Nach Kritik US-Regierung holt Minderjährige aus umstrittener Grenzkontrollstelle

Die Bedingungen für Kinder in US-Migrationseinrichtungen haben viel Entsetzen ausgelöst. Nun ziehen die Minderjährigen in andere Unterkünfte um.

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An der texanischen Grenze wurden zuletzt mehr als 300 Kinder in umstrittenen Grenzkontrollstellen festgehalten. Quelle: AP

El Paso Nach Medienberichten über die desolate Unterbringung von mehr als 300 Kindern an der Grenze zu Mexiko hat die US-Regierung unzählige Minderjährige aus der umstrittenen Grenzkontrollstelle in Texas geholt. Am Montag seien noch 30 Kinder in der Einrichtung bei El Paso gewesen, sagte die Kongressabgeordnete Veronica Escobar unter Verweis auf Informationen von der Zoll- und Grenzschutzbehörde.

In den Berichten hatte es geheißen, mehr als 300 Kinder versorgten sich in der Einrichtung gegenseitig - die älteren versuchten, sich um Kleinkinder und Säuglinge zu kümmern. Sie hätten nicht genügend Wasser, Lebensmittel und Sanitäranlagen. Teilweise konnten sie seit Tagen nicht duschen.

Die Nachrichtenagentur AP berichtete am Donnerstag erstmals über die Zustände in Clint bei El Paso. Einige Kinder wurden dort seit drei Wochen festgehalten, 15 von ihnen waren an Grippe erkrankt, weitere 10 befanden sich in medizinischer Quarantäne wie Anwälte berichteten, die die Einrichtungen besuchen konnten.

Wohin alle Kinder gebracht wurden, war zunächst unklar. Laut Escobar wurden einige in eine andere Unterkunft in El Paso geschickt. Ihr zufolge gibt es in der temporären Einrichtung Ausrollmatratzen, Duschen, medizinische Versorgung und Klimaanlagen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) widersprach: Dort seien die Konditionen nicht unbedingt besser, sagte die HRW-Anwältin Clara Long.

Ein Junge habe ihr erzählt, seine Familie habe in den ersten zwei Nächten keine Matratzen zum Schlafen erhalten, sagte Long. Seine Mutter habe Fieber bekommen, es habe keine Zahnbürsten gegeben und sei sehr kalt gewesen.

Grenzschutzbeamte teilten der Nachrichtenagentur AP am Montag mit, dass ihre Kurzzeiteinrichtungen nicht für schutzbedürftige Personen ausgelegt seien. Sie benötigten dringend zusätzliche Mittel, um diese humanitäre Krise zu bewältigen.

Abgeordnete der Demokraten und Republikaner hatten sich in der vergangenen Woche angesichts der Berichte entsetzt gezeigt. Vizepräsident Mike Pence sagte am Sonntag in der Fernsehsendung „Face the Nation“, unsichere, unhygienische Bedingungen für Kinder seien „total inakzeptabel“. Er hoffe, der Kongress werde weitere Ressourcen für die Grenzsicherung zur Verfügung stellen.

Scharfe Kritik gibt es aber nicht nur an der Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen. Die ranghöchste Demokratin Nancy Pelosi griff Präsident Donald Trump wegen geplanter Massenabschiebungen an. Damit bewege sich Trump „außerhalb des Zirkels des zivilisierten menschlichen Verhaltens“, sagte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses am Montag (Ortszeit) bei einer Veranstaltung zum Thema Einwanderung in Queens in New York. Ähnlich kritisch äußerte sich der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer.

Am Wochenende hatte Trump die Massenabschiebungen kurz vor deren für Sonntag angekündigten Beginn auf Eis gelegt. Der Kongress habe nun zwei Wochen Zeit, „die Asyl- und Schlupflochprobleme“ an der Grenze zu Mexiko zu lösen, schrieb er auf Twitter, und drohte: „Wenn nicht, fangen die Abschiebungen an!“.

Dies sei „entsetzlich“, sagte Pelosi, und: „Es ist außerhalb des Zirkels des zivilisierten menschlichen Verhaltens, einfach Türen einzutreten, Familien auseinanderzureißen und dergleichen; hinzu kommt das Unrecht, das sich an der Grenze abspielt.“ Mit letzterer Aussage schien sie auf die Inhaftierungen von Migranten unter oft harten Bedingungen anzuspielen, die bei der illegalen Einreise in die USA aufgegriffen werden.

Die in den Grenzeinrichtungen eingesperrten Kinder konnten HRW-Anwältin Long und andere Anwälte im Rahmen eines Abkommen aus der Ära des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton besuchen. Das sogenannte Flores-Settlement regelt die Unterbringung von Migrantenkindern und ihren Familien. Laut den Anwälten kannte der Grenzschutz den Besuchstermin drei Wochen im Voraus.

Viele der festgehaltenen Kinder kamen alleine an die Grenze zwischen den USA und Mexiko, einige wurden laut den Anwälten jedoch von ihren Eltern oder anderen Angehörigen wie Tanten und Onkels getrennt. Die staatlichen Regelungen sehen vor, dass die Kinder nicht länger als 72 Stunden in den Grenzschutzeinrichtungen untergebracht sind. Spätestens dann müssen sie in die Obhut des Gesundheitsministeriums überstellt werden, während die Behörden entscheiden, ob sie zu Verwandten oder Freunden der Familie gebracht werden können.

Mehr: Die USA fürchten Mexikos Flüchtlinge. Jetzt gibt es zwar eine Einigung mit dem Nachbarstaat, aber die Situation an der US-Grenze bleibt dramatisch.

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