Nach den Drohnen-Attacken auf Raffinerien Wie steht es wirklich um Saudi-Arabiens Ölförderung?

Bei den Öl-Geschäften im Nahen Osten geht es um viel Geld Quelle: imago images

Nach den Angriffen auf die weltgrößten Öl-Anlagen beruhigt Saudi-Arabien die Märkte. Doch die bleiben skeptisch und befürchten eine Eskalation des Konflikts mit Teheran.

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Geschmolzene Rohre, verbrannte Geräte, verkohlte Türme: Am vergangenen Freitag präsentierte der Erdölkonzern Saudi Aramco Journalisten das Ausmaß des Schadens, der am 14. September durch Drohnen- und Raketenangriffe auf zwei der wichtigsten Erdölanlagen entstanden ist. Die Attacken führten zu einem Ausfall von rund fünf Prozent der weltweiten Förderung, was zu Wochenbeginn einen Sprung der Notierungen um 20 Prozent auslöste. Für die USA steht fest, dass die Angriffe auf Abkaik und Khurais Teil einer Kampagne des Iran seien, um die Region wegen der von Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen in Aufruhr zu versetzen. Iran weist hingegen die Vorwürfe entschieden zurück und spricht von „unsinnigen Aussagen“.

Obwohl Saudi Arabien fast die Hälfte der Tagesproduktion verloren hat, versucht Riad nun, den Schaden herunter zu spielen. Saudi Aramco sei nach den Angriffen „stärker denn je“, schrieb wenige Tage nach dem Angriff Aramaco-CEO Amin Nasser in einer Botschaft an die 70.000 Angestellten. Ölminister Prinz Abdulazziz bin Salman, der erst seit Anfang September im Amt ist, macht bei seiner ersten Bewährungsprobe auf Humor. Würde er den pessimistischen Prognosen Glauben schenken, müsste er jetzt mit Prozac die Depression bekämpfen, spottete der Minister am Montag an einer Energiekonferenz in Abu Dhabi über Schwarzmaler. Er versicherte später, dass der Ölausstoß bis Ende September wieder „das normale Niveau“ erreichen werde. Damit bekräftigte er die Rolle des Königreichs, sich unabhängig von Kriegen, Preisschocks und Wirtschaftskrisen für eine ausreichende Ölversorgung zu fairen Preisen einzusetzen.

Um dem Ruf seines Landes, „Zentralbank des Öls“ zu sein, weiterhin gerecht zu werden, muss Saudi Arabien jetzt den Lackmustest bestehen. Nur wenn das Land bis Ende September das Fördervolumen wieder normalisiere, würde es „seine Widerstandskraft zu potentiell sehr schädlichen Schocks weitgehend unter Beweis stellen“, meint Alex Perjessy von Moody's.

Marktkenner hegen indes Zweifel an den beruhigenden Worten aus Riad. Der längerfristige Effekt der Angriffe auf die saudische Öl-Infrastruktur sei noch „schwer abzuschätzen“, warnt zum Beispiel Rohstoffexperte Eugen Weinberg in einer Analyse der Commerzbank. Das Land, so Weinberg, dürfte mögliche Probleme angesichts der wichtigen Kundenbeziehungen und des bevorstehenden Börsengangs von Saudi Aramco „kaschieren“.

Unruhe an den Märkten löste zum Beispiel die Meldung aus, wonach Saudi Arabien Rohöl importieren wolle, um seine Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Weil es seine eigenen Rohölexporte maximieren wolle, sei Aramco seit einer Woche am Kauf von Rohölprodukten interessiert, hat Dario Scaffardi von der italienischen Raffinerie Saras SpA festgestellt. So wandte sich die saudische Aramco, die weltweit größte Öl-Exporteurin, laut einer Meldung des Wall Street Journals mit der Bitte an den Irak, 20 Millionen Fass Rohöl zu liefern. Das würde darauf hinweisen, dass die Schäden an der saudischen Infrastruktur „größer und nachhaltiger sind, als man es glauben lassen will“, so Weinberg.

In Riad erwartet man nicht, dass die Angriffe nennenswerte konjunkturelle Folgen haben. Die Aramco-Erlöse und Fiskaleinnahmen werden kaum betroffen sein, sagt Hans-Peter Huber, CIO bei Riad Capital, einem der großen Investmenthäuser im Königreich: „Aramco kann den Produktionsausfall durch einen Lagerabbau kompensieren.“ Auch für die Vision 2030, mit der der Kronprinz Saudi Arabien modernisieren will, erwartet Huber keinen Rückschlag. Riad werde stets in der Lage sein, zur Finanzierung des Plans „genügend ausländische Mittel auf den globalen Kapitalmärkten zu beschaffen“. Den Anschlägen kann er sogar etwas Positives abgewinnen. Weil diese die Verletzlichkeit der globalen Ölversorgung deutlich gemacht hätten, sei die Risikoprämie im Umfang von vier bis fünf Dollar pro Fass in den Ölnotierungen eingepreist: „Der höhere Ölpreis kommt der Saudi Wirtschaft entgegen.“

Als ob die Saudis trotz des Ausnahmezustandes Normalität vortäuschen wollten, machte am Wochenende eine Reuters-Meldung die Runde, wonach die Deutsche Bank und UBS mit dem Börsengang von Aramco beauftragt worden seien. Eine offizielle Bestätigung liegt allerdings nicht vor. Beobachter in Riad sehen den Börsengang, dem eine Bewertung von zwei Billionen Dollar zugrunde liegt, allerdings skeptisch. Die Wahrscheinlichkeit, dass er noch in diesem Jahr zustande komme, sei gesunken, meint ein Beobachter in der saudischen Hauptstadt. Die Investoren dürften aufgrund der jüngsten Ereignisse einen Bewertungsabschlag fordern, was die angepeilte Gesamtbewertung noch unrealistischer erscheinen lasse.

Um das IPO trotz der Skepsis möglich zu machen, würden reiche Saudis unter Druck gesetzt, sich am Börsengang mit großen Beträgen zu beteiligen, wusste neulich die Financial Times zu berichten. Zu den Zwangs-Investoren gehört offenbar unter anderem auch Alwaleed bin Talal, einer der Milliardäre, die Kronprinz Mohamed bin Salman vor zwei Jahren während mehr als drei Monaten im Ritz-Carlton festgehalten hat. Emittiert werden soll voraussichtlich ein Prozent der Gesamtbewertung. In einem ersten Schritt sollen Teile von Aramco an lokale Investoren verkauft werden. Internationale Kapitalgeber würden erst später angegangen. Sie dürften gegenüber geopolitischen Risiken empfindlicher sein als saudische Investoren, meint die Eurasia Group.

Denn solange eine diplomatische Lösung des Konflikts mit dem Iran nicht in Sicht ist, ist die Gefahr einer Eskalation des Konflikts und weiterer Angriffe auf saudische Ölanlagen nicht gebannt. Saudi-Arabien macht militärisch eine schwache Figur. Trotz milliardenschweren Rüstungsausgaben ist es dem Königreich nicht gelungen, den Angriff abzuwehren. Teheran droht und könnte seine Huthi-Terrormilizen im Jemen mobilisieren, die bereits mehrfach bewiesen haben, dass Saudi-Arabiens Öl-Infrastruktur in Reichweite ihrer vom Iran gelieferten Drohnen ist.

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