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Nach Kommunalwahlen Erdogan will Widersacher verfolgen

Der türkische Ministerpräsident Erdogan kostet den klaren Sieg bei den Kommunalwahlen aus. Politischen Widersachern droht er mit Härte. Bei der Opposition herrscht Katzenjammer.

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In diesen Ländern wird das Internet zensiert
ChinaEs ist ein Paradox: 300 Millionen Menschen nutzen in China das Internet - von der Zensur jedoch weiß nur ein Bruchteil der Menschen. Die Regierung nutzt dafür verschiedene Methoden. Filter kommen ebenso zum Einsatz wie Ausspähung und Einschüchterung. Neben pornografischen Seiten sperrt die Regierung Auftritte religiöser und politischer Gruppierungen, welche die Regierung als 'schädlich' ansieht. Auch renommierte Nachrichtenseiten wie BBC oder Social-Media-Portale wie Facebook, Twitter und Youtube sind nicht abrufbar. Nun verschärft China die Zensuren und weitet die Blockaden auf mehrere Internetseiten aus. Der Großanbieter von Cloud-Diensten, Edgecast, räumte am 18.November in einer Mitteilung ein, dass viele seiner Dienste seit kurzem von China aus nicht mehr oder nur noch eingeschränkt abrufbar sind. Die Zensurexperten von Greatfire.org bezeichneten den Schritt als „Versuch, China vom globalen Internet abzuschneiden“. Die Organisation hatte mehrfach angeprangert, dass Chinas Zensurapparat immer ausgefeilter operiere. Teilweise würden Zugriffe auf internationale Internetseiten gezielt verlangsamt, um sie für chinesische Nutzer unbrauchbar zu machen. Chinas Internet wird seit Jahren stark kontrolliert. Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter sowie Youtube oder Webseiten von Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Medien wie die „New York Times“ oder die Nachrichtenagentur Bloomberg sind von China aus nicht abrufbar. In diesem Jahr hatte China die Sperren bereits ausgeweitet. Kurz vor dem 25. Jahrestag des Pekinger Massakers im Juni wurde erstmals der Zugang zu allen Google-Diensten in China wie Suche, Gmail, Maps und die Fotoplattform Picasa gesperrt. Quelle: REUTERS
TürkeiSeit 2007 können lokale Strafgerichte Webseiten landesweit sperren lassen, sofern sie pädophile oder pornografische Inhalte, die Verherrlichung von Drogen oder Beleidigungen des Staatsgründers Atatürk zeigen. Jetzt hat die Türkei allerdings nochmals die Kontrolle von Internetnutzern verschärft. Die staatliche Telekommunikationsbehörde TIB darf künftig Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss sperren lassen, wenn sie die „nationale Sicherheit“ oder die „öffentliche Ordnung“ gefährdet sieht. Außerdem kann sie Daten über das Surfverhalten von Internetnutzern uneingeschränkt sammeln. Einer entsprechenden Gesetzesänderung stimmte das türkische Parlament in der Nacht zu Mittwoch zu, wie die Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Es ist bereits die zweite Verschärfung in diesem Jahr. Internetanbieter müssen die Anweisung zur Sperrung von Webseiten innerhalb von vier Stunden umsetzen. Erst nach 24 Stunden müsse die Telekommunikationsbehörde die Entscheidung einem Gericht vorlegen, um die Sperrung bestätigen zu lassen. Mit Material von dpa Quelle: dpa
NordkoreaNordkorea gilt als das Land mit der weltweit striktesten Internetkontrolle, steht laut Machthaber Kim Jong Un aber vor einer "industriellen Revolution". In seiner Neujahrsrede kündigte der Machthaber mehr Investitionen in Forschung und Technologie sowie Computer in allen Schulen an. Bisher haben lediglich ein paar tausend Privilegierte Zugang zu einer stark zensierten Version des Internets. Unter den zugelassenen Seiten befinden sich 30 Portale, die die großen Führer "Kim Jong-il" und "Kim Il Sung" preisen. Quelle: dapd
RusslandStaatschef Vladimir Putin plant eine Ausweitung der Netzzensur. Vorgesehen ist ein Twitter-Verbot für Staatsdiener sowie Klarnamenzwang in sozialen Netzwerken. Damit wollen die Machthaber um den Staatschef gegen "extremistische Propaganda" und Blogger, die "politische Spekulation verbreiten", vorgehen. Derweil gehen immer mehr Menschen gegen Putins Regime auf die Straße. Quelle: dpa
AfghanistanSeit Juni 2010 werden in Afghanistan diverse Webseiten und Soziale Netzwerke gesperrt. Darunter Facebook, Youtube, Twitter und Google-Mail sowie Seiten mit den Themen Alkohol, Dating, Glücksspiel und Pornografie. Quelle: dpa
WeißrusslandSeit Januar 2012 ist ein Weißrussland ein Gesetz in Kraft, das Alexander Lukaschenko bereits 2010 auf den Weg gebracht hatte. Danach dürfen ausländische Dienste nicht mehr für E-Mails, Finanztransaktionen, den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen genutzt werden. Außerdem müssen die Provider inhaltliche Zensur durchsetzen und PC-Nutzer sich in Internetcafés ausweisen. Quelle: dpa
MyanmarIn Myanmar können sich die meisten Menschen Computer gar nicht leisten, weshalb die Zensurmaßnahmen der Militärregierung vor allem Internetcafés betreffen. Der Zugang zu oppositionellen Webseiten wird hier systematisch blockiert. Auch E-Mail-Programme von Yahoo oder Hotmail können nicht genutzt werden. Was die User in den Cafés treiben, wird sehr genau beobachtet. Alle fünf Minuten werden die URLs der aufgerufenen Seiten gespeichert. Quelle: REUTERS

