Nach der Entlassung von FBI-Chef Comey Stürzt Donald Trump über die FBI-Affäre?

Der US-Präsident feuert FBI-Chef James Comey – und sorgt für einen Aufschrei. Wie es in den Ermittlungen über möglichen Verstrickungen zwischen der US-Regierung und Russland weitergeht und was Trump befürchten muss.

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Dass FBI-Chef James Comey gehen musste, weil er wie Trump sagt schlicht

Ganz New York spricht über James Comey. Ob in der Schlange beim Starbucks an der New Yorker Upper West Side, in den Morgennachrichten im TV oder im Büro: die Entlassung des FBI-Chefs durch US-Präsident Donald Trump ist das Gesprächsthema Nummer eins in den Vereinigten Staaten. Das „Warum?“ scheint zunehmend geklärt Dass der Chefermittler gehen musste, weil er, wie Trump sagt, schlicht „einen schlechten Job“ gemacht habe, nehmen ihm die Wenigsten ab. Vielmehr dürfte sich der Präsident daran gestört haben, mit welchem Eifer der FBI-Boss die Ermittlungen gegen die Regierung ob möglicher Verstrickungen zu Russland vorangetrieben hat. „Trump sieht rot“, kommentiert etwa die Boulevardzeitung „New York Post“ auf ihrer Titelseite. Die Opposition und selbst erste Mitglieder der eigenen Partei fordern Aufklärung.

Wie es nun weitergeht und ob die aktuellen Geschehnisse Trump gefährlich werden können: Das sind wichtigsten Fragen und Antworten zur FBI-Affäre.

Wieso und gegen wen hat das FBI überhaupt ermittelt?

Das FBI ermittelt zu Kontakten zwischen Trumps Wahlkampfteam und Vertretern Russlands. Die zentrale Frage ist, ob die russische Regierung die Präsidentschaftswahlen im November 2016 beeinflusst hat – und ob das Trump-Team davon wusste. US-Geheimdienste beschuldigen den Kreml, sich mit Cyberangriffen in den Wahlkampf eingemischt zu haben, um den Ausgang zugunsten von Trump zu beeinflussen. Hacker hatten E-Mails der Demokraten gestohlen, die die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte. Beweise über Kontakte zwischen der neuen US-Regierung und der russischen Führung gibt es nicht – wohl aber Indizien.

Der ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn wurde entlassen, nachdem er eingeräumt hatte, falsche Informationen über Kontakte zum russischen Botschafter geliefert zu haben. Der ehemalige Trump-Berater Roger Stone prahlte im Wahlkampf damit, mit Wikileaks in Kontakt zu stehen. Noch vor der Veröffentlichung der ersten E-Mails von Clintons Wahlkampfchef John Podesta twitterte er, dass dessen Zeit bald gekommen sei.

