Starke Bilder, starke Worte. Freundschaftlich, vertraut, entschlossenen – so präsentierten sich die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, den USA und der EU auf Schloss Elmau zum G7-Gipfel. Die Erwartungen waren groß; die Herausforderungen nicht minder. Die G7 zeigten Geschlossenheit. Die Ergebnisse können sich unter den schwierigen Umständen durchaus sehen lassen. Doch nicht in allen Punkten wurden die Hoffnungen an den Gipfel erfüllt. Einiges blieb vage.
Die G7 ist heute viel mehr als ein Club großer Wirtschaftsnationen. Sie ist eine Wertegemeinschaft. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, Meinungsfreiheit, der Schutz von Minderheiten und Menschenrechten – dies sind Werte, die international immer mehr unter Druck geraten. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Freedom House stellte jüngst erst fest, dass die Freiheit weltweit im 16. Jahr in Folge abgenommen hat.
Und so ging es auf diesem Gipfel viel um die Verteidigung dieser Werte. Das geopolitische Umfeld hat sich dramatisch verändert, seit sich die G7 vergangenen Juni trafen. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine markiert eine Zäsur, eine Zeitenwende. Großmachtpolitik, ein Wettbewerb der Ideen und Systeme, kalte und heiße Konflikte sowie Kriege drohen die Welt in neue Blöcke zu spalten: Demokratien auf der einen Seite und Autokratien auf der anderen. Hier Länder, die sich an internationales Recht halten, dort solche, die dieses aufs Äußerste missachten.
Und dann gibt es eine Vielzahl an Ländern, die unentschlossen sind, mit beiden Seiten flirten. Bundeskanzler Olaf Scholz wollte daher nicht nur ein starkes Signal der Geschlossenheit des Westens an Länder wie Russland und China senden, sondern auch Länder mit an den Verhandlungstisch holen, die demokratisch verfasst, wirtschaftlich und politisch bedeutend sowie stabilisierend in ihrer Region wirken. Die sogenannten Outreach-Länder waren dieses Jahr Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika. Mit ihnen verständigten sich die G7 auf eine Erklärung über resiliente Demokratien.
Darin bekräftigen sie, ihre Demokratien stärken und auf gerechte, inklusive und nachhaltige Lösungen für globale Herausforderungen hinarbeiten zu wollen. Allerdings kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alle der Outreach-Länder Russlands Krieg gegen die Ukraine öffentlich verurteilen. An den Sanktionen gegen Russland beteiligen sich diese Länder nicht. Daran konnte auch der G7-Gipfel nichts ändern.
Zur Autorin
Stormy-Annika Mildner ist Direktorin des Aspen Institute in Berlin.
Russlands Krieg gegen die Ukraine stand weit oben auf der Agenda der G7. In ihrer Erklärung zur Unterstützung der Ukraine versprachen die G7 weitere Finanzhilfen von bis zu 29,5 Milliarden US-Dollar für 2022, um der Regierung dabei zu helfen, die Daseinsvorsorge der Bevölkerung zu sichern. Auch neue und schärfere Sanktionen gegen Russland wurden beschlossen.
Wollen die G7-Länder den globalen Süden jedoch nachhaltig enger an sich binden, ist eines klar: Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben klare finanzielle Erwartungen. Investitionen in Infrastruktur standen bereits 2021 auf der Agenda der G7 unter britischem Vorsitz. In Elmau wurde es konkreter. 600 Milliarden US-Dollar wollen die G7 bis 2027 für eine weltweite Infrastrukturinitiative mobilisieren und damit eine Alternative zum chinesischen Großprojekt, der Neuen Seidenstraße, bieten. Das ist viel Geld. Unklar ist allerdings, ob es sich dabei um neue Gelder oder teilweise eine Umwidmung von bereits eingeplanten Geldern handelt.
Um Geld ging es auch beim Thema Nahrungssicherheit und Klimaschutz. Die G7 verpflichteten sich, über 4,5 Milliarden Dollar für die weltweite Ernährungssicherheit bereitzustellen. Ebenfalls ein starkes Signal. Ob dies ausreicht, bleibt jedoch abzuwarten. Das Grundproblem, dass Getreide aufgrund des Kriegs in der Ukraine festhängt und viele Länder mit Exportbeschränkungen auf die Krise antworteten – unter anderem Indien –, löst dies nicht.
Zudem verständigten sich die G7 auf einen Klimaclub – ein Leuchtturmprojekt des deutschen Vorsitzes. Er soll international Vorbildcharakter für einen verbesserten Klimaschutz haben und allen Ländern offenstehen, die sich uneingeschränkt zur Umsetzung des Pariser Abkommens bekennen. Ein wichtiges Ziel des Clubs soll es sein, Treibhausgasemissionen besser zu erfassen und zu mindern. Zudem soll der Verlagerung von Produktion in Länder mit niedrigeren Klimaschutzstandards entgegengewirkt werden. Auch soll der klimafreundliche Umbau der Industrie gefördert werden. Schließlich soll mit Energiepartnerschaften ärmeren Staaten geholfen werden, ihre Wirtschaften klimafreundlicher zu gestalten.
Doch auch hier: Neue Finanzzusagen gab es nicht. Die G7 kamen lediglich überein, ihre Anstrengungen zu verstärken, um das gemeinsame Ziel der Mobilisierung von 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung so schnell wie möglich zu erreichen.
Kurzum: Die G7 konnten somit in einigen wichtigen Themen punkten. In anderen blieb sie hinter den Erwartungen zurück. Angesichts des zunehmend engen fiskalpolitischen Spielraums, der hohen Inflation und drohenden Rezessionen überrascht es nicht, dass die finanziellen Zusagen der G7 nicht noch größer ausgefallen sind. Ob ihre Angebote an die Schwellen- und Entwicklungsländer jedoch ambitioniert genug sind, bleibt abzuwarten. Doch starke Bilder und Worte reichen nicht, es zählen nun Taten. Nur so können sie im weltweiten Systemwettbewerb den „unentschlossenen Ländern“ eine attraktive Alternative zu China und Russland bieten.
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