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will nach dem Sieg bei den Kommunalwahlen mit seinen politischen Widersachern abrechnen. „Bis in ihre Höhlen werden wir sie verfolgen. Sie werden den Preis bezahlen“, sagte Erdogan in der Nacht zum Montag vor jubelnden Anhängern in Ankara mit Blick auf die Gegner im eigenen konservativ-religiösen Lager. Seit Dezember liefert sich Erdogan einen heftigen Machtkampf mit Anhängern der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen.

Trotz Korruptionsvorwürfen gegen seine Regierung, Säuberungen in Justiz und Polizei und Internet-Sperren kam Erdogans Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) bei der Wahl am Sonntag - nach Auszählung von etwa 98 Prozent der Stimmen - landesweit auf mehr als 45,5 Prozent. Das sind gut 6 Prozentpunkte mehr als bei Kommunalwahlen vor fünf Jahren. Zugleich sind es allerdings gut vier Prozentpunkte weniger als bei der Parlamentswahl 2009.

Nach Monaten politischer Auseinandersetzung und den Demonstrationen der Gezi-Bewegung im vergangenen Jahr hatte Erdogan die Wahlen in Städten und Gemeinden zur Vertrauensfrage erklärt. Er versprach den Wählern wirtschaftliche und politische Stabilität. Seine AKP hat in den vergangenen Jahren in den von ihr regierten Städten stark in die Infrastruktur investiert und viele Arbeitsplätze geschaffen. Unmittelbar vor der Wahl bestimmte aber der Machtkampf im Land die politische Diskussion.

Erdogans islamisch-konservative AKP behauptete die symbolträchtigen Bürgermeisterämter in den größten Städten Istanbul und Ankara, in denen starke Herausforderer aus den Reihen der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) angetreten waren. Zudem erklärte sich die AKP zum Sieger in der bisher von einem CHP-Bürgermeister regierten Touristenhochburg Antalya.

Die CHP kam landesweit nur auf knapp 28 Prozent der Stimmen. Der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu erklärte am Montag, er werde nicht zurücktreten. Seine Partei sei nicht gescheitert, müsse sich die Ergebnisse aber genau ansehen.

Erdogan wertete das Ergebnis in der Nacht als „großen Sieg“ und „Kampf für die Freiheit der neuen Türkei“. „Das ist der Hochzeitstag für die neue Türkei“, sagte Erdogan. Seinen Widersachern hat er in den vergangenen Monaten immer wieder gedroht. Mehrere tausende Polizisten und Staatsanwälte wurden zwangsversetzt, während Erdogan immer wieder von Unterwanderung des Staates durch die Gülen-Bewegung sprach.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich, bezeichnete die Drohungen Erdogans als inakzeptabel. „Das ist eine Drohung, die nach den Verboten von Twitter und YouTube nichts Gutes für die weitere demokratische Entwicklung der Türkei erwarten lässt“, teilte er mit.

„Wir werden ein sehr genaues Auge darauf haben, wie Erdogan mit diesem Wahlergebnis und insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung umgeht. Auch die Europäische Union muss sich fragen lassen, wie sie mit diesen Äußerungen im Hinblick auf die Beitrittsverhandlungen umgeht“, so Friedrich.

Erdogans Gegner haben das Internet in den vergangenen Monaten verstärkt für Enthüllungen und die Veröffentlichung abgehörter Gespräche genutzt. Der Regierungschef sperrte darauf den Kurznachrichtendienst Twitter und die Videoplattform Youtube. Die Kommunalwahlen waren auch ein Stimmungstest für Erdogan, der sich im August nach mehr als zehn Jahren an der Regierungsspitze zum Staatspräsidenten wählen lassen will.

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