampf und soll Trumps Republikanern auch bei den Zwischenwahlen im November unter die Arme greifen. Deshalb will es sich der Präsident mit ihr auch nicht verscherzen.

Doch auch die NRA muss vorsichtig sein. Denn die öffentliche Meinung in den USA steht derzeit eindeutig auf der Seite der jungen Aktivisten, die gegen die Lobby mobil machen. In einer aktuellen Umfrage sprechen sich rund zwei Drittel der befragten US-Bürger für schärfere Waffengesetze aus – ein höherer Wert wurde in den vergangenen zehn Jahren nie gemessen. Ebenso viele Befragte befürworten ein Verbot von Sturmgewehren.

Diese Zustimmung ist jedoch sehr ungleichmäßig verteilt. Während Demokraten und Unabhängige mehr Regulierung einfordern, sprechen sich immer noch 60 Prozent der befragen Republikaner gegen striktere Bestimmungen aus.

Es ist jedoch nicht nur die öffentliche Meinung, die der Waffenlobby zu schaffen macht. Die Branche steht derzeit auch wirtschaftlich nicht gut da. Während Trumps Amtszeit gingen Waffenverkäufe in den USA sogar spürbar zurück, nachdem sie kurz vor der US-Wahl 2016 angestiegen waren. Remington, einer der bekanntesten Hersteller von Schusswaffen in den Vereinigten Staaten, hat gerade Insolvenz beantragt. Andere Waffenschmieden mussten im vergangenen Jahr Umsatzeinbrüche von insgesamt mehr als einer halben Milliarde Dollar verschmerzen.

Beobachter erklären sich den Trend so, dass sich weniger Menschen Waffen auf Vorrat zulegen. Unter Präsident Barack Obama strömten die Kunden nach jeder Massenschießerei in die Waffengeschäfte – aus Angst vor schärferen Gesetzen, die ihnen den Kauf einer Waffe erschweren könnten.

In Trumps Amtszeit ist das bislang nicht passiert. Potenzielle Waffenkäufer seien sicher, dass der Zugang zu Pistolen und Gewehren nicht gefährdet sei. Schließlich hatte Trump im Wahlkampf genau das versprochen – und bisher auch keine Anstalten gemacht, diese Haltung zu ändern.

Hinzu kommt, dass die NRA trotz allen Gegenwinds ein höchst einflussreicher politischer Spieler bleibt. Daran ändern auch die sinkenden Umsätze nichts. Denn die Macht der Lobby hängt nicht nur an ihrem Geld.

Waffenbesitzer sind eine höchst engagierte und hervorragend vernetzte Minderheit. Laut einer Studie aus dem vergangenen Jahr würde ein großer Teil von ihnen nie für einen politischen Kandidaten stimmen, der für ein restriktiveres Waffenrecht eintritt.

Auch rufen sie häufiger im Büro ihrer Abgeordneten an oder schreiben Briefe, um ihrem Standpunkt Nachdruck zu verleihen. Befürworter schärferer Gesetze sind hingegen in der Mehrheit, doch zumindest in den vergangenen Jahren stand das Thema für sie selten so weit oben auf der Agenda, dass sie ihre Wahlentscheidung davon abhängig machten.

Die Überlebenden des Parkland-Massakers hoffen nun, dass sich daran etwas. Die ersten Hinweise sind ermutigend. Anders als bei Massenschießereien in den vergangenen Jahren ist das Thema diesmal nicht nach ein paar Tagen aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden.

Emma Gonzalez und ihre Mitstreiter wollen nun dafür sorgen, dass das so bleibt. Für den 24. März haben sie zu einer Großdemonstration in Washington aufgerufen. Mehr als 60.000 Menschen haben bereits ihr Kommen angekündigt.

Auch in anderen Städten im ganzen Land wollen die Menschen an diesem Tag auf die Straße gehen. Prominente unterstützen die Aktion. Amal und George Clooney haben bereits eine halbe Million Dollar gespendet, ebenso viel wie Regisseur Steven Spielberg und Gattin Kate Capshaw und Moderatorin Oprah Winfrey. Die Energie ist gerade auf der Seite der Schüler. Zumindest für den Moment.

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