„Die USA stehen am Rande einer Verfassungskrise“
James Comey steht seit 2013 an der Spitze der US-Bundespolizei FBI. Ernannt von Präsident Obama, geriet er in die Kritik, als er in der heißen Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs im vergangenen Herbst den sorglosen Umgang mit dienstlichen E-Mails von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton thematisierte. Sein Umgang mit der E-Mail-Affäre ist nun der offizielle Grund für seinen Rausschmiss. Quelle: AP
In einem Brief unter dem Titel „Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens in das FBI“ schrieb der Vize-Justizminister Rod Rosenstein an das Weiße Haus: Comeys Handeln in der Affäre um Hillary Clintons E-Mails „ist ein Textbuch-Beispiel dafür gewesen, was Bundesstrafverfolger und Agenten nicht tun sollten. (...) Comey hat die Autorität des Justizministers an sich gerissen, als er verkündete, dass die Untersuchungen gegen Clinton eingestellt würden. Es ist unwahrscheinlich, dass das FBI das Vertrauen der Öffentlichkeit und des US-Kongresses zurückerlangen wird, bis die Behörde einen Direktor hat, der die Schwere dieses Fehlers versteht und verspricht, diesen nicht zu wiederholen.“In Los Angeles erreichte Comey schließlich das Kündigungsschreiben von Donald Trump. Darin schrieb der US-Präsident, er „stimme mit dem Justizministerium darin überein, dass Sie nicht in der Lage sind, das FBI effektiv zu führen.“ Der ehemalige FBI-Chef reiste daraufhin aus LA ab (Bild), die Kündigung schlägt hohe Wellen. Quelle: AP
Die große US-Tageszeitung „New York Times “ (NYT) macht auf Seite eins in Großbuchstaben mit der Headline auf: „Trump fires Comey amid Russia inquiry“ und verweist damit auf die zweite Dimension der Affäre. Comey hat sich für eine Untersuchung der umstrittenen Kontakte zu Russland ausgesprochen, die das Wahlkampfteam von Donald Trump gepflegt haben soll. Das könnte aus Sicht der NYT der wahre Grund gewesen, um den Chefpolizisten zu entlassen: Trumps Entlassung von FBI-Direktor James Comey „beendet abrupt die polizeiliche Untersuchung durch den Top-Beamten, ob die Berater von Trump mit der russischen Regierung gekungelt haben, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl von 2016 zu beeinflussen. Diese erstaunliche Entwicklung hat ein Gespenst geweckt, das der politischen Einmischung eines amtierenden Präsidenten in laufende Ermittlungen der Bundes-Strafverfolgungsbehörde.“ Quelle: REUTERS
Auch die konservative Tageszeitung „Wall Street Journal “ (WSJ) schätzt den Schritt als übereilt ein und verweist auf die laufende Untersuchung zu den Russland-Kontakten Trumps: Die unerwartete Entlassung von FBI-Direktor James Comey durch Donald Trump „stürzt die Hauptstadt in Verwirrung und verstärkt sofort die Forderungen nach der Berufung eines Sonder-Staatsanwalts, der die Kontrolle übernimmt über die höchst sensible Untersuchung der möglichen Verbindungen zwischen der Trump-Präsidentschaftskampagne und Russland.“ Quelle: REUTERS
Gleich mehrere Demokraten zogen in ihrer Kritik Parallelen zum „Saturday Night Massacre“ 1973, als US-Präsident Nixon in der Watergate-Affäre einen unabhängigen Sonderermittler entließ. Gegen Nixon wurde ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, er gab sein Amt 1974 auf. Die Senatoren Patrick Leahy und Bob Casey beschrieben Trumps Vorgehen als „Nixonian“ (zu deutsch etwa „nixonisch“). Der ranghöchste Demokrat im Justizausschuss des Repräsentantenhauses, John Conyers (Bild), kritisierte den Rauswurf des FBI-Direktors scharf: „Die Entlassung riecht nach einer Vertuschung und ist Teil eines Versuches, die Russland-Untersuchungen zu behindern. (...) Die USA stehen am Rande einer Verfassungskrise.“Auch der demokratische Minderheitsführer im Senat, der zweiten Parlamentskammer, Chuck Schumer, kritisierte den US-Präsidenten: „Ich habe Trump in einem Gespräch darauf hingewiesen, einen sehr großen Fehler gemacht zu haben.“ Quelle: AP
In Trumps eigener Partei, den Republikanern, ist die Haltung zum Rauswurf durch den Präsidenten gemischt. Die republikanischen Senatoren Lindsey Graham (Bild) und Roy Blunt lobten Trumps Entscheidung als Chance für einen Neuanfang bei den Russland-Ermittlungen. Der einflussreiche republikanische Senator John McCain fordert dagegen einen Sonderermittler oder -ausschuss, um den Russland-Vorwürfen auf den Grund zu gehen. Und der republikanische Vorsitzende des zuständigen Ermittlungskomitees im Senat, Richard Burr, kommentierte:„Zeitpunkt und Begründung der Entlassung sind aus meiner Sicht verstörend.“ Quelle: AP
Ein noch schärferes Urteil fällt der Kommentator Paul Callan vom großen Nachrichtensender CNN, mit dem Trump schon seit der Präsidentschaftskampagne allzu oft über Kreuz liegt (Trump nannte CNN-Berichte wiederholt „fake news“):„Historiker könnten sich künftig des 9. Mai 2017 als eines verhängnisvollen Tages der amerikanischen Geschichte erinnern. Mit der Entlassung des FBI-Direktors James Comey könnte der 45. Präsident der Vereinigten Staaten eine Reihe von Ereignissen in Gang gesetzt haben, die zu weiteren Kontroversen führen könnten und möglicherweise sogar zu seiner Amtsenthebung weniger als ein Jahr nach dem Antritt der Präsidentschaft.“ Quelle: AP

Wie erklärt Trump die Entlassung von James Comey – und wie glaubhaft sind die Ausführungen?

Offiziell ist Trump unzufrieden mit der Arbeit des FBI-Chefs. Comey habe keinen „guten Job“ gemacht, sagte Trump vor laufenden Kameras. Per Twitter hatte er zuvor verkündet, Comey habe das Vertrauen fast aller in Washington verloren. Trumps Justizminister Jeff Sessions begründete die Suspendierung Comeys mit dessen Verhalten während der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton im vergangenen Jahr. Comey habe damals seine Amtsbefugnisse überschritten als er sich öffentlich zu dem laufenden Verfahren äußerte.

Viele Beobachter zweifeln diese Erklärung an. Noch im Januar hatte Trump Comey herzlich begrüßt – und ihm sogar einen Kuss zugehaucht. Vor einer Woche sagte sein Sprecher Sean Spicer, Trump habe volles Vertrauen in Comey.

Wahrscheinlicher ist deswegen eine andere Lesart. Demnach stecken die Russland-Ermittlungen des FBI hinter der Entlassung. Der Vorwurf an Trump lautet nun, er habe mit der Entlassung Comeys die Ermittlungen begraben wollen. Trump und sein Umfeld weisen diese Vorwürfe entschieden zurück.

Kann Trump unliebsame Ermittler einfach feuern?

