Nach den Pariser Anschlägen Gemeinsamer Kampf gegen den Terror

Justiz und Polizei in der EU sollen künftig stärker kooperieren. Die Kommission dringt darauf, dass die Behörden mehr Informationen über Verdächtige einholen können als bisher. Für den EU-Vorschlag gibt es viel Lob.

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Neue Regeln sollen Polizei und Justiz die Bekämpfung und Aufklärung von Straftaten erleichtern. Quelle: dpa

Brüssel Richter, Staatsanwälte und die Polizei sollen künftig mit wenigen Klicks EU-weit nach Vorstrafen von Verdächtigen suchen können. Neue Zugriffsrechte auf das sogenannte Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) sollen den nationalen Justizbehörden die Suche nach Straftaten in anderen EU-Mitgliedsstaaten erleichtern, wie ein Vorschlag der EU-Kommission vorsieht.

Während bisher in ECRIS nur Einträge von europäischen Staatsbürgern gezeigt wurden, sollen dort künftig auch Straftaten von Nicht-EU-Bürgern aufgelistet werden. Fingerabdrücke gehören dann ebenfalls zum übermittelten Datensatz, um effektiver gegen gefälschte Ausweise vorzugehen.

Die EU-Kommission reagiert mit ihrem Entwurf auf die Anschläge in Paris vom November. „ECRIS spielt bei der Bekämpfung von grenzüberschreitenden Straftaten eine wichtige Rolle, da die Mitgliedstaaten damit Informationen über Vorstrafen im gesamten EU-Gebiet austauschen können“, betonte Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz. Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln war in Deutschland ebenfalls der Ruf nach mehr Sicherheit laut geworden.

Der Brüsseler Vorschlag erhielt viel Lob vom Europäischen Parlament. Die EU-Parlamentarierin Birgit Sippel (SPD) sagte dem Handelsblatt: „Einen tatsächlichen Mehrwert für die Arbeit von Polizei und Justiz können wir nur erreichen, wenn die Mitgliedstaaten diese Ausweitung zügig in nationales Recht umsetzen.“

Auch Jan Philipp Albrecht, Europaabgeordneter für die Grünen, hält den Ausbau von ECRIS für richtig. Zugleich betonte er, dass eine Ausweitung auf Nicht-EU-Personen nicht ausreiche: „Die Behörden der EU-Länder müssen endlich verpflichtet werden, ihre Informationen umfassend mit den EU-Agenturen zu teilen.“

Das Europäische Strafregisterinformationssystem funktioniert wie eine Suchmaschine: Seit 2012 können Richter, Staatsanwälte und in bestimmten Fällen auch die Polizei die nationalen Behörden eines Mitgliedsstaates fragen, ob bei diesen bereits Straftaten von einem EU-Bürger registriert sind. In Deutschland haben Polizeibeamte keinen direkten Zugriff auf ECRIS: Ihre Anfragen müssen zunächst an das Bundeszentralregister, das zum Bundesamt für Justiz gehört, geschickt werden.


Die Idee sei nicht zu Ende gedacht, bemängeln Kritiker

Nationale Behörden werden dem EU-Kommissionsvorschlag zufolge auch mehr Zugriff auf Informationen erhalten: Bürger aus Drittstaaten, die auf EU-Territorium wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, sollen in ECRIS erfasst werden. Bislang konnten Richter und Polizisten Straftaten von Nicht-EU-Bürgern nicht einsehen. Um die Souveränität der Mitgliedsstaaten nicht zu verletzen, bleiben die Datensätze weiterhin in den jeweiligen Ländern. ECRIS ist laut EU-Kommission keine Datenbank und speichert nichts.

Kritiker bemängelten, dass die Idee der EU-Kommission nicht zu Ende gedacht sei. Das legt das folgende Beispiel nahe: Wurde ein Deutscher in Frankreich verurteilt, wussten die schwedischen Strafverfolgungsbehörden in der Regel nichts davon. Diese mussten erst eine ausdrückliche Anfrage an die Franzosen stellen, um Kenntnis über den Fall zu erhalten.

Taten sie das nicht, galt der Verdächtige EU-weit als unvorbelastet. Die verbesserte Software zeigt nun alle Straftaten zu einer Person aus allen Mitgliedsstaaten auf einen Blick. Auch ein Blick auf die Statistik bestätigt die Kritik: Während die EU-Kommission 2014 rund 688.000 Straftaten von Nicht-EU-Bürgern registrierte, gab es nur 23.000 Datenabfragen im EU-Ausland.

Nun müssen das Europäische Parlament und der Ministerrat dem Entwurf zustimmen, bevor die neuen Regeln ein Jahr nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.

Es ist nicht die erste Initiative, die Gesetzgeber seit den jüngsten Terroranschlägen ergriffen haben: Frankreich und Belgien hatten am Rande der Uno-Klimakonferenz in Paris beschlossen, dass ihre Geheimdienste künftig intensiver Daten über Terroristen miteinander auszutauschen sollen. Neben ihnen beteiligen sich auch Deutschland, Italien, Großbritannien, die Niederlande, Spanien, Irland und Schweden in der sogenannten „Neuner-Gruppe“. Diese war nach dem islamistischen Anschlag auf ein Jüdisches Museum in Brüssel im Juni 2014 ins Leben gerufen worden.

 

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