Nach gescheitertem Putsch Regierung suspendiert 13.000 türkische Beamte

Nach dem gescheiterten Putsch hat die türkische Regierung 13.000 Beamte aus dem Dienst entlassen und eine Urlaubssperre verhängt. Erdogan denkt sogar über die Einführung der Todesstrafe nach – Deutschland verurteilt das.

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Die türkische Regierung hat 13.000 Beamte suspendiert. Quelle: dpa

Die türkische Regierung hat nach dem gescheiterten Putsch eine Urlaubssperre für alle Staatsbedienstete im Land verhängt. Die Beamten, die sich zur Zeit im Urlaub aufhielten, sollten so schnell wie möglich zu ihrer Arbeit zurückkehren, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag berichtete. Bis Jahresende wurden zudem alle freien Tage bis auf weiteres gestrichen. Rund drei Millionen Beamte sind nach Angaben türkischer Medien im ganzen Land betroffen.

Nach Angaben der Regierung zufolge sind mehr als 13.000 Staatsbedienstete suspendiert worden. Darunter seien 2745 Justizbeamte sowie fünf Mitglieder des Hohen Rates der Richter und Staatsanwaltschaft (HSYK), sagte Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu fällt der größte Teil der Suspendierungen in den Bereich der Polizei: 7899 Polizisten seien betroffen, meldete Anadolu.

Nicht in der Zahl der Suspendierungen enthalten sind die 6038 Soldaten, die nach Angaben von Yildirim bislang festgenommen wurden. Insgesamt kam es nach seinen Angaben zu 7543 Festnahmen seit dem Putschversuch vom Freitagabend. Festgenommen wurden demnach neben den 6038 Soldaten, 100 Polizisten, 755 Richter und Staatsanwälte sowie 650 weitere Zivilisten.

Berlin warnt Türkei vor Todesstrafe

Nach Erdogans Überlegungen für eine Rückkehr zur Todesstrafe infolge des gescheiterten Putsches ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klarstellen: „Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab. Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der Europäischen Union sein.“ Die Todesstrafe wurde in der Türkei seit 1984 nicht mehr vollstreckt. Seit 2004 ist sie abgeschafft.

Regierungssprecher Steffen Seibert verwies zudem darauf, dass sich die Türkei über Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet habe, keine Hinrichtungen mehr zu vollstrecken. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder sagte ebenfalls: „Wenn die Todesstrafe beschlossen werden sollte, dann sind die Verhandlungen sicher am Ende.“ Ähnlich äußerte sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (ebenfalls CDU).

Wegen der Festnahmewelle in der Türkei gibt es in Berlin zunehmend Befürchtungen, dass Erdogan künftig noch autoritärer regieren will. Zudem beobachtet man mit Sorge, dass auch der Ton zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern in der Bundesrepublik härter wird. In Deutschland leben mehr als drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln.

Den Putschversuch von Teilen des Militärs hatte die Bundesregierung gleich in den ersten Stunden verurteilt. Merkel verzichtete bis Montagmittag jedoch auf ein Telefonat mit dem Präsidenten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hielt hingegen Kontakt mit seinem türkischen Kollegen. Der SPD-Politiker äußerte die Hoffnung, dass sich der gescheiterte Putsch zu einem „Weckruf für die türkische Demokratie“ entwickelt.

Demgegenüber meldeten führende Unionspolitiker große Bedenken gegen eine EU-Annäherung des Landes an. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte: „Ernsthaft kann man mit so einem Land jetzt keine Beitrittsverhandlungen führen.“ Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) meinte: „Mehr Erdogan, weniger Rechtsstaat - das ist meine Befürchtung.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte den sofortigen Stopp der Gespräche.

Keine Auswirkungen auf Flüchtlingsabkommen

Auf das Flüchtlingsabkommen der Türkei mit der EU sieht die Bundesregierung hingegen aktuell keine Auswirkungen. „Wir sind der Überzeugung, dass das getrennt zu sehen ist“, sagte Regierungssprecher Seibert. Die EU werde ihre Zusagen aus dem Abkommen erfüllen. „Wir erwarten das auch von der Türkei.“

Seibert machte aber klar, dass es kein Entgegenkommen bei den Bedingungen für die Visafreiheit geben werde. „Das kann weiterhin nur erfolgen, wenn alle Bedingungen (...) erfüllt sind.“ Ursprünglich hätte die Visumpflicht schon im Juli fallen sollen. Dieser Termin hat sich aber verschoben, weil die Türkei noch nicht alle 72 Bedingungen erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze.

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