
Nach dem Putschversuch vom 15. Juli hat die türkische Polizei nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 15.846 Menschen festgenommen. Unter ihnen seien rund 10.000 Militärangehörige gewesen, davon 178 Generäle. Inhaftiert wurden demnach 5200 Militärangehörige, darunter 151 Generäle und mehr als 1600 Offiziere. An diesem Donnerstag kommt in Ankara der Oberste Militärrat zusammen.
Der Militärrat will über Reformen in der Armee und die Neubesetzung von zahlreichen Stellen beraten, die durch die Festnahmen von Offizieren freigeworden sind. An dem eintägigen Treffen unter Vorsitz von Ministerpräsident Binali Yildirim nehmen unter anderem Verteidigungsminister Fikri Isik und Armeechef Hulusi Akar teil.
Auch 1684 Richter und Staatsanwälte befinden sich nach offiziellen Angaben in Untersuchungshaft. Zehntausende Staatsbedienstete wurden vom Dienst suspendiert.
Schlüsselstaat Türkei
Die Republik Türkei ist laut der Verfassung von 1982 ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat. Regiert wird das Land von Ministerpräsident Binali Yildirim und dem Kabinett. Staatsoberhaupt ist Recep Tayyip Erdogan, als erster Präsident wurde er 2014 direkt vom Volk gewählt. Im türkischen Parlament sind vier Parteien vertreten, darunter - mit absoluter Mehrheit - die islamisch-konservative AKP von Erdogan. Parteien müssen bei Wahlen mindestens 10 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, um ins Parlament einziehen zu können. Die Türkei ist zentralistisch organisiert, der Regierungssitz ist Ankara. (dpa)
Die Türkei ist seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber konkret verhandelt. Würde die Türkei beitreten, wäre sie zwar der ärmste, aber nach Einwohnern der zweitgrößte Mitgliedstaat, bei derzeitigem Wachstum in einigen Jahren wohl der größte.
Als Nachbarstaat von Griechenland und Bulgarien auf der einen Seite und Syrien sowie dem Irak auf der anderen Seite bildet die Türkei eine Brücke zwischen der EU-Außengrenze und den Konfliktgebieten des Nahen und Mittleren Ostens.
Seit Beginn des Syrien-Konflikts ist die Türkei als Nachbarstaat direkt involviert. Rund 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge nahm das Land nach eigenen Angaben auf. Die türkische Luftwaffe bombardiert allerdings auch kurdische Stellungen in Syrien und heizt so den Kurdenkonflikt weiter an.
1952 trat die Türkei der Nato bei. Das türkische Militär - mit etwa 640 000 Soldaten und zivilen Mitarbeitern ohnehin eines der größten der Welt - wird bis heute durch Truppen weiterer Nato-Partner im Land verstärkt. Im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe sollen auch Atombomben auf dem Militärstützpunkt Incirlik stationiert sein.
Von den fast 16.000 Festgenommenen sei gegen 8113 Haftbefehl erlassen worden, sagte Innenminister Efkan Ala dem Sender A Haber. Sie befänden sich in Untersuchungshaft. Etwa 3000 Festgenommene seien nach einem Verhör wieder frei gelassen worden, ergänzte ein Behördensprecher.
Die restlichen mehr als 4700 Festgenommenen befanden sich demnach im Gewahrsam der Sicherheitskräfte, wo sie während des Ausnahmezustands bis zu 30 Tage festgehalten werden können, bevor sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen.





Mehr als 8600 Militärs waren laut Armee an Putschversuch beteiligt
Nach Angaben der Armeeführung beteiligten sich 8651 Militärs an dem Putschversuch vom 15. und 16. Juli. Das entspreche etwa 1,5 Prozent des Militärs. Die Putschisten hätten 35 Flugzeuge, 37 Hubschrauber, 74 Panzer und drei Kriegsschiffe eingesetzt.
Auch Journalisten geraten immer mehr ins Visier des Staates. Ein türkischer Staatsanwalt ordnete an, 47 ehemalige Mitarbeiter der Tageszeitung „Zaman“ in Gewahrsam zu nehmen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu weiter berichtete, durchsuchte die Polizei auch Wohnungen von Verdächtigen.





Ein Istanbuler Staatsanwalt hatte bereits am Montag 42 Journalisten zur Fahndung ausgeschrieben. „Zaman“, eine der auflagenstärksten Zeitungen des Landes, war wegen Verbindungen zum Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen im März unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht die Bewegung für den Putschversuch verantwortlich. Der in den USA lebende Prediger weist dies zurück.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zeigte sich schockiert über die Verhaftungswelle gegen Journalisten in der Türkei. In den vergangenen Tagen habe die Justiz gegen rund 90 Medienschaffende Haftbefehle erlassen und einige davon bereits vollzogen, teilte ROG mit. „Die massenhaften Haftbefehle der vergangenen Tage zielen unmissverständlich darauf, unbequeme Journalisten mundtot zu machen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.