Nach Anschlag Erdogan kündigt Einsatz von Bodentruppen gegen kurdische Miliz in Syrien an

Bislang ging die türkische Regierung mit Luftangriffen gegen kurdische Organisationen vor. Bundesinnenministerin Faeser rief zur Deeskalation auf.

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Der türkische Präsident macht kurdische Organisationen für den Anschlag in Istanbul verantwortlich. Quelle: AP

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Einsatz von Bodentruppen gegen kurdische Milizionäre in Syrien angekündigt. „Wir gehen seit einigen Tagen mit unseren Flugzeugen, Kanonen und Gewehren gegen die Terroristen vor“, sagte Erdogan am Dienstag mit Blick auf die Kurden-Miliz YPG. „So Gott will, werden wir sie mit unseren Panzern und unseren Soldaten so schnell wie möglich ausrotten.“

Die Türkei weitet damit ihr militärisches Vorgehen gegen kurdische Organisationen aus, die sie für den Bombenanschlag in der Innenstadt Istanbuls vor einer Woche verantwortlich macht. Bereits am Wochenende hatte die türkische Luftwaffe nach eigenen Angaben als Vergeltung Stützpunkte der YPG-Miliz und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Syrien und im Irak bombardiert.

Nach offiziellen türkischen Angaben schossen daraufhin Kurden Mörsergranaten auf die Türkei im Grenzgebiet zu Syrien ab. Dadurch seien zwei Menschen getötet worden.

Sowohl die PKK als auch die unter Führung der YPG stehenden Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben erklärt, nichts mit dem Bombenanschlag in Istanbul zu tun zu haben. Die Kämpfe haben auch die USA auf den Plan gerufen. Das Außenministerium in Washington erklärte, man habe der Türkei von Einsätzen in Syrien abgeraten. Denn dadurch werde der Kampf gegen die Extremistengruppe Islamischer Staat (IS) geschwächt.

Die YPG-Miliz ist der wichtigste Verbündete der USA gegen den IS in Syrien. Die Türkei rief dagegen die USA auf, jede Unterstützung für die YPG fallenzulassen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rief bei ihrem Besuch in Ankara auf, eine Eskalation der Gewalt zu verhindern. Die Reaktion der Türkei müsse verhältnismäßig sein, sagte Faeser am Dienstag.

Auch Russland mahnte Ankara am Dienstag zu Zurückhaltung. „Wir hoffen, unsere türkischen Partner davon überzeugen zu können, trotz allem von einer exzessiven Gewaltanwendung auf syrischem Staatsgebiet abzusehen“, sagte der Syrien-Beauftragte des russischen Präsidenten, Alexander Lawrentjew, am Dienstag in der kasachischen Hauptstadt Astana laut der Nachrichtenagentur Interfax.

Dort waren neue Gespräche im sogenannten Astana-Format mit Russland, der Türkei und dem Iran angesetzt. Russland unterstützt im syrischen Bürgerkrieg die Regierungstruppen.

Lawrentjew sagte, dass Moskau nicht vorab über die türkischen Luftschläge informiert worden sei. Erdogan hatte am Montag gesagt, auch die USA nicht informiert zu haben. US-Präsident Joe Biden hatte den türkischen Präsidenten Erdogan wenig vorher auf dem G-20-Gipfel in Bali persönlich getroffen.

Soylu verteidigte das Vorgehen in Syrien

Die Bundesregierung hatte Ankara bereits am Montag zur Einhaltung des Völkerrechts aufgefordert. Die Türkei begründet ihre Offensive mit dem Recht auf Selbstverteidigung. „Das Recht auf Selbstverteidigung beinhaltet nicht ein Recht auf Vergeltung“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Christofer Burger.

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Bei seinem Treffen mit Innenministerin Faeser verteidigte der türkische Innenminister Süleyman Soylu das türkische Vorgehen in Syrien und dem Irak und sagte, es gebe Bemühungen, dort einen Terrorstaat zu gründen. Das könne Ankara nicht zulassen. Faeser sagte, man stehe an der Seite der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus, Zivilisten müssten aber geschützt und Völkerrecht eingehalten werden.

Soylu gilt als nationalistischer Hardliner im Kabinett von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Bei dem Treffen der beiden Innenminister seien außerdem auch Themen wie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Migration besprochen worden, hieß es.

Die türkische Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn der jüngsten Militäroffensive in Syrien und im Irak 184 „Terroristen neutralisiert“. Den Begriff verwenden Regierung und Streitkräfte der Türkei üblicherweise auch für kurdische Gruppen, die zuletzt in beiden Nachbarländern attackiert wurden. Das türkische Verteidigungsministerium sprach in der Nacht zum Dienstag von Angriffen aus der Luft und mit landgestützten Geschützen. Die genannte Opferzahl ließ sich nicht unabhängig überprüfen.

Iraks Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani und der Präsident der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak, Nechirvan Barsani, verurteilten die Verletzungen des irakischen Territoriums bei einem gemeinsamen Treffen am Dienstag. Der Angriff der Türkei auf kurdische Gebiete im Land habe mehrere Menschen getötet, darunter auch Zivilisten.

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