Ja. Der Präsident der USA kann den FBI-Chef ohne Angabe von Gründen entlassen. Comey selbst schrieb in einem Abschiedsbrief an die FBI-Angestellten, ihm sei bewusst gewesen, „dass ein Präsident einen FBI-Direktor aus jedem Grund oder völlig grundlos feuern kann“. Allerdings ist so ein Vorgang selten. Zuletzt hatte Bill Clinton 1987 von seinem Recht Gebrauch gemacht – und den FBI-Direktor L. Patrick Gray entlassen.

Neben dem Chef der US-Bundespolizei kann Trump außerdem alle politischen Amtsträger entlassen, die nicht vom Volk gewählt wurden. Dazu gehören Berater wie Michael Flynn, Stephen Bannon, sein Sprecher Sean Spicer aber auch Tochter und Beraterin Ivanka Trump. Seine Minister kann Trump bloß zum Rücktritt bewegen – ein deutlich schwierigeres Unterfangen.

Droht Trump der Sturz?

Was ist das Problematische an der Entlassung Comeys?

Zum einen der Zeitpunkt der Entlassung. FBI-Chef James Comey hielt gerade eine Ansprache vor seinen Mitarbeitern, als plötzlich völlig überraschend die Nachricht seiner Entlassung auf den Bildschirmen erschien. Selbst engste Mitarbeiter des Weißen Hauses waren nicht informiert. Dementsprechend schwierig war es, das Kommunikationsdesaster wieder einzuhegen. Erst Stunden nach der Entlassung schwärmten Trumps Leute aus, um ihre Lesart der Geschehnisse zu verbreiten. Am Tag darauf war die bereits wieder obsolet. Trumps Leute erzählten plötzlich Dinge, die dem Gesagten vom Vortag vollkommen widersprachen.

Viel wichtiger ist die Signalwirkung des Vorgangs. Die Entlassung Comeys ist ein weiterer Angriff auf die Unabhängigkeit der US-Justiz. Schließlich heckte Trump den Plan und die Begründung für Comeys Rauswurf zusammen mit seinem Justizminister aus. Angesichts der Ermittlungen Comeys in Trumps Umfeld ein pikanter Vorgang.

Wie geht es mit den Ermittlungen zu den möglichen Russland-Verbindungen der Regierung jetzt weiter?

Das FBI wird zunächst seine Untersuchungen fortführen. Dass deren Chef geschasst wurde, heißt nicht, dass die entsprechenden Mitarbeiter den Fall nicht weiter aufzuklären versuchen, betonen Juristen. Das FBI wird kommissarisch von Andrew McCabe geführt.

Die Regierung ist unterdessen auf der Suche nach einem Nachfolger für James Comey. Dessen Nominierung muss vom Senat bestimmt werden. Da die Republikaner dort die Mehrheit innehaben, fürchtet die Opposition, Trump können sich für einen handzahmen FBI-Chef entscheiden – der dann auch vom Kongress durchgewinkt und die Ermittlungen seines Hauses einstellen wird.

Allerdings ist das FBI nicht die einzige Institution, die ermittelt. So prüft etwa der Geheimdienstausschuss des Senats, ob sich Trump-Mitarbeiter falsch verhalten und die Sicherheit der USA gefährdet haben; das Justizministerium könnte die Einsetzung eines Sonderermittlers beschließen. Dafür machen sich – naturgemäß – die Mitglieder der Opposition stark. Doch der republikanische Justizminister Jeff Sessions hat sich zum Selbstschutz wegen seiner eigenen Russland-Kontakte von den Ermittlungen freistellen lassen; nun liegt es an seinem Vize Rosenstein dieses Prozedere zu beschleunigen. Jener Mann, der Comeys Entlassung forcierte und alles andere als ein Trump-Kritiker ist.

Muss Trump Konsequenzen fürchten?

Die Opposition und die Öffentlichkeit üben massiv Druck auf den Präsidenten aus. Die Trump-Kritiker sehen die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet – und die USA auf den Weg zu einem autoritären Staat, indem der Präsident potenzielle Gegner mundtot macht.

Dennoch wird Donald Trump zunächst wohl nicht über die Entlassung James Comeys stürzen. Zu groß ist (noch) der Rückhalt seiner Partei. Das Justizministerium und führende Republikaner wie Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat, und Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, lehnen etwa die Einsetzung eines Sonderermittlers ab und stellen sich insgesamt schützend vor Trump. So scheint auch ein Amtsenthebungsverfahren für den Moment ausgeschlossen.

Ein „Impeachment“ gegen den Präsidenten müsste das Repräsentantenhaus mit einfacher Mehrheit beschließen. Die Republikaner scheinen derzeit nicht gewillt, dies zu tun. Zumal dem Präsidenten bisher keine konkreten Rechtsbrüche nachgewiesen werden können. Erst wenn sich konkrete Beweise finden lassen, dass Trump von Russland erpressbar wäre, dass Geld geflossen ist oder klare Anweisungen an Russland ausgesprochen wurden, die Wahlen zu manipulieren, droht Trump der Sturz